Essen. Die Stadt will 19 weitere Sirenenstandorte realisieren - zum ersten Mal auch im Süden Essens. Mehrere Stadtteile sind bereits ausgeguckt.
Sirenen für den Süden: Die Stadt Essen baut ihr Warnsystem aus - nun auf eigene Kosten, weil Sponsorengelder in Corona-Zeiten offenbar nicht so fließen wie erhofft. Knapp 385.000 Euro will die Kommune zeitnah in 19 weitere neue Heuler-Standorte investieren. Dann wird das akustische Netz aus 49 Krachschläger gespeist, 86 sollen es laut eines Schallgutachtens am Ende sein, damit die schrillen Töne in jedem Winkel Essens zu hören sind.
Dezernent Christian Kromberg hat dem Ordnungsausschuss am Mittwoch entsprechende Pläne vorgestellt. Der Empfehlung des Gremiums dürfte der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 12. Mai folgen.
Die Standorte liegen unter anderem in Haarzopf, Überruhr-Hinsel, Heisingen, Werden, Heidhausen und Kettwig, aber auch in Katernberg, Altenessen-Nord, Bochold, Altendorf und Schönebeck werden weitere Quartiere bespielt. Die 19 neuen Sirenen werden jährlich 10.450 Euro für Wartung, Strom und die Systemüberwachung kosten.
Ein Sponsoringkonzept ist seit langem geplant
Die Realisierung der noch fehlenden Sirenen-Standorte soll durch ein seit langem geplantes Sponsoringkonzept begleitet werden, heißt es bei der Stadt.
Essen hat Ende 2018 mit dem Aufbau des flächendeckenden Warnsystems begonnen. Die ersten Überlegungen dazu sind bereits nahezu zehn Jahre alt. Der Essener Norden wurde bislang bevorzugt ausgestattet, weil sich dort die meisten sogenannten Störfallbetriebe und Transportwege zu Wasser wie Land nicht zuletzt für Gefahrengüter befinden. Außerdem ist die Bevölkerungsdichte im Essener Norden besonders hoch.
Das Sirenennetz soll bei Katastrophen oder bei Großschadenslagen wie Fabrikunfällen und Großbränden, die Bürger warnen und sie zu erhöhter Aufmerksamkeit anhalten.
Zuletzt heulte Essen beim landesweiten Probealarm am im März im Chor der Kommunen mit: Um 11 Uhr lösten alle 30 Warnsirenen zuverlässig aus. Weil der Wind günstig stand, waren sie zum ersten Mal stellenweise auch im Essener Süden zu hören, was für den einen oder anderen irritierten Anruf auf der Feuerwehrleitstelle gesorgt hatte.
Die neuen vom Pilz am Stiel zum Horn mutierten Systeme sind leistungsstärker, es braucht heutzutage weit weniger Schallschleudern als noch in den 70er und 80er Jahren. In den Zeiten des Kalten Krieges zählte man noch gut 220 Standorten auf den Dächern der Stadt, bis eine gefühlt bedrohungslose Bundesregierung im November 1993 mit einem Paukenschlag verfügte: Die Tonschleudern kommen weg.
Bonn bezahlte den flächendeckenden Abbau
Um erst gar keine Widersprüche des einen oder anderen lokalpolitischen Lautsprechers aufkommen zu lassen, bezahlte Bonn sogar den flächendeckenden Abbau, wenn’s denn so gewünscht war. Danach blieb’s in der Stadt nahezu eine Dekade lang ruhig, bis nach einem Großschadensfall ein Umdenken einsetzte.
„Wir haben noch ein Kommunikationsproblem – unter uns und gegenüber dem Bürger“, hieß das Fazit des früheren Essener Feuerwehr-Chefs Ulrich Bogdahn, nachdem 2012 in Krefeld ein Düngemittellager in Flammen aufgegangen war, sich der Himmel über dem Revier verdunkelt hatte und den Verantwortlichen im Land nach und nach ein Licht aufging.
Unterschiedliche Kenntnisstände über die Katastrophe
Die Behörden hatten zu einem entscheidenden Zeitpunkt völlig unterschiedliche Kenntnisstände über das wahre Ausmaß der damaligen Katastrophe und gaben folglich mehr oder weniger hilfreiche Hinweise für das Verhalten der Bürger. Die Erkenntnis setzte sich durch: Während sich Bund und Land seit Jahren komplexer elektronischer Alarmierungs-Systeme mit bis zu 160 aufgeschalteten Radio- und Fernsehsendern bedienen können, seien Sirenen eigentlich die einzige kommunale Möglichkeit, um raumgreifend Alarm in einer Stadt auszulösen, wie es eigentlich Not getan hätte. Die Rückkehr der Heuler stand bevor.
Zumal es für Feuerwehr im Schadensfall „keine bessere Alternative“ als ein Sirenensystem gibt, um die Bevölkerung vor Ort zu warnen und gleichzeitig zu animieren, das Radio einzuschalten. So können die Bürger schnellstmöglich erfahren, wie sie sich bei Überschwemmungen, nach Explosionen oder während Großbränden mit womöglich giftigen Rauchschwaden verhalten sollten. Der reflexartige Standardhinweis „Türen und Fenster geschlossen halten“ hilft eben nicht in jedem Schadensfall weiter.