Essen. Ältere Essener müssen in der Pandemie lang nach individueller Hilfe mit dem Smartphone suchen. Zentrum 60+ in Holsterhausen schließt eine Lücke.

Damit haben sie ins Schwarze getroffen. Im gerade ein Jahr jungen Zentrum 60 plus der Diakonie in Holsterhausen melden sich mehr und mehr ältere Essenerinnen und Essener, um individuell den Umgang mit Tablet, Smartphone und Co. zu lernen.

Zentrum 60+ als Lotse

Am 1. April 2020 wurde das Zentrum 60+ in Holsterhausen eröffnet, um älteren Menschen soziale Teilhabe zu ermöglichen.

Laut Diakonie-Referatsleiterin Claudia Hartmann nimmt das Zentrum eine Lotsenfunktion ein, Seniorinnen und Senioren können eigene Ideen und Projekte umsetzen.

Neben Freizeitaktivitäten werden ihnen auch Kurse und Fachleute vermittelt, „bei Bedarf auch Renten-, Schuldner-, Suchtberater oder ein Handwerkerdienst“.

Kein Wunder: VHS-Kurse fanden in der Pandemie bloß online statt – ein Hindernis für Internet-Anfänger. Künftig soll im Zentrum in Essen-Holsterhausen auch ein ehrenamtliches Netzwerk zum Einsatz kommen.

Rentnerin aus Essen konnte mit Smartphone nur telefonieren

Auf der Straße, in der Straßenbahn und auch sonst überall – Menschen, die mit gesenktem Kopf auf ihr Smartphone starren. Was andere Seniorinnen mit Unverständnis oder Kopfschütteln abtun, begann Rosita Paschmann zu faszinieren. Die Essener Rentnerin kaufte sich kurzerhand ein Smartphone, war damit aber zunächst nur in der Lage zu telefonieren.

Von 60 bis Mitte 90 – im Zentrum 60+ der Diakonie Essen berät Julia Oberwinster ältere Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen in Sachen Digitalisierung.
Von 60 bis Mitte 90 – im Zentrum 60+ der Diakonie Essen berät Julia Oberwinster ältere Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen in Sachen Digitalisierung. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Damit sich das ändert, wandte sie sich im Offenen Treff des neuen Zentrums 60 plus an Leiterin Ragnhild Geck. Im 2020 eröffneten Zentrum soll auf alle Bedarfe Essener Seniorinnen und Senioren eingegangen und diese beraten werden.

Bedarf ist da: Fünf Beratungen pro Woche

Doch im Vordergrund stünde die Ideenwerkstatt, in der Interessierte Ü60 eigene Projekte entwickeln. So geht es neben französischer Konversation, autogenem Training, Kunstkreisen und dem Lesen der Zeitung auch um die Online-Fragen der Besucher.

Und der Bedarf ist groß, weiß Julia Oberwinster. Die Sozialpädagogin berät seit dem zweiten Lockdown im Dezember ältere Menschen aus Holsterhausen, Margarethenhöhe, Haarzopf und Fulerum in digitalen Fragen, hilft telefonisch und persönlich vor Ort und vermittelt nötigenfalls weiter.

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Etwa fünf mal in der Woche kommen Senioren und Seniorinnen bei ihr vorbei und lassen sich Smartphone und Tablet en détail erklären.

Essen: Zentrum 60 plus plant Ehrenamtlichennetzwerk

„Wir bekommen die Rückmeldung, die Leute brauchen Unterstützung – denn es wird davon ausgegangen, dass sie online schon fit sind und Einkaufs- oder Impftermine online ausmachen können,“ sagt Oberwinster. Sie leiste Hilfestellung, wenn beispielsweise eine Frau Kontakt mit ihrer schwangeren Tochter halten will, aber die Tablet-Anleitung nicht versteht.

„Beim Sat1-Frühstücksfernsehen wird immer gesagt: ,Das finden Sie auf unserem Instagramkanal,’“ berichtet Rosita Paschmann, „Da wollte ich wissen, wie das geht.“ Heute ist Instagram kein Problem mehr für die Rentnerin aus Essen-Holsterhausen.
„Beim Sat1-Frühstücksfernsehen wird immer gesagt: ,Das finden Sie auf unserem Instagramkanal,’“ berichtet Rosita Paschmann, „Da wollte ich wissen, wie das geht.“ Heute ist Instagram kein Problem mehr für die Rentnerin aus Essen-Holsterhausen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Dabei habe sie mit absoluten Anfängern, aber auch mit Fortgeschrittenen zu tun. „Wir haben sogar einen 94-Jährigen, der Interesse hat, sich ein Handy anzuschaffen, aber sich allein nicht für eines entscheiden kann.“ Es sei enorm wichtig, dass die Besucher sich nicht unter Druck gesetzt fühlen. „Man muss auch die Konzentration im Blick haben: Nach 45 Minuten ist es auch mal gut,“ so Oberwinster.

Dank Zentrum 60 plus – Seniorin aus Essen jetzt fit mit dem Smartphone

Aufgrund des hohen Bedarfs an digitaler Hilfestellung bleibt Julia Oberwinster künftig keine Alleinstreiterin: Ein Netzwerk von Ehrenamtlichen soll entstehen und Seniorinnen und Senioren individuell mit Smartphone und Co. helfen.

Für Rosita Paschmann hat sich das gelohnt. Ihr Lernfortschritt im Umgang mit dem Smartphone sei bemerkenswert, hebt Beraterin Julia Oberwinster hervor.

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Paschmann kann mittlerweile Fotos schießen, per Whatsapp Fotos und Nachrichten verschicken, sich auf Instagram informieren, Online-Termine vereinbaren und die öffentliche W-Lan-Funktion nutzen. Doch von einer App ist Paschmanns besonders begeistert: „Ich habe eine App, die erkennt Lieder aus dem Radio.“

Ein Netzwerk von Ehrenamtlichen soll entstehen. Julia Oberwinster, berät bisher Interessierte, Ranghild Geck (Mitte) leitete das Zentrum 60 plus und Claudia Hartmann leitet das Senioren- und Generationenreferat des Diakoniewerks Essen.
Ein Netzwerk von Ehrenamtlichen soll entstehen. Julia Oberwinster, berät bisher Interessierte, Ranghild Geck (Mitte) leitete das Zentrum 60 plus und Claudia Hartmann leitet das Senioren- und Generationenreferat des Diakoniewerks Essen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

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