Essen. Unüberlegte Anschaffung: Wer sich in der Pandemie für einen Hund entscheidet, sollte einiges bedenken. Essener Tierpfleger erklären Risiken.

Das Tierheim Essen hat vor der unüberlegten Anschaffung von Welpen während der Pandemie gewarnt, nun sind vor den Sommerferien bereits erste Folgen an der Grillostraße spürbar: „Wir bekommen viele Anfragen wegen einer Urlaubsbetreuung“, sagt Mitarbeiterin Jeanette Gudd. Diese gibt es im Tierheim nicht, aber durchaus die Sorge, dass die ersten Hunde noch vor den Ferien abgegeben oder ausgesetzt werden.

Klingelte zuletzt das Telefon im Tierheim häufig, da Interessenten nach Welpen fragten, erkundigen sich Anrufer nun vor allem nach einen Platz für die Sommerferien. „Wir bieten gar keine Urlaubspflege an und die Pensionen sind meistens schon voll“, sagt Jeanette Gudd, die gar nicht oft genug betonen kann, dass die Anschaffung eines Haustieres sehr gut überlegt sein muss. Es sei schließlich eine Verpflichtung für viele Jahre – zeitlich und finanziell. Das Homeoffice bedeute derzeit für viele den richtigen Augenblick, um sich ein Tier anzuschaffen, da sie mehr Zeit hätten und zu Hause seien: „Aber was ist danach“, fragt sie in Vermittlungsgesprächen.

Im Stadtgebiet sind viele Welpen zu sehen

Viele Interessenten stürzen sich derzeit auch auf Kleintiere, weiß Sandra Jansen vom Tierheim Essen: Dr. Snow wurde bereits im abgegeben, weil die Versorgung des Kaninchens den Haltern zu aufwendig geworden ist.
Viele Interessenten stürzen sich derzeit auch auf Kleintiere, weiß Sandra Jansen vom Tierheim Essen: Dr. Snow wurde bereits im abgegeben, weil die Versorgung des Kaninchens den Haltern zu aufwendig geworden ist. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Diese Appelle und Hinweise verhallen offenbar häufig, „denn jetzt sind überall sehr viele Welpen im Stadtgebiet zu sehen“. Das gilt für ihre Spaziergänge im Essener Norden, wenn sie am Kanal unterwegs ist. Ihre Kollegin Sandra Jansen wiederum entdeckt in Stadtteilen wie Rüttenscheid so manchen Modehund. Derzeit zählten Malteser-Pudel-Mischlinge dazu.

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Angeschafft werden Welpen oftmals über Internetforen oder den Auslandstierschutz, so die Erfahrung der Tierheimmitarbeiter. Das mache sich jetzt bei der starken Nachfrage nach Welpen bemerkbar. Seitdem die Grenzen wieder geöffnet seien, sehe man mehr Hunde aus dem Auslandstierschutz. „Auch diese Tierschutzorganisationen haben ihre Chance erkannt“, sagt die Tierheimmitarbeiterin. Manche vermittelten auf Biegen und Brechen.

Manche Welpen werden zu früh von der Mutter getrennt

Ob der Kauf im Internet oder die Vermittlung von Hunden aus dem Ausland, beides berge Risiken. „Im Internet sind viele unseriöse Anbieter unterwegs“, sagt Jeanette Gudd zu den sogenannten Vermehrern, die etwa massenhaft Welpen züchten. Manche würden zu früh von der Mutter getrennt oder seien krank, nennt sie zwei Probleme. Hunde, die aus dem Ausland kämen, erfüllten wiederum regelmäßig die Erwartungen im neuen Zuhause nicht, wenn sie das Leben in einer Wohnung, den Verkehr oder die Leine nicht kennen würden. Dann landen sie mitunter im Tierheim.

Das Hörspiel der Tierschutzjugend aus dem Essener Tierheim

Das Hörspiel „Joshi - Eine Reise auf vier Pfoten“ der Tierschutzjugend Kids und Teens aus dem Tierheim Essen ist auf Spotify zu hören. Zudem soll es einen entsprechenden QR-Code auf der Seite des Tierheims geben. Zur Tierschutzjugend gehören 13 Kinder und Jugendliche.Ab Ende Juni wird es auch eine CD zum Hörspiel geben, allerdings in begrenzter Auflage. Die CD ist dann gegen Spende von sieben Euro bestellbar bei Sandra Jansen unter jansen@tierheim-essen.org .

Dorthin führt ihr Weg auch, wenn sie nicht die notwendigen Impfungen haben. „Fällt das beim Tierarzt auf, ist der verpflichtet, das dem Veterinäramt zu melden“, erklärt Jeanette Gudd. Dann kommen die jungen Hunde in Quarantäne, wie derzeit der kleine Earl. Der Yorkshire-Mix wurde aus Rumänien eingeführt, war zu jung für eine Tollwutimpfung. Nun ist er isoliert, verpasst die Phase, in der er eigentlich mit Artgenossen und Menschen sozialisiert werden sollte.

Tierschutzjugend hat ein Hörspiel zum Thema aufgenommen

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Um künftige Halter nochmals aufzuklären und zu sensibilisieren, hat Sandra Jansen nun mit den Kindern und Jugendlichen der Tierschutzjugend aus dem Essener Tierheim ein Hörspiel aufgenommen. Es ist die Reise eines Welpen, den eine Familie aus dem Ausland aufnimmt, der viel zu jung vermittelt wurde, ohne ausreichenden Impfschutz nach Essen kam und im Tierheim in Quarantäne muss. „Wir haben die unschönen Szenen nicht weggelassen“, sagt Sandra Jansen, verspricht gleichwohl einen glücklichen Ausgang.

Den gibt es auf der Quarantänestation im Tierheim nicht immer. „Manche Welpen sind so krank, dass wir nichts mehr tun können“, berichtet Jeanette Gudd von den traurigen Fällen, in denen die Tierpfleger hilflos zuschauen müssen, wenn es den jungen Hunden von Tag zu Tag schlechter geht. Im Vorjahr seien gleich mehrere gestorben.

Auch die Nachfrage nach Katzen und Kleintieren ist riesig

Die Corona-Folgen machen sich an der Grillostraße übrigens nicht nur bei Hundewelpen bemerkbar: „Interessenten stürzen sich auch auf Katzen und Kleintiere“, sagt Sandra Jansen und mag gar nicht darüber nachdenken, was sich derzeit hinter den Wohnungstüren abspielt, wo Hamster, Meerschweinchen oder Wellensittich in Käfigen gehalten werden.

Dr. Snow wurde bereits abgegeben. Das weiße Kaninchen hat einen verstopften Tränenkanal, der täglich gespült werden muss. „Ein Klassiker“, sagt Jeanette Gudd, „wird ein Tier krank, kostet die Pflege Geld und Zeit, hört die Tierliebe oft auf“. Ob bei Hunden, Katzen oder Kleintieren, die Tierpfleger ahnen, dass nach der Pandemie zahlreiche Abgabetiere auf sie zukommen könnten. Möglicherweise auch schon vor den Sommerferien.