Essen. Noch sind aufgrund der Corona-Pandemie nur Trauungen an Bord möglich. Auf weitere Lockerungen ist die Weiße Flotte Baldeney aber vorbereitet.
Es ist ein besonderer Moment in diesen merkwürdigen Zeiten. Boris Orlowski wird deshalb mit seinem Smartphone ein paar Fotos schießen oder ein kurzes Video drehen. Denn zum ersten Mal seit sieben Monaten darf eines seiner Schiffe den Hafen am Hardenbergufer verlassen. An Bord: ein Brautpaar, das sich auf dem Baldeneysee das Ja-Wort geben wird, wenige Freunde und Verwandte. Im Stundentakt geht es so weiter.
Das Ordnungsamt hat der Weißen Flotte dafür eine Ausnahmegenehmigung erteilt, freut sich Geschäftsführer Boris Orlowski. Hochzeiten an Bord sind trotz der Pandemie möglich – ohne Speisen und Getränke zwar und nur mit einer Handvoll an Gästen. Aber besser als nichts. Einmal im Monat läuft die „MS Baldeney“ als schwimmendes Trauzimmer aus.
Es ist eine der wenigen positiven Nachrichten, die Boris Orlowski vermelden kann. Unter normalen Bedingungen läge der Saisonstart längst hinter ihm und seiner Mannschaft.
In der Gesellschafterversammlung des städtischen Tochterunternehmens haben sie kürzlich darüber diskutiert, ob die Schiffe im Linienbetrieb fahren sollten – als Angebot des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs. In Bayern werde das so praktiziert. Anders in Essen. „Wir können die Leute schlecht über den Baldeneysee schippern, wenn gerade wieder alles dicht gemacht wird.“ Angesichts der steigenden Inzidenz wäre es schlicht das falsche Signal gewesen, sagt Orlowski. Wohl wissend, dass er es damit nicht jedem recht macht.
Die „MS Heisingen“ wurde generalüberholt. Tische, Stühle, Toiletten: alles neu
So liegen die Schiffe der Flotte weiter coronabedingt an der Kette. Drei Schiffsführer fahren Straßenbahn, Orlowskis Mitarbeiterinnen sitzen an der städtischen Corona-Hotline und nehmen dort Anrufe besorgter Bürger entgegen. Zurückgeblieben sind der Hafenmeister, ein Elektriker, ein Schreiner und ein Maler. Sie haben die Zeit genutzt, um die Schiffe flottzumachen. Die „Stadt Essen“ hat einen neuen Boden bekommen und an Deck einen neuen Anstrich. Die „MS Heisingen“ wurde quasi generalüberholt: Tische, Stühle, Toiletten – alles neu. An Bord gibt es nun sogar frisches Bier vom Fass; ein neues Zapfsystem einer Essener Hausbrauerei macht es möglich – und damit Appetit auf bessere Zeiten.
An der Theke macht der technische Fortschritt nicht halt. Was die Kombüse hergibt, lässt sich nun mit Hilfe eines QR-Codes auf dem eigenen Smartphone lesen. Speisekarten müssen somit nicht mit verteilt und später aus Hygienegründen abgewischt werden. Auf Wunsch wird natürlich trotzdem eine Karte gereicht, betont Orlowski. Nicht jeder hat ein Smartphone zur Hand.
Die Digitalisierung hält auch bei der Weißen Flotte Baldeney Einzug
Auch die bargeldlose Zahlung hält Einzug bei der Weißen Flotte. Tickets für den Linienbetrieb lassen sich zukünftig im voraus online buchen – oder per Smartphone am Anleger. Auf den Fahrplänen steht dafür ebenfalls ein QR-Code. Orlowski nennt das „Premium-Boarding“. Wer ein elektronisches Ticket vorzeigen kann, darf zuerst an Bord.
„Wir könnten jederzeit ablegen“, sagt Orlowski. Wenn die Corona-Inzidenz es denn nur zuließe. Auch dann könnte eine Schifffahrt nicht frei von Hindernissen sein. Vor allem, wenn das Ziel jenseits der Stadt Essen liegt. „Wir sind darauf eingestellt, dass sich unsere Fahrgäste über die Luca-App registrieren müssen“, berichtet Orlowski. Mülheim, wo die Weiße Flotte ebenfalls fest macht, habe sich hingegen noch nicht für die Luca-App entschieden.
Eine Flotte aus fünf Schiffen
Zur Weißen Flotte Baldeney zählen derzeit fünf Fahrgastschiffe: Die „Stadt Essen“ (Baujahr 1987), die „Kettwig“ (Baujahr 1975), die „Heisingen“ (Baujahr 1985), die „Baldeney“ (Baujahr 1979) und das von einem Elektromotor angetriebene Schiff „Westenergie“, das von 2017 bis 2020 noch unter dem Namen „Innogy“ auf der Ruhr und auf dem Baldeneysee fuhr.
Die „Steele“ wurde von der Weißen Flotte im vergangenen Jahr an eine Reederei in Österreich verkauft. Derzeit befindet sich das Schiff in einer Werft bei Bonn, wo es umgebaut wird.
Auf dem Rhein-Herne-Kanal passiert die Weiße Flotte die Grenzen von fünf Ruhrgebietsstädten – von Oberhausen, Bottrop, Essen, Gelsenkirchen und Herne. „Was passiert, wenn in Essen die Inzidenz in Essen unter 100 liegt und Oberhausen oder Gelsenkirchen darüber“, stellt Orlowski eine hypothetische Frage. Dann dürften die Passagiere an Bord die Maske nur ab nehmen, so lange das Schiff auf Essener Gebiet fährt. Auch das Verzehren von Speisen und Getränken wäre nur auf dem Essener Kanalstück erlaubt. Derzeit sieht es danach nicht aus. Aber wäre so etwas überhaupt praktikabel? Zweifel sind erlaubt.
So hoffen sie auch im Hafen am Hardenbergufer auf das, worauf so viele warten: endlich wieder Normalität.