Essen. Lieferengpässe und explodierende Preise erschüttern den Holzmarkt, dasselbe gilt für Baustoffe. So reagieren Essener Händler auf die Situation.

Die Baukonjunktur boomt, doch dramatische Lieferengpässe und explodierende Preise bei Holz und anderen Baumaterialien bereiten Lieferanten, Handwerkern und Bauunternehmen auch in Essen zunehmend Kopfzerbrechen. „Wir haben das Problem erst seit drei bis vier Wochen, die Situation hat uns völlig überrascht“, sagt Michael Klick, Geschäftsführer des alteingesessenen Baustoffhandels Schlenkhoff.

Branchensprecher befürchten inzwischen nicht nur Verzögerungen bei Bauprojekten, sondern schlimmstenfalls sogar Baustopps.

Gewaltige Nachfrage nach Baumaterial in China und USA verursacht Lieferengpässe

Die Lieferzeiten für Gipskarton und Dämmwolle betragen beim Essener Baustoffhändler Schlenkhoff zurzeit zwei bis zweieinhalb Monate (Archivbild)
Die Lieferzeiten für Gipskarton und Dämmwolle betragen beim Essener Baustoffhändler Schlenkhoff zurzeit zwei bis zweieinhalb Monate (Archivbild) © WAZ FotoPool | Ulrich von Born

Weil die Nachfrage nach Baumaterial in China und neuerdings in den USA gewaltig ist, drohen hierzulande leergekaufte Lager. Bei Gipskarton und Dämmwolle, zwei klassischen Produkten im Segment Trockenbau, gebe es aktuell Lieferzeiten von zwei bis zweieinhalb Monaten. „Handwerker, die in ihren Verträgen Terminzusagen gemacht haben, sind in der Bredouille“, berichtet Klick. Die Angst vor drohenden Konventionalstrafen, weil Baustoffe plötzlich fehlten, sei groß.

Wer demnächst beispielsweise sein Dachgeschoss ausbauen wolle, müsse mit bislang ungekannten Problemen rechnen. „Der Gipskarton nutzt mir gar nichts, wenn keine Dämmwolle da ist“, so Klick.

Besonders betroffen von Lieferengpässen und Preissteigerungen ist das Geschäft mit dem Holz. Ein traditioneller Essener Familienbetrieb ist die 1890 gegründete Holzhandlung von der Stein, in der der Geschäftsführende Gesellschafter Ulrich Claas und sein Sohn Fabian das Sagen haben. „Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft, so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt der Senior-Chef.

Preise für Leimbinder haben sich mehr als verdoppelt

Im Essener Traditionsbetrieb „Holzland von der Stein“ haben Ulrich Claas und Sohn Fabian das Sagen.
Im Essener Traditionsbetrieb „Holzland von der Stein“ haben Ulrich Claas und Sohn Fabian das Sagen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Wie die Handwerkskammer Düsseldorf am Mittwoch mitteilt, sei Holz seit September im Durchschnitt um 15 bis 20 Prozent teurer geworden. Die Preise für Leimbinder, ein Klassiker beim Bau von Carports oder Terrassenüberdachungen, hätten sich hingegen mehr als verdoppelt, berichtet Fabian Claas. Bei Rohspanplatten gebe es Lieferzeiten von aktuell acht Monaten, die Preise hätten sich um 37 Prozent erhöht. Bei Bauholz habe sich die Lieferzeit verdoppelt.

Zwei Phänomene, die Claas senior ebenfalls noch nicht kannte: Angesichts der dynamischen Preisentwicklung beim Rohstoff Holz würden die Holz- und Sägewerke – unter Berufung auf höhere Gewalt – längst getroffene Preisvereinbarungen brechen und Preise nachträglich erhöhen. Außerdem werde kontingentiert. „Statt fünf Lkw-Ladungen wie bisher erhalten wir plötzlich nur noch vier.“

Zu 70 Prozent beliefert von der Stein Großkunden, darunter Tischler, Zimmerer, Garten- und Landschaftsbauer sowie den Laden- und Messebau. Das Handwerk habe gut zu tun, weil sich immer mehr Essener seit Ausbruch der Pandemie ihre Häuser und Wohnungen renovieren lassen. „Wer nicht verreisen kann, macht es sich zu Hause schön“, so Fabian Claas. Die Folge: Die Fachberater werden überflutet mit Anfragen. Besonders stark gestiegen ist in der Corona-Krise der Bedarf nach Gartenhäusern und Terrassenholz – von der sibirischen Lärche über Bangkirai (28 Prozent teurer) bis hin zur fast vergriffenen Douglasie.

Der Holzhändler dämpft Hoffnungen: „Holzpreise gehen nicht mehr runter“

Um den Handwerker wie den Privatmann trotz der angespannten Situation weiterhin beliefern zu können, unternimmt von der Stein alles, um Waren zu beschaffen. Im verzweifelten Kampf gegen die Holz-Verknappung falle die Zwischenbilanz ausgesprochen positiv aus. „Unser Lager ist voll, wir platzen aus allen Nähten“, sagt Geschäftsführer Fabian Claas. Weil auch Türen und Zargen Mangelware zu werden drohen, hat Claas vorsorglich drei Lager anderer Holzhändler aufgekauft. „Wir wollen lieferfähig bleiben.“ Ähnlich verfährt der Baustoffhändler. „Wir haben zusätzliche Lagerflächen gepachtet, um Baustoffe in großen Mengen einlagern zu können“, betont Schlenkhoff-Geschäftsführer Michael Klick.

Handwerkskammer schließt Baustopps nicht aus

Die für Essen zuständige Handwerkskammer Düsseldorf weist auf Materialengpässe bei Holz und anderen Baustoffen hin. Ursache des sich zuspitzenden Rohstoff-Mangels sei die „überstark angesprungene Nachfrage aus China und in den USA“. Die Kammer schließt Baustopps und Kurzarbeit nicht aus - „trotz voller Auftragsbücher“.

Die Bauindustrie NRW beklagt aktuell eine „außergewöhnlich schnelle Preissteigerung bei Holz, Dämmstoffen, Bitumen, Stahl und Blechen, aber auch bei Dachpappe, Schrauben, Kunststoffen, PVC sowie Farben und Lacken“. Die Weltmarktpreise für Holz seien in den letzten zwölf Monaten um über 300 Prozent angestiegen.

Essener Traditionsfirmen: Die Holzhandlung von der Stein existiert seit 1890, der Baustoffhandel Schlenkhoff bereits seit 1837.

Bei allem Wettbewerb habe es in der Branche bislang stets auch ein partnerschaftliches Miteinander gegeben. Doch diese Zeiten seien vorbei, jeder sei sich jetzt selbst der Nächste. „Die Händler geben untereinander nichts mehr ab“, weiß Fabian Claas.

Die Holzpreise werden auf absehbare Zeit nicht runtergehen, prophezeit der Essener Holzhändler Fabian Claas.
Die Holzpreise werden auf absehbare Zeit nicht runtergehen, prophezeit der Essener Holzhändler Fabian Claas. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Um der Kundschaft unangenehme Überraschungen zu ersparen, haben Claas wie auch Klick Warn-Briefe verschickt und auf drohende Lieferengpässe hingewiesen. Mutmaßungen, man bereichere sich in dieser angespannten Situation, treten beide entgegen. „Wir verdienen nichts an der Krise“, betont Fabian Claas. Die Aussicht auf eine baldige Entspannung sei gleichwohl gering. „Die Holzpreise gehen nicht mehr runter.“ Überhaupt werde das Bauen länger dauern und obendrein mehr kosten. Der abschließende Rat an den Kunden: Bauprojekte sollten rechtzeitig und gründlich geplant werden.