Essen. Angesichts von Hassparolen und Angriffen gegen Juden sagen Essener Religionsgemeinschaften: „Wir stellen uns schützend vor die jüdische Gemeinde“
Hassparolen, antisemitische Propaganda und Steinwürfe auf Synagogen – das müssen Juden in Deutschland in diesen Tagen erleiden. Der Initiativkreis Religionen in Essen (IRE) stellt nun klar: „Ist eine Religionsgemeinschaft getroffen, so sind wir es alle. Darum stellen wir uns schützend vor die jüdische Gemeinde.“ Mit einer gemeinsamen Erklärung und einem symbolträchtigen Treffen in der neuen Synagoge an diesem Donnerstag (20. Mai).
Auch das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde ist schon angegriffen worden, und so betreten die Besucher die Synagoge unter den Augen der Polizei. Vertreter von Christen, Muslimen, Sikh oder Bahai’-Gemeinde sind gekommen, „um der jüdischen Gemeinde den Rücken zu stärken, solidarisch zu sein“, wie Axel Rademacher vom IRE formuliert.
Eine rein religiöse Aktion – aus politischem Anlass
Es ist eine abgewogene Solidarität: Die gemeinsam verfasste Erklärung werde Dank „des ein oder anderen Kompromisses“ nun von allen unterschrieben, sagt Rademacher. Denn dies sei eine rein religiöse Aktion, die aber nicht verleugnen könne, dass der Anlass politisch ist. Da ist also nicht nur von antisemitischen Feindbildern die Rede, sondern auch von „rassistischen, islamophobischen und christenfeindlichen“, da betonen die Unterzeichner, sie würden sich auch vor jede andere Religionsgemeinschaft stellen.
Zum aktuellen Konflikt im Nahen Osten beziehen sie keine Stellung, machen aber deutlich, dass er keinerlei Grund biete, jüdische Gemeinden irgendwo in der Welt anzugreifen. „Wir empfinden Scham darüber, dass derartige Übergriffe sich in unserem Land wieder ausbreiten.“ Ein Bekenntnis, das sie mit der Ermunterung an alle Essener und Essenerinnen verbinden, „wachsam“ zu sein, wenn das friedliche Miteinander in Gefahr sei. Rabbiner Shmuel Aronow als Gastgeber würdigt die Solidarität, bedankt sich im Namen der Essener Juden für die wichtige Geste.
OB: Antisemitismus habe in Deutschland keinen Platz, das müssten auch Zuwanderer akzeptieren
Man könne die Initiative als naiv abtun, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen als Gast und Mitunterzeichner. Er aber sei dankbar, dass hier das Gebot der Menschlichkeit mit Leben gefüllt werde. Natürlich dürfe man die israelische Politik kritisieren, doch solcher Protest gehöre vor Israels Botschaft in Berlin. „Wenn aus Kritik am Regierungshandeln Judenhass wird, sind wir gefordert.“ Antisemitismus habe keinen Platz in Deutschland, das gelte übrigens auch für diejenigen, die zugewandert sind: „Man kann nicht nur unseren Wohlstand wollen, sondern muss auch diese Staatsräson anerkennen.“
Es sei unerträglich, dass Juden in Deutschland wieder Angst haben müssten, sagt Superintendentin Marion Greve für den evangelischen Kirchenkreis. Man stehe ihnen zur Seite, versichert Stadtdechant Jürgen Schmidt für die Katholiken. Von einem Schulterschluss mit der Synagoge, spricht Muhammet Balaban (IRE). Ein noch stärkeres Signal wäre es gewesen, wenn für die Muslime ein Imam in die Synagoge gekommen wäre.