Essen-Rellinghausen. Rellinghauser Heimatforscher beschäftigt sich mit historischen Bildern, die den Industriellen Alfried Krupp nach der Verhaftung 1945 zeigen.

Eindrucksvolle Zeitdokumente hat der Heimatforscher Johannes P. Stoll aus Essen-Rellinghausen bei seinen Recherchen zur Stadtteilgeschichte erhalten: Die Fotos zeigen die kaum zerstörte Frankenstraße, auf der ein Militärjeep der Amerikaner mit dem Essener Industriellen Alfried Krupp fährt.

Der Chef des Stahlkonzerns war kurz zuvor in seinem Wohnsitz Villa Hügel verhaftet worden. Das Bild entstand am 11. April 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Johannes Stoll, ehemaliger Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, hatte sich für Recherchen zur Bergerhauser Geschichte zum Austausch von Materialien mit Thorsten Born getroffen. Dieser war früher ebenfalls in der Bürgerschaft Rellinghausen aktiv und stellte Stoll unter anderem Aufnahmen von der Frankenstraße zur Verfügung.

Für Johannes Stoll sind die historischen Bilder ein eindrucksvolles Zeugnis aus den letzten Kriegstagen. Einen Tag vor dieser denkwürdigen Fahrt, am 10. April 1945, sei für Rellinghausen der Krieg praktisch beendet gewesen, zumindest in Bezug auf die Kampfhandlungen. „Die Menschen im Stadtteil konnten aufatmen. Es gab keine Bomben, kein Granatfeuer, keine Tiefflieger mehr“, so Stoll. Die Amerikaner seien von Steele kommend durch Rellinghausen nach Bredeney vorgerückt.

Amerikaner besetzten zum Kriegsende Betriebe und Fabriken

Die Verhaftung Krupps sei durch eine speziell zusammengestellte amerikanische Eingreiftruppe erfolgt, die sogenannte T-Force. Diese habe die Aufgabe gehabt, Fabriken, Betriebe und Objekte zu besetzen und zu sichern und Personen, die im Verdacht standen, an Kriegsverbrechen beteiligt zu sein, festzusetzen.

Heimatforscher widmet sich der Geschichte Rellinghausens

Johannes Stoll (72) war bis 2020 zwölf Jahre lang Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald. Insgesamt engagierte sich der gebürtige Allgäuer 22 Jahre im Vorstand des Vereins.

Während seines Berufslebens als Bauingenieur war er viel in der Welt unterwegs, heute widmet er sich intensiv der Geschichte des Stadtteils und hat bereits mehrere Bücher dazu geschrieben.

Dieses Team unter Oberstleutnant Clarence Sagmoen habe sich am 11. April 1945 auf den Weg zur Villa Hügel gemacht, um den Firmensitz der Industriellenfamilie Krupp zu übernehmen, hat Johannes Stoll recherchiert. Groß sei die Überraschung gewesen, als man Alfried Krupp von Bohlen und Halbach persönlich in Villa Hügel angetroffen habe. Er wurde auf der Stelle verhaftet, die Bilder davon gingen um die Welt.

Bei der Aktion seien mehrere Fotos entstanden, unter anderem von einem Fotografen des Magazins Life. Der amerikanische Kriegsberichterstatter William Vandivert dokumentierte so mit der Kamera, wie einer der wichtigsten Industriellen Deutschlands symbolträchtig mit einem Geländewagen der US-Army in die Untersuchungshaft gebracht wurde. Auch Fotografen der amerikanischen Armee hätten Aufnahmen von der Verhaftung Krupps der Nachwelt hinterlassen.

Krupp wurde nach der Festnahme in einen Jeep gesetzt und zum Verhör gefahren

Nach der Verhaftung sei Alfried Krupp in einen Jeep verfrachtet und zum Verhör an einen geheimen Ort gebracht worden. „Auf der Fahrt durch mehrere Stadtteile entstanden wohl weitere Aufnahmen“, so Johannes Stoll. Als Hobbyhistoriker freue er sich über solche Zeitdokumente, die oft überraschend auftauchten. „Zum Glück übrigens“, findet er. „Viele Menschen interessieren sich eben doch für Geschichte und Geschichten.“

Alfried Krupp sollte übrigens nicht so bald in die Villa Hügel zurückkehren. Als Waffenlieferant und damit Profiteur des NS-Regimes und des Krieges wurde dem Chef des Essener Stahlkonzerns später in Nürnberg der Prozess gemacht. Krupp wurde im Juli 1948 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, die er aber nicht komplett absaß. Im Januar 1951 wurde er nach knapp sechs Jahren aus dem Landsberger Gefängnis entlassen.

Viele Gebäude auf dem Bild gibt es heute noch in Rellinghausen

Für den Heimatforscher erzählen die historischen Aufnahmen aber viel mehr als nur die Geschichte von Krupps Verhaftung. Der Abschnitt der Frankenstraße, über den Krupp gefahren wird, sieht nicht viel anders aus als heute. Der Jeep passierte die Gaststätte Stiftskrug, den Rellinghausern unter dem Namen Grönebaum bekannt. Daneben erkenne man das Café Krämer.

Die Straßenbahn, die auf einem der Bilder zu sehen ist, nimmt heute den Weg über die Eisenbahnstraße. Sie sei an jenem 11. April 1945 zum vorerst letzten Mal gefahren, hat Stoll herausgefunden. Die Linie Rüttenscheid-Rellinghausen-Steele habe erst am 7. August 1945 den Betrieb wieder aufgenommen. „Auffallend ist zudem, dass auf der Frankenstraße keine Kriegsschäden zu sehen sind, ganz im Gegensatz zu den völlig zerbombten Innenstadtbereichen“, so Stoll.

Die Rellinghauser konnten sich nach dem Ende der Kämpfe wieder angstfrei bewegen

Vor dem alten Rellinghauser Rathaus, das als Gebäude noch heute existiert und eine Tagespflegeeinrichtung beherbergt, erkennt man die Polizeistation. Vor dem Rathaus parken Armeefahrzeuge, eine Menschenmenge steht vermutlich an. Im Hintergrund ist die die Frankenstraße überspannende Seilbahnbrücke der Zeche Gottfried Wilhelm zu erkennen. „Es fällt auf, dass relativ viele ältere Menschen unterwegs sind, die sich wahrscheinlich zum ersten Mal seit Wochen und Monaten an diesem Tag angstfrei auf der Straße bewegen konnten. Es herrschte ja noch Krieg in Deutschland, die jungen Leute waren in der Kinderlandverschickung, die wehrpflichtigen Männer und sehr viele Frauen noch an einer der zahlreichen Fronten oder bereits in einem Kriegsgefangenlager“, so Stoll.

Die Aufnahmen von der Verhaftung Krupps seien am ersten Tag nach dem Einmarsch der Amerikaner aufgenommen wurden. Während für die Rellinghauser der Krieg quasi vorbei gewesen sei, sei in Werden einige Tage später immer noch gekämpft worden, südlich der Ruhr ebenfalls. Da während des Krieges das Fotografieren strengstens verboten gewesen sei – nur bestimmte Fotografen wie van Heekern hätten die Erlaubnis gehabt –, hätten solche Bilder Seltenheitswert.