Essen. Essener Hausärzte haben weniger Impfstoff erhalten als erwartet. Jetzt werden Termine gestrichen. Über die Gründe wird vor allem gemutmaßt.

Hunderte Impf-Termine in Essener Hausarztpraxen fallen in dieser Woche aus. Das liegt an einem überraschenden Mangel an Impfstoffen. Vor allem das Vakzin Astrazeneca, mit dem Hausärzte seit knapp zwei Wochen alle Bürger behandeln können, ist in dieser Woche so gut wie kaum geliefert worden. Hausärzte müssen jetzt entnervt Termine absagen, Patienten sind enttäuscht, und auch Apotheker ringen um Fassung: „Das ist nur noch lächerlich, die Verteilung von Impfstoffen gleicht einer Lotterie“, sagt Rolf-Günther Westhaus, Sprecher der Apotheker in Essen.

Nachdem das Vakzin Astrazeneca vor knapp zwei Wochen freigegeben worden war, hatten die Hausärzte am Anfang der vergangenen Woche erstmals „ohne Obergrenze“ Astrazeneca ordern können. Die Zahl der Patienten, die nicht in einer der Prio-Gruppen sind und jetzt auf einen Impf-Termin hoffen, ist riesig. „Viele Ärzte haben jetzt bedarfsgerecht bestellt“, berichtet Michael Hill, Allgemeinmediziner aus Borbeck und stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KVNo) in Essen. „Bedarfsgerecht“ heißt: So viel, wie man wirklich braucht – vor allem Gemeinschaftspraxen in zahlreichen Essener Stadtteilen orderten jeweils mehrere Hundert Impfdosen.

Zehn Impfdosen selbst für große Gemeinschaftspraxen

Doch viele Praxen, selbst große Gemeinschaftseinrichtungen, bekamen jeweils insgesamt zehn Impfdosen für diese Woche. „Das ist nur noch lächerlich“, finden viele Hausärzte.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Am Montagvormittag meldeten Stadt und Kassenärztliche Vereinigung (KVNo) eine aktuelle Impfquote von 37 Prozent; vor einer Woche lag sie noch bei 32,7 Prozent. Im Essener Impfzentrum in der Messe werden nach Angaben von Stefan Steinmetz, dem Leiter des Impfzentrums, derzeit etwa täglich 3000 Menschen mit einem Vakzin behandelt. „Wir könnten locker 4000 bis 5000 Menschen täglich schaffen, wenn es nur mehr Impfstoff gäbe“, sagt auch Steinmetz. „Dass jetzt Impfstoff fehlt, ist das größte Hindernis.“ Im Impfzentrum fehle nicht nur Astrazeneca, „sondern eigentlich auch alle anderen Vakzine.“

Gründe für den plötzlichen Schwund: „Viele Impfdosen werden jetzt zurückgehalten für die Zweitimpfungen“, erklärt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Andere Gründe, warum plötzlich kein Astrazeneca mehr geliefert wird, seien womöglich bundespolitischer Natur.

„Ohne Obergrenze“ heißt nicht, dass geliefert wird wie gewünscht

Die Enttäuschung der Mediziner könne man bei der KVNo verstehen, aber: „Dass man ,ohne Obergrenze’ bestellen kann, heißt nicht automatisch, dass man die gewünschte Menge tatsächlich auch bekommt“, stellt der Sprecher klar. „Es wird das verteilt, was da ist.“ Manche mutmaßen: Grund für den Lieferstopp könnte das Ende der Lieferverträge sein zwischen der EU und dem Hersteller von Astrazeneca.

Auch interessant

Unterdessen ist es auch für Bürger, die zu einer der Prio-Gruppen zählen und somit ein Recht auf eine Impfbehandlung haben, weiter schwierig, einen Termin im Impfzentrum zu bekommen. Der Monat Mai und weite Teile des Monats Juni sind im Essener Impfzentrum ausgebucht. Der Leiter des Impfzentrums macht aber Mut: „Immer wieder werden Termine abgesagt, die werden dann kurzfristig freigeschaltet. Man sollte es öfter probieren.“ Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung appelliert an die Impfberechtigten, sich in Geduld zu üben: „Wir können nicht weitere Termine vergeben, so lange kein Impfstoff da ist.“