Essen. Vakzine, die nun an die Betriebsärzte gehen sollen, könnten in der Messe verabreicht werden. Denn nicht jedes Unternehmen hat eine Impfstraße.
Die Stadt Essen will ihr Impfzentrum in den Rüttenscheider Messehallen für Betriebe und deren Ärzte öffnen. „Wir sind gerade unter anderem mit den Unternehmen der kritischen Infrastruktur im Gespräch, um mögliche Impfungen ab dem 7. Juni vorzubereiten“, bestätigte Stadtsprecherin Silke Lenz am Mittwoch.
Eine neue Vorgabe des Landes hat diese Überlegungen beflügelt. Da die für bestimmte Berufsgruppen vorgesehenen rund 500.000 Vakzindosen NRW-weit nun doch den Betriebsärzten und nicht wie zunächst geplant, den jeweiligen Impfzentren in den Städten und Kreisen zugeteilt werden sollen, habe man umgedacht, so Lenz. Denn nicht jeder Betrieb könne wie die großen Essener Konzerne eine eigene Impfstraße aufbauen, und auch nicht jede Firma habe einen eigenen Mediziner im Haus.
Unternehmen sollen eigene Zeitfenster bekommen
Deshalb richte sich das geplante Angebot, die bestehende Infrastruktur des Impfzentrums in den Hallen 4 und 5 der Messe nutzen zu können, sowohl an die Betriebe der sogenannten kritischen Infrastruktur (Kritis-Betreiber) wie etwa die großen örtlichen Verbände der Wasserwirtschaft, den Ruhrverband oder die Emschergenossenschaft, die Stadtwerke und die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE), aber auch an die Handwerksbetriebe in der Stadt, für die dann das im Impfzentrum tätige ärztliche Personal zur Verfügung stehen könnte, so Silke Lenz.
Den Unternehmen sollen eigene Zeitfenster eingeräumt werden „und dann funktioniert das wie mit anderen Berufsgruppen reibungslos“, ist Lenz nach den Erfahrungen mit den Impfaktionen etwa für Kita-Personal, Lehrkräfte oder beispielsweise Beschäftigten in der Pflege überzeugt.
Zudem könne man dem Wunsch der Betriebe anders als die Arztpraxen flexibel entgegenkommen, Impftermine zum Beispiel den jeweiligen Schichtdiensten anzupassen oder sie in die frühen Morgen- beziehungsweise späten Abendstunden zu legen. Das dürfte die anstehenden Immunisierungsaktionen voraussichtlich hauptsächlich mit „Biontech“ für mehrere tausend Beschäftigte merklich beschleunigen.
Bis zu 3000 Pikser täglich im Essener Impfzentrum
Dazu kommt dann die Belegschaft großer Essener Konzerne, die erklärtermaßen eine eigene Infrastruktur vorhalten wollen: So plant der Energieriese „Eon“ fünf Impfstraßen für 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Tag. „Evonik“ geht davon aus, an seinen Standorten 200 Beschäftigte binnen 24 Stunden impfen zu können, und auch Thyssenkrupp hat sich darauf vorbereitet, die Belegschaft immunisieren zu können, um nur drei Beispiele zu nennen.
Das Essener Impfzentrum stößt mit weiterhin bis zu 3000 Impfungen täglich zur Zeit noch nicht an die Grenzen seiner Kapazitäten. Es könnten sogar noch mehr sein, wenn denn mehr Serum zur Verfügung stehen würde, ist Lenz überzeugt. Die aktuellen „Kunden“sind die über 70- und 80-Jährigen, die ihre erste oder zweite Dosis bekommen, dazu finden derzeit die Zweitimpfungen priorisierter Berufsgruppen statt. Hinzu kommen Kontaktpersonen von Schwangeren und Pflegebedürftigen, chronisch Erkrankte und „Einzelfälle“, die das Glück hatten, einen der raren freiwerdenden Termine zu ergattern.
EBE übt Kritik an der Priorisierung des Landes
Zuletzt hatte der EBE-Betriebsrat in einem Protest-Brief an die Landesregierung sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass Mitarbeiter der Abfall- und Entsorgungswirtschaft in NRW nicht in die Priorisierungsstufe 3 des Impfprogrammes gegen das Coronavirus aufgenommen wurden. Eine anderslautende Entscheidung der Ständigen Impfkommission hatte die Landesregierung zurückgenommen – zur Enttäuschung der rund 1050 Mitarbeiter der EBE, denen dadurch aktuell die Möglichkeit genommen worden sei, Impftermine zu vereinbaren, wie es hieß.
Wie lange das Essener Impfzentrum noch benötigt wird, ist derzeit nicht absehbar. Zumal die Geschwindigkeit der fortschreitenden Immunisierung vor allem von der nicht genau zu kalkulierenden Menge der zur Verfügung stehenden Impfstoffe abhängt. Zudem könnten die Kapazitäten im Herbst noch einmal vonnöten sein, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Schutz gegen das Coronavirus und seine Mutanten nur durch eine auffrischende dritte Dosis zu gewährleisten ist.
Fest steht bislang nur, dass die Einrichtung als Teil der Pandemieplanung und nicht als Regelbetrieb gedacht ist. Den Vertrag mit der Messe hat die Stadt bereits vorsorglich verlängert - zunächst bis einschließlich Juli.