Essen. Die zunehmende Knappheit an Baumaterial betrifft in Essen Handwerker wie auch Wohnungsgesellschaften. Allbau schließt Verzögerungen nicht aus.
Der akute Mangel an Baustoffen treibt Essener Handwerksfirmen in absurde Situationen. „Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher, können die Aufträge aber nicht abarbeiten, weil Holz, Dämmstoffe und andere Materialien fehlen“, klagt Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Essen. Schlimmstenfalls drohe Kurzarbeit.
Auch private Bauherren betroffen
Der Kreis der Leidtragenden wird wie bei einer Kettenreaktion immer größer: Neben Baustoff- und Holzhandlungen trifft der Material-Engpass Handwerks- und Baufirmen, den privaten Bauherrn oder auch den Heimwerker, der zu Hause endlich eine neue Holzterrasse anlegen möchte. Wohnungsgesellschaften wie der stadteigene Allbau bekommen die Baustoff-Krise ebenfalls zu spüren.
Allbau-Sprecher Dieter Remy diagnostiziert einen „signifikanten Lieferengpass“, der zu Verzögerungen von Baumaßnahmen und „zumindest temporär“ zu Kostensteigerungen beim Material führen könne. Besonders knapp seien Baumaterialien wie Holz, Stahl, Bitumen und Kunststoffe. Auch bei Kupfer zeichnen sich neuerdings Engpässe ab.
„Aktuell sind wir in der Ausführung bei unseren Neubauvorhaben mit ungewöhnlich langen Bestell- und Lieferzeiten insbesondere bei Dämmstoffen konfrontiert“, fügt Remy hinzu. Lieferzeiten von mehr als zwölf Wochen für Dämmstoffe – insbesondere für Fassaden – führten zwangsläufig zu Verzögerungen. „Einige für den Sommer geplante Arbeiten an den Fassaden werden sich teilweise mindestens bis in den Spät-Herbst und damit in die ungünstige Witterung ziehen“, so Remy.
Zimmermeister wartet inzwischen bis zu 20 Wochen auf Holzlieferungen
Lieferengpässe und lange Wartezeiten sind die eine Seite der Medaille, zum Teil exorbitant steigende Preise für Baumaterial die andere Seite. Die Kreishandwerkerschaft Essen weist deshalb auf die Nöte der Mitgliedsbetriebe bei der Unterbreitung von Angeboten hin. „Weil die Preise rasant steigen, gelten nur noch kurze Bindungsfristen“, so Dapprich. Dachdecker beispielsweise seien mit täglich neuen Preisen konfrontiert.
Michael Potztal-Keuter, Obermeister der Essener Zimmererinnung, muss aktuell zwei größere Baustellen ruhen lassen, weil Holz fehlt. „Mittlerweile haben wir Lieferzeiten von bis zu 20 Wochen“, so der Zimmermeister. In Kurzarbeit habe er noch niemanden schicken müssen. „Es gibt noch für zwei bis drei Monate Arbeit.“
Kreishandwerkerschaft kennt Nöte der Mitgliedsfirmen
Bauherren treibt der rasante Preisanstieg den Angstschweiß auf die Stirn. „Die Ungewissheit, ob das Budget reichen könnte, ist groß“, sagt der Hauptgeschäftsführer. Und Planungssicherheit könne es wegen langer Lieferfristen nicht mehr geben.
Die unkalkulierbare Entwicklung bei den Materialpreisen für Bauholz habe bei einem Allbau-Projekt zu einer erheblichen Kostensteigerung bei den Arbeiten am Dachstuhl geführt. „Wir bemühen uns hier im Gespräch mit unserem Handwerkspartner um eine faire Lösung“, betont Remy. Die Material-Mehrkosten lägen in diesem konkreten Fall bei rund 20 Prozent des Gesamtauftrags. Hinzu komme: Die Materiallieferung müsse nach wie vor von Tag zu Tag neu disponiert werden.
Agentur für Arbeit zu Kurzarbeitergeld
Bei der Agentur für Arbeit in Essen sind bislang noch keine Anzeigen zu Kurzarbeit eingegangen, weil Firmen unter der Knappheit von Baumaterial leiden. Das erklärte eine Sprecherin.
Über die Branchenbetreuer und die Hotline hätten Arbeitgeber jedoch signalisiert, dass es langsam eng werde.
Die Agentur-Angaben zu Kurzarbeitergeld beziehen sich auf den Zeitraum bis Ende April und seien bedingt aussagekräftig. Denn das Thema Materialknappheit habe erst im Mai eine stärkere Dynamik entwickelt.
Ein anderes Beispiel verdeutlicht ebenfalls die Dynamik beim Preis: Ein Handwerker informierte Allbau über den rasanten Anstieg des Holzpreises – zwischen dem 9. März und dem 23. April sei er um 30 Prozent gestiegen und bis zum 27. April habe er sich gar verdoppelt.
Oft bestehen langjährige und gut gepflegte Geschäftsbeziehungen zwischen Allbau und den Handwerksfirmen. Das technische Ressort des Allbau versuche, mit seinen Handwerkspartnern in dieser schwierigen Phase „faire Lösungen“ einer Verteilung von Risiken und Chancen zu erzielen.
Trotz des aktuellen Preisanstiegs bei den Baukosten ist der Allbau zuversichtlich, dass die Teuerung aufs ganze Jahr 2021 gerechnet „keine dramatischen Dimensionen“ erreichen werde. Jürgen Bott, Technischer Leiter und Prokurist beim Allbau, betont: „Wir unternehmen alles, um zu verhindern, dass unsere Mieter durch steigende Preise für Baumaterialien belastet werden.“