Essen. Manche Impfwillige haben Vorbehalte gegen Astrazeneca und verlegen ihre Impftermine. Es gebe aber genug Nachrücker, sagen Essener Hausärzte.

Auch zwei Wochen nach dem Start der Corona-Impfungen in Hausarztpraxen kämpfen die Mediziner mit den Unzulänglichkeiten der Impfstoff-Verteilung. Zum einen bekommt weiterhin nicht jede Praxis die gewünschte Menge. Zum anderen gibt es in dieser Woche nicht nur Biontech, sondern zur Hälfte auch Astrazeneca – und das lehnt mancher Patient ab.

Lieber weiter warten als den ungeliebten Impfstoff nehmen

„Es gibt Vorbehalte gegen Astrazeneca. Ich hatte allein heute vier Patienten, die gesagt haben, dass sie lieber auf die Impfung verzichten und auf Biontech warten“, sagt Dr. Lutz Rothlübbers vom Praxiszentrum Katernberg am Dienstagmittag. Andererseits meldeten sich auch unter 60-Jährige, die gern schon geimpft würden und nichts gegen Astrazeneca einzuwenden hätten. Er könne das gut verstehen, da er den schlechten Ruf des Impfstoffes für ungerechtfertigt halte. „Ich denke, das Risiko ist gering.“

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Trotzdem halte er sich an die Empfehlung, Astrazeneca erst an Menschen über 60 zu verimpfen. „Wir sind acht Ärzte mit vielen Patienten, da finden sich immer Ältere, die auch Astrazeneca nehmen, wenn es ein anderer ablehnt.“ Für die Jüngeren solle ja zeitnah mehr Biontech zur Verfügung stehen, ergänzt Internist Stefan Bäumer von der Altendorfer Praxis Schott-Bäumer. Insgesamt sei die Nachfrage so hoch, dass von keinem Impfstoff etwas übrig bleibe: „Auch die Astra-Impfung wird von Ü60-Patienten gut nachgefragt.“

Hausärzte laden Risikopatienten zum Impftermin ein

Höchste Priorität beim Impfen genießen u.a.: Über 80-Jährige; ältere und pflegebedürftige Personen in (teil-)stationären Einrichtungen; Pflege- und Rettungskräfte.

Hohe Priorität genießen u.a.: Über 70-Jährige; Personen mit Trisomie 21 oder Contergan-Schädigung; Organtransplantierte; Demenzkranke; Krebspatienten; Diabetiker mit Komplikationen; schwer chronisch Lungenkranke und andere mit schweren Vorerkrankungen; Personen, die im Gesundheitsdienst oder der Kinderbetreuung arbeiten. Es gibt Personengruppen – etwa Schwangere – bei denen bis zu zwei enge Kontaktpersonen geimpft werden. Die Hausärzte, die seit dem 5. April impfen, gehen nach der - noch deutlich detailreicheren - Liste vor und laden betroffene Patienten zur Impfung ein.

Dr. Michael Hill, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein in Essen, erlebt in der eigenen Praxis dagegen viel Ablehnung gegen Astrazeneca: „Ein großer Teil sagt: ,Geh’ mir weg mit dem Mist.’“ Auch er sehe daher der zugesagten Biontech-Lieferung in der kommenden Woche hoffnungsfroh entgegen. Hill hätte aber keine Bedenken, Impfwillige unter 60 mit Astrazeneca zu impfen, wenn die das wünschten und sie entsprechend aufgeklärt wurden. „Impfen ist in jedem Fall besser als Corona.“

Auf Wunsch erhalten auch unter 60-Jährige Astrazeneca

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in Düsseldorf bestätigt: „Ärzte können grundsätzlich in Kenntnis des individuellen Gesundheitszustandes des Impflings und mit dessen ausdrücklicher Zustimmung im Einzelfall auch Astrazeneca an Personen unter 60 Jahren verimpfen.“ Genauso hat es Dr. Peter Berndt von der Hausarztpraxis Schonnebeck schon getan. Da er im Moment praktisch nur Astrazeneca habe, weise er seine Risikopatienten möglichst schon bei der Terminvergabe darauf hin: „Wer sagt, er wolle das ,Astra-Zeug’ nicht, bleibt natürlich auf unserer Impf-Liste.“ Größtes Problem seien aktuell die geringen Mengen an Impfstoff. „Da müssen wir von Woche zu Woche schauen, was wir bekommen.“

Man müsse sehr flexibel bleiben, bestätigt Lutz Rothlübbers: So seien ihm am vergangenen Freitag 98 Biontech-Dosen angekündigt worden: 90 Impf-Kandidaten hat er darum schon mal für Mittwoch (21. April) bestellt. „Bekommen habe ich nur 70 Dosen, so dass ich 20 Patienten wieder absagen musste.“ Er hofft, dass das Praxiszentrum beim nächsten Mal die bestellte Impfstoffmenge erhält: „Dann könnten wir kommende Woche 450 Patienten impfen.“