Essen. Fast vier Millionen Euro stehen bereit, um die frühere Salzfabrik der Kokerei Zollverein in einen neuen großen Ausstellungsraum fürs Ruhrmuseum umzubauen. Museumschef Theo Grütter sieht darin eine Chance für den gesamten Standort. Ein Gespräch.
- Salzfabrik wird bis 2020 Schau-Depot des Ruhrmuseums – Sammlung drohte zu vergammeln
- Ruhrmuseum vor Verdopplung: Dauerausstellung hat 2500 Quadratmeter, Schau-Depot weitere 2000
- Museumschef Grütter glaubt an Belebung des Kokerei-Umfeldes und träumt von Bergbau-Museum
Rund 3,5 Millionen Euro vom Bund für das Schau-Depot des Ruhr-Museums, dazu 400 000 Euro aus dem städtischen Haushalt – mal ehrlich: Haben Sie damit gerechnet?
Theo Grütter: Ich habe es gehofft, aber eigentlich nicht daran geglaubt, weil es sehr schwierig ist, Mittel aus dem Topf „Nationale Projekte des Städtebaus“ zu bekommen. Immerhin gab es 117 Bewerber. Umso größer war hier auf Zollverein unsere Freude, als die Nachricht eintraf. Ich habe wirklich einen Luftsprung gemacht.
Was ist überhaupt ein Schau-Depot?
Grütter: In der Dauerausstellung des Ruhrmuseums zeigen wir maximal fünf Prozent unserer Sammlung. Der große Rest ist verteilt in mehreren großen Lagerflächen und dort teilweise konservatorisch gefährdet, droht also zu vergammeln. Es war also schon der Druck da, etwas zu verändern. Nun gibt es in der Museumsszene seit geraumer Zeit den Trend, diesen „Gedächtnisspeicher“ nicht zu verbuddeln, sondern der Öffentlichkeit zu zeigen. Nicht jedes Haus hat allerdings die Möglichkeit dazu. Wir nun aber schon – und dann in solchen Räumen. Ich bin sicher, dass unser Schau-Depot das spektakulärste in Deutschland werden wird.
Von außen sieht das Gebäude auf der „weißen Seite“ der Kokerei Zollverein nicht gerade spektakulär aus.
Grütter: Das stimmt, von außen ist die Salzfabrik unscheinbar. Innen ist sie aber sehr eindrucksvoll. Wir reden über mehrere Ebenen mit sechs Meter hohen Decken, einem Lichthof in der Mitte, in dem wir einen gläsernen Aufzug einbauen wollen. Die Räume sind ideal für unsere Exponate. Man muss sich das vorstellen: Unsere Dauerausstellung hat 2500 Quadratmeter, das Schau-Depot bietet weitere 2000. Das heißt, das Ruhrmuseum steht fast vor einer Verdoppelung. Das ist ein wirkliches Pfund.
Was soll hinein? Man könnte ja glauben, die interessantesten Stücke sind ohnehin in der Dauerausstellung.
Grütter: Ja, aber wir haben eben noch sehr viel mehr. Etwa unsere geologischen und naturkundlichen Sammlungen aus allen fünf Kontinenten. Es gibt aber auch hochinteressante Exponate der Ruhrgebiets-Geschichte. So besitzen wir rund 30 unterschiedliche Haushaltsherde von Küppersbusch, Truhen aus vormodernen Zeiten, eine Sammlung von Möbeln des Gelsenkirchener Barock, Gemälde, Tausende Kleinigkeiten mit Ruhrgebietsbezug, von denen sehr vieles wert ist, gezeigt zu werden.
Sie werden aber kaum den darstellerischen Aufwand wie in der Dauerausstellung betreiben können.
Grütter: Das können wir nicht und das wollen wir nicht. Wir schaffen keine Ensembles, stellen nicht bestimmte Stücke zueinander, sondern ganz im Gegenteil: Es wird eine serielle Präsentation geben, die Exponate sind – ergänzt durch Erklärungen – so zu betrachten, wie wir sie aufbewahren. Es bleibt eben beides: Depot und Präsentationsfläche.
Wie ist es möglich, dass auch die Stadt immerhin 400 000 Euro beisteuern konnte?
Grütter: Diese Komplementärmittel sind nötig, weil sonst der Bund auch nichts gibt. Aber möglich war das nur, weil wir mit einem Gutachten belegen konnten, dass die Exponate in unseren Depots gefährdet sind. Dann ist es eine Pflichtaufgabe, und dann muss und darf die Stadt handeln, selbst wenn sie unter Haushaltsaufsicht steht. Man muss wissen, schon der Ratsbeschluss, der 2007 unseren Umzug von der Goethestraße nach Zollverein festlegte, enthielt die Zusicherung eines Schau-Depots. Das war damals nicht zu realisieren. Als wir am 8. Januar 2010 das Ruhrmuseum eröffneten, mussten wir deshalb mit Provisorien leben. Mit dem Schau-Depot in vollenden wir gewissermaßen unseren Umzug.
Wie soll der Besucherbetrieb organisiert werden?
Grütter: Wir planen keine regelmäßigen Öffnungszeiten wie in der Dauerausstellung, dazu müssten wir ständige Bewachung organisieren. Das wäre nicht leistbar. Es wird aber Führungen geben, Gruppen können auf Anmeldung hinein, und natürlich wird es auch einzelne Tage geben, wo wir für jedermann öffnen. Es soll auf jeden Fall soviel los sein, dass wir eine Belebung für das Kokerei-Umfeld hinkriegen.
Das wäre wohl dringend geboten.
Grütter: Für Zollverein ist das ein Quantensprung. Sicher, es gibt das Ruhrmuseum, das Designzentrum, einzelne Ausstellungen. Besucher, die auf das Welterbe-Gelände kommen, sollten aber die Möglichkeit haben, sich potenziell vier, fünf Ausstellungen anschauen zu können. Da sind wir jetzt auf dem richtigen Weg. Zumal das noch nicht alles ist.
Da sind wir gespannt...
Grütter: Rund um den Gasometer, nicht weit von der Salzfabrik entfernt und ganz nah an der künftigen Zentrale der RAG-Stiftung, könnte ich mir sehr gut eine Musealisierung des Bergbaus vorstellen. 2018 ist der Ruhrbergbau Geschichte, dann sollte es so etwas wie eine Untertagewelt geben, in der man den Bergbau inszeniert. Ein Teil unsere geologischen Exponate würden da perfekt passen. Aber ich räume ein, das ist jetzt noch Zukunftsmusik.
Fakten zum Ruhrmuseum und zur Salzfabrik
Das Ruhrmuseum wurde zum Kulturhauptstadtjahr 2010 in der Kohlenwäsche von Zollverein Schacht 12 neu gegründet. Im Ruhrmuseum ging das Ruhrlandmuseum auf, das sich über Jahrzehnte Räume mit dem Folkwang-Museum teilte. Beim Umzug wurde der Anspruch als „Gedächtnis“ der gesamten Region durch die Neukonzeption der Dauerausstellung untermauert.
Gründungsdirektor des Ruhrmuseums war Ulrich Borsdorf, sein Nachfolger wurde 2012 Heinrich Theodor („Theo“) Grütter. Der 59-jährige Historiker hat das Museumsgeschäft im Ruhrlandmuseum als wissenschaftlicher Mitarbeiter gelernt und gilt als Organisationstalent.
In der Salzfabrik, die nun für die Museumserweiterung vorgesehen ist, wurden chemische Nebenprodukte der Koks-Gewinnung verarbeitet. Das Gebäude gehört zur so genannten „weißen Seite“ der Kokerei, im Gegensatz zur „schwarzen Seite“, womit die Ofen-Batterie gemeint ist.
Zurück zum Schau-Depot: Wann ist denn der erste Rundgang möglich?
Grütter: Wir haben uns ein ganz konkretes Eröffnungsdatum gesetzt: den 8. Januar 2020. Dann ist das Ruhrmuseum auf den Tag genau zehn Jahre auf Zollverein. Unser Jubiläum mit diesem Neubau zu verbinden, ist optimal.
Ist es realistisch das zu schaffen?
Grütter: Wir haben dreieinhalb Jahre Zeit und fangen noch in diesem Jahr an mit den Planungen. Wir müssen jetzt Präsentations-Ideen entwickeln, Architekten beauftragen und sicherstellen, dass im nächsten Jahr die Arbeiten am Gebäude starten können. Wir sind alle hochmotiviert, weil es eine einmalige Chance für das Ruhrmuseum ist.