Essen-Rüttenscheid. Das offensive Parken auf Bürgersteigen sorgt für Zündstoff. Die Politik diskutiert, ob künftig noch Toleranz gegenüber Autofahrern gelten soll.

Die Beschwerde des Rüttenscheiders Raimund Lange über parkende Autos auf Bürgersteigen hat für Zündstoff gesorgt. Und die Debatte gewinnt weiter an Fahrt, denn der Verein Fuß e.V. drängt die Stadt zu mehr Härte und weniger Nachsicht in den dichtbesiedelten Essener Stadtteilen mit hohem Parkdruck.

Anwohner beklagt eine sich verschärfende Situation in den Stadtteilen

Lange hatte in einem Schreiben an die Stadt bemängelt, dass Fußgängern auf Bürgersteigen zu wenig Platz bleibe. Die Lage habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft, da angesichts des gestiegenen Parkdrucks immer mehr Autofahrer die Gehwege zumindest teilweise fürs Parken in Anspruch nehmen würden. Nun komme in Corona-Zeiten noch hinzu, dass Passanten eigentlich die Abstandsgebote einhalten sollen, aber wegen des geringen Platzes manchmal kaum ausweichen könnten und es zumindest für Sekunden zu unerwünschten Begegnungen kommen könne.

Dass Lange mit der Einschätzung richtig liegt, belegen Daten der Stadt. Im vergangenen Jahr haben danach Mitarbeiter der Ordnungsbehörde rund 200.000 Verwarnungen oder Bußgelder ausgesprochen. 800 Fahrzeuge seien auf Gehwegen abgeschleppt worden, auf Radwegen habe die Zahl bei 30 gelegen. Während beim Abschleppen auf den Fahrer eine dicke Rechnung zukommt, im unteren oder mittleren dreistelligen Bereich, geht es bei den Knöllchen deutlich preiswerter zu - bislang. Noch kosten sie meist zwischen 10 und 35 Euro.

Bußgelder könnten künftig bis zu 110 Euro kosten

Nun strebt aber der Gesetzgeber eine Änderung der Straßenverkehrsordnung und des Bußgeldkatalogs an. Danach soll verbotswidriges Parken auf Geh- und Radwegen oder auch Parken/Halten in zweiter Reihe mit Strafgeldern bis zu 110 Euro geahndet werden können. Das sei das Ergebnis der Verkehrsministerkonferenz vom 16. April, bestätigt der städtische Pressesprecher Patrick Opierzynski.

Die Verwaltung warte derzeit ab, bis das Gesetz in Kraft sei. Als jüngst der Ausschuss für öffentliche Ordnung die Beschwerde aus Rüttenscheid auf der Tagesordnung hatte, habe man auch über die Folgen des veränderten Bußgeldkatalogs diskutiert, berichtet der Vorsitzende Ingo Vogel. Denn eine konsequente Handhabe würde eine große Zahl von Autofahrern teuer zu stehen kommen. Daher sei es sicherlich an der Zeit, über Parkraumkonzepte zu sprechen.

9000 Anzeigen aus der Bevölkerung

Wie sehr sich Falschparken zum Aufregerthema in der Bevölkerung entwickelt hat, lässt sich an der Zahl der Anzeigen ablesen, die bei der Stadt eingegangen sind.

Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 9000. In 70 Prozent der Fälle verhängte die Verwaltung Verwarn- oder Bußgelder.

Auch die restlichen 30 Prozent waren nicht unbedingt unbegründet. Vielmehr fehlten bei diesen Anzeigen oft Pflichtangaben wie Datum oder Ort. Deshalb hat die Stadt auf ihrer Homepage ein neues Formular eingestellt, das alle notwendigen Angaben abfragt.

Das Parken auf Bürgersteigen ist eigentlich verboten, es sei denn durch entsprechende Schilder wird eine Ausnahme erlaubt. Die Ordnungskräfte der Stadt haben derzeit die Maßgabe, dass sie längst nicht jedes verbotswidrige Parken auf einem Bürgersteig ahnden. Sie verteilen in der Regel nur dann Knöllchen, wenn auf dem Gehweg weniger als 1,20 Meter Platz bleiben für die Passanten. Diese Praxis sei auch in anderen Kommunen üblich und durch Gerichtsurteile gedeckt, betont die Verwaltung.

Fußgänger-Verein stellt angewandte Regelung der Stadt in Frage

Das wiederum sieht Wolfgang Packmohr von der Initiative Fuß e.V. anders. Nach seiner Lesart der Straßenverkehrsordnung und Richtlinien für den städtischen Straßenbau sind Fußgänger nicht nur verpflichtet, Gehwege zu nutzen, dort hätten sie auch einen Anspruch auf 2,10 Meter, immer vorausgesetzt, der Bürgersteig ist auch so breit. Gerade in Coronazeiten seien solche Maße erforderlich, zumal man auch Rollstuhlfahrer, Familien mit Kinderwagen und Menschen mit Rollatoren berücksichtigen solle. Kritisch sieht er zudem die Ermessensspielräume, die die Stadt den Mitarbeitern gewähre. Das könne doch in der Konsequenz dazu führen, dass Gehwegparken in dem einen Stadtteil mit hohem Parkdruck erlaubt und in dem anderen mit entspannter Lage bestraft werde.

Da sich in vielen Stadtteilen die Parksituation während der vergangenen Jahre stark gewandelt habe, fordert Packmohr Verwaltung und Politik auf, sich selbst ein Bild zu verschaffen sowie auch Daten über die jeweilige Lage vor Ort zusammenzutragen. Im Übrigen seien Städte ohnehin verpflichtet, im Rahmen einer Verkehrsschau, die regelmäßig veranstaltet werden müsse, auch die Parkplatzproblematik zu besprechen.