Essen-Steele. Big Bands, Musicals, Leidenschaft für Musik: Das zählt zum Schulalltag von Robert Maruhn am Steeler Gymnasium. Und ein außergewöhnlicher Einsatz.

Als er den Umschlag aus seinem Briefkasten zog, glaubte Robert Maruhn (62) den Inhalt des Schreibens kaum. Nun hält der Musiklehrer die Verdienstmedaille in Händen: für seinen Einsatz am Gymnasium Wolfskuhle, wo er neben der Big Band auch das Musical-Projekt auf die Beine stellte. Und das sind nur zwei der vielen AGs, die er mit großer Leidenschaft und viel Zeit begleitet.

Als Robert Maruhn vor 21 Jahren an die Wolfskuhle kam, da gab es gerade einmal die Flötengruppe. Heute spielen die Schüler in zwei Big Bands, in einer der beiden Drum-Lines-Gruppen oder arrangieren selbst Stücke. Es gibt eine Kooperation mit der Musikschule Rhein-Ruhr und selbst schwierige Schüler, die Dank der Musik Fuß gefasst haben und die Gemeinschaft schätzen. „Sie merken, dass Schule etwas für sie tut“, sagt ihr Lehrer, der selbst mit sechs Jahren am Klavier saß. Und manchmal stand er in der Ecke des Raumes, um die Intervalle zu hören.

Jeder wollte Jimmy Hendrix oder Eric Clapton sein

Musiklehrer Robert Maruhn bekam selbst bereits im Alter von sechs Jahren Klavierunterricht.
Musiklehrer Robert Maruhn bekam selbst bereits im Alter von sechs Jahren Klavierunterricht. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Noch heute erinnert er sich genau an die strenge Klavierlehrerin und ihren Doppelnamen. Weitere sechs Jahre später nahm er dann erstmals die Gitarre in die Hand und Anfang der 1970er wuchsen Haare und die Begeisterung für Musik. Er spielte Folk und Rock’n’Roll: „Jeder wollte Jimmy Hendrix oder Eric Clapton sein“, sagt er lächelnd. Statt E- wurde es bei ihm dann die Akustikgitarre, mit der er in zahlreichen Bands spielte: auch Reggae, Jazz und Soul.

Als er sich dann für ein Studium an der Essener Universität entschied, wählte er Biologie und Musik, machte damit nach dem Abschluss seine Hobbys zum Beruf und wurde Lehrer. Zu Schmetterlingsexkursionen kommt er als Nabu-Mitglied inzwischen nicht mehr ganz so häufig („schon mit zehn Jahren war ich als Ornithologe mit dem Bund für Vogelschutz draußen“), hat aber an der Wolfskuhle aktuell einen Bio-Leistungskurs übernommen.

Ein Musical mit Musik von Bob Dylan

Auf Eis liegen hingegen derzeit die Vorbereitungen für das achte Musical, für das die Schüler probten, bis Corona die Proben unterbrach: ein Stück mit Musik von Bob Dylan soll es werden. Die Drei-Groschen-Oper war es damals kurz nach dem Wechsel von Robert Maruhn vom Carl-Humann-Gymnasium an die Wolfskuhle. Denn ein Schwerpunkt Theater existierte bereits am Pinxtenweg, brach lag hingegen die Musik – und damit so manches Talent der Schüler.

Rund 500 Schüler hat er auf ihrem musikalischen Weg begleitet. Einige von ihnen sind inzwischen Profimusiker („ein ehemaliger Schüler gehört zur Band Frida Gold“), lehren an Universitäten oder sind selbst Musiklehrer. Ehen sind entstanden, Big-Band-Babys auch. Zwei Ehemalige unterrichten heute am Gymnasium Wolfskuhle, das Ehepaar Malan. Während sie an der Schule zudem ein Orchester gegründet hat, hat er zum 25-jährigen Bestehen die Big Bands von Robert Maruhn übernommen.

Schüler werden ab der fünften Klasse auf die Big Band vorbereitet

Die Big Band des Gymnasiums Wolfskuhle im Jahr 2019, damals übergab Musiklehrer Robert Maruhn die Band zum 25-jährigen Bestehen an seinen Kollegen.
Die Big Band des Gymnasiums Wolfskuhle im Jahr 2019, damals übergab Musiklehrer Robert Maruhn die Band zum 25-jährigen Bestehen an seinen Kollegen. © HO | Foto

Gegründet hatte er diese bereits 1994 am Carl-Humann-Gymnasium, nach seinem Wechsel spielten die Schüler der beiden Gymnasien zunächst gemeinsam. Dann waren es 2010 bereits mehr als 50, die kaum noch in einen Raum passten, und die Wege der Schulen trennten sich musikalisch wieder. Nun werden an der Wolfskuhle dank Robert Maruhn Schüler ab Klasse fünf auf die Big Band vorbereitet und können in direkt wechseln: Fünft- bis Siebenklässler in die Brass Roots Big Band, die älteren in die United Brass Big Band. Vorausgesetzt: „Sie können die Tonleiter einigermaßen rauf und runter spielen, ohne dass es fiept“, sagt ihr Lehrer mit einem Augenzwinkern.

Dass die Schüler spielen können, zeigen sie bei alljährlichen Konzerten, zu drei Terminen kommen regelmäßig rund 1400 Gäste. Das Besondere: Darunter sind zwei Drittel Externe, also nicht Eltern oder Angehörige. Einer dieser Besucher schrieb auch an die Staatskanzlei in der Überzeugung, Robert Maruhn verdiene Ehre für sein Engagement und damit die Medaille. Die Prüfung dauerte dann zweieinhalb Jahre, in denen die Schulleiterin auch ihren Beitrag über den Kollegen verfasste.

Mehr als 40 Male fuhr er mit Schülern in die Jugendherberge

„Das fiel mir nicht schwer, er ist schließlich der Motor des Ganzen und wir gelten als Konzerthaus Steeles“, sagt Leiterin Christine Breimhorst. Ein Lehrer, der zahllose Wochenenden mit den Schülern beim Proben fürs Musical verbringt und zudem schon mehr als 40 Mal in die Jugendherberge aufbrach, wenn Auftritte der Big Band anstanden. „Alles mit Unterstützung meiner Frau“, sagt er dankbar mit Blick auf die Freizeit.

Bundespräsident verleiht die Auszeichnung

Die Verdienstmedaille wird vom Bundespräsidenten verliehen. Unterschrieben hat das offizielle Dokument daher auch Frank-Walter Steinmeier. Übergeben hat sie an Robert Maruhn der Landrat aus dem EN-Kreis, da der Essener Musiklehrer in Hattingen lebt.Zur Begründung der Auszeichnung heißt es unter anderem: „Durch Ihr Wirken haben Sie Generationen von Schülern und Schülerinnen das Tor zur Musik geöffnet.“Weiter heißt es, Musik in der Gemeinschaft fördere zudem neben der musikalischen Erziehung auch die Team- und Konzentrationsfähigkeit sowie die gegenseitige Rücksichtnahme

Schwieriger war es für die Schulleiterin dann, so lange über das Vorhaben Verdienstmedaille zu schweigen. Um Robert Maruhn ja nicht zu enttäuschen, falls es doch keine Auszeichnung geben sollte. Der wiederum musste dann diese Anerkennung erst einmal verdauen. „Warum ich, ich bin ein Lehrer, der seinen Job macht“, schoss es ihm durch den Kopf. Er dachte zunächst auch an die Kollegen, die so viel mit ihm auf den Weg gebracht haben. An die Eltern, die manches Notenpult gewerkelt hatten und an die Schüler.

Er denkt an diejenigen, die mit ihm die Drum-Lines oder den Projektkurs ins Leben riefen, in dem die Jungen und Mädchen ihre eigenen Stücke arrangieren. An das Mädchen, das Tränen in den Augen hatte, als auf der Bühne das Stück erklang, das sie geschrieben hatte. Robert Maruhn nimmt die Ehre nun an, nicht ohne deutlich zu sagen: „Die Schüler haben mich inspiriert, weil das, was ich tat, auf fruchtbaren Boden fiel.“ Das hat ihn bestärkt, hat ihm Kraft gegeben, immer weiterzumachen: „Alle Schüler haben Anteil daran.“