Essen. Urlaub, Restaurant- und Kinobesuche nur für Geimpfte sind keine Option. Sie würden den Zusammenhalt gefährden, meint Redakteurin Katrin Clemens.

Puh. Die Großeltern sind geimpft, Eltern und chronisch erkrankte Tante haben immerhin schon die Erstimpfung erhalten. Damit fallen mir so einige Steine vom Herzen. Die Oma freut sich zudem auf den lang ersehnten Friseurbesuch, für den sie jetzt keinen negativen Schnelltest mehr vorlegen muss. Das sei ihr und allen anderen Betroffenen gegönnt.

Auf Urlaub, Restaurant- oder Theaterbesuch sollte sie aber genauso lange warten müssen wie ich. In dieser Krise sitzen wir schließlich immer noch alle im selben Boot, umgeben von Wellen aus Inzidenzwerten und Intensivkapazitäten.

Die Corona-Krise müssen wir weiter zusammen durchstehen

Aus Geimpften und Genesenen ein exklusives Clübchen zu machen, das mit Südsee-Feeling davon schippert und die Seele baumeln lässt, während die Mehrheit weiter durch den Sturm segeln muss, wäre gerade jetzt fatal für uns als Gesellschaft.

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Der Zeitpunkt für die Debatte über Sonderrechte für Geimpfte ist verfrüht, in NRW haben gerade einmal acht Prozent den vollen Impfschutz. Daher macht eine Öffnung nur für diese Gruppe erstens schon betriebswirtschaftlich keinen Sinn. Zweitens ist sie ungerecht, solange nicht jede und jeder die Chance hat, sich impfen zu lassen. Drittens – und das ist das wichtigste Argument – könnte sie den ohnehin schon bröckelnden Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden. Auf den letzten Meilen weitere Risse verursachen.

Den Kurs zurück in eine Normalität mit Kneipe und Kultur können wir nur gemeinsam halten. Das rettende Ufer ist nah wie nie, lasst es uns gemeinsam erreichen. Aktuell können wir das gute Gefühl genießen, dass die Gefährdetsten an Bord eine Rettungsweste namens Impfstoff tragen. Nicht weniger, aber auch noch nicht mehr.

Corona- Das halten Essener von Privilegien für Geimpfte

Margret Hörcher (61):
Margret Hörcher (61): "Ich bin bereits durchgeimpft und könnte sagen: Ich nutze die Vorteile für mich. Ich finde es an sich auch richtig, dass Geimpfte und Genesene mehr Freiheiten bekommen. Aber erst dann, wenn allen ein Impfangebot gemacht wurde. Solange sollten wir abwarten und alle müssen sich noch gedulden.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann
Benno Quaß (82):
Benno Quaß (82): "Ich bin dankbar dafür, dass ich geimpft bin. Ich hätte nie verlangt, Vorteile deswegen zu haben. Aber seitdem festgestellt wurde, dass ich als Geimpfter für mich und andere keine Gefahr bin, frage ich mich, warum ich meine Grundrechte nicht zurückbekommen sollte. Dieser Neid ist typisch deutsch.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann
Katharina Kern (23):
Katharina Kern (23): "Ich arbeite ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission, deshalb habe ich heute meine erste Impfung bekommen. Ich finde es zwar nicht fair, dass Geimpfte privilegiert werden, weil noch nicht alle die Chance dazu hatten. Aber ich würde die Freiheiten trotzdem nicht ablehnen und hätte auch kein schlechtes Gewissen.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann
Marco Lorenz (27):
Marco Lorenz (27): "Natürlich ist es nicht gerecht, dass Menschen, weil sie geimpft sind, Vorteile bekommen. Ich will mich zum Beispiel gar nicht impfen lassen. Und nur weil jemand nicht geimpft ist, kann man ihn nicht von allem ausschließen. In Holland ist schon alles jetzt offen. Warum nicht auch in Deutschland?“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann
Dario Lindemeier (35):
Dario Lindemeier (35): "Ich finde nicht, dass Geimpfte und Genesene Vorteile bekommen und gegenüber den anderen bevorzugt werden sollten. Das ist unfair und unsozial. Wenn bereits jeder die Chance gehabt hätte, sich impfen zu lassen, wäre es fair. So nicht. Und das sage ich als jemand, der schon durchgeimpft ist.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann
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