Essen. NRW lockert die Auflagen für Spielhallen und Wettbüros. Damit wird der Kampf der Stadt Essen gegen das Glücksspiel konterkariert, so Kritiker.

Die Stadt Essen ist in den vergangenen Jahren konsequent gegen das Ausufern von Spielhallen vorgegangen. Doch nun dürften diese Bemühungen ad absurdum geführt werden. Grund ist das Ausführungsgesetz zum neuen Glücksspielstaatsvertrag, das der Landtag mit der Mehrheit von CDU und FDP beschlossen hat und das kommenden Donnerstag, am 1. Juli, in Kraft tritt.

Das Gesetz erlaubt unter anderem, dass die Mindestabstände zwischen Spielhallen unter bestimmten Bedingungen von 350 auf 100 Meter reduziert werden. Auch mehrere Spielhallen in einem Gebäude – so genannte Verbundspielhallen – sollen wieder erlaubt werden. Für Wettbüros gilt dann ebenfalls ein Mindestabstand von 100 Metern. Immerhin: Der 350-Meter-Abstand von Spielhallen und Wettbüros zu öffentlichen Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen bleibt bestehen.

Über 50 Spielhallen wurden in Essen geschlossen

Die Stadt erwartet mit dem neuen Gesetz, dass die Zahl der Spielhallen in nächster Zeit wieder zunimmt. Dabei hatte sie die Daddelbuden seit 2017 beharrlich zurückgedrängt. Damals nämlich wurde der Mindestabstand per Gesetz auf die besagten 350 Meter festgelegt und dies mit dem Schutz der Spieler begründet. Mit dem größeren Abstand wollte der Gesetzgeber einen Las-Vegas-Effekt verhindern. Das heißt, dass Spieler nicht von einer Spielhalle direkt in die nächste „einfallen“ können.

Die verschärften Abstandsregeln hat Essen dazu genutzt, die Spielhallen deutlich einzudämmen. Derzeit gibt es nur noch 86 Spielhallen im Stadtgebiet. 2016, bevor die strengeren Vorgaben galten, sind es noch 141 gewesen. Die Wettbüros dagegen wurden in den vergangenen Jahren wegen der bislang unklaren Rechtslage regelmäßig geduldet. In manch geschlossene Spielhalle zog deshalb ein Wettbüro ein.

Ordnungsdezernent: „Das neue Gesetz konterkariert unsere Bemühungen“

Die nun anstehenden Aufweichungen für Spielhallen stoßen bei Ordnungsdezernent Christian Kromberg denn auch auf Unverständnis: „Das konterkariert unsere bisherigen Bemühungen“, sagte er. Essen sei bei der Umsetzung der Bestimmungen sehr weit und auch sehr erfolgreich gewesen. „Wir haben das ja aus Jugendschutzgründen getan. Warum das jetzt nicht mehr zählt, versteht keiner.“

Die Zurückdrängung der Spielhallen hat die Stadt in den vergangenen Jahren viel Aufwand und Geld gekostet. Sie musste dutzende Gerichtsverfahren führen, die sie bis dato alle gewonnen hat. Nun aber befürchtet Kromberg, dass sich dies aufgrund der neuen Rechtslage ändern könnte. Denn offenbar haben einige Spielhallen-Betreiber die Prozesse in der Hoffnung auf eine neue Rechtslage derart lange vorangetrieben, dass diese nun tatsächlich zu ihren Gunsten ausfallen könnten.

SPD sieht Stadtteile zurückgeworfen

Auch in der Essener SPD stößt das neue Glücksspielgesetz auf deutliche Kritik. „Nachdem wir lange und mühsam gegen die Zunahme solcher Einrichtungen gekämpft haben mit dem Ziel, unsere Stadtteile aufzuwerten, wirft uns das massiv zurück. Denn durch die stark reduzierten Abstände droht nun wieder eine Zunahme der Spielhallen und Wettbüros“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ingo Vogel.

Unverständlich sei, wie diese Entscheidung mit der postulierten „Null-Toleranz-Politik“ des Innenministers Herbert Reul (CDU) zusammenpasse. Vogel verweist dabei auf die Seite der Polizeibehörden von NRW. Dort steht im Zusammenhang mit der Clankriminalität: „Ähnlich den Shishabars bieten auch Glücksspielstätten eine Basis zur Vorbereitung und Begehung von Straftaten. Darüber hinaus werden dort Spielgeräte manipuliert, wodurch erhebliche Geldsummen erwirtschaftet werden.“

Der Essener SPD-Mann Vogel befürchtet daher: „Neben der Glücksspielsucht wurde auch die teils organisierte Kriminalität, die im Umfeld mancher Spielhallen stattfindet, bekämpft. Wenn es nun wieder zu einem Anstieg der Spielhallen kommt, wird es schwieriger, den Überblick zu behalten und die Arbeit für die Polizei erschwert.“