Essen. In zwölf Prozent der Essener Kitas sind vereinzelte Gruppen wegen Corona zu. Doch Dezernent Renzel warnt davor, Kitas und Schulen zu schließen.

In 36 der insgesamt etwa 300 Kindertagesstätten in Essen wurden in den vergangenen zwei Wochen eine oder mehrere Gruppen wegen Corona vorübergehend geschlossen. Das sind zwölf Prozent der Kitas im Stadtgebiet – dieser durchaus beachtliche Wert wirft erneut die Frage auf: Sind Kitas so genannte „Pandemie-Treiber“ oder nicht? Trägt das Geschehen in den Kindertagesstätten zur Ausbreitung von Corona bei?

Über Monate wurden Eltern von der Landesregierung dringend darum gebeten, ihre Kinder zu Hause zu betreuen. Viele Väter und Mütter hielten sich daran – Mitte Februar hieß es, landesweit gingen derzeit nur ein Drittel der Kinder im Kita-Alter in die Einrichtungen. Der Appell von NRW-Familienminister Joachim Stamp wurde erst am 22. Februar zurückgezogen, seitdem laufen die Kitas wieder im „eingeschränkten Regelbetrieb“. Das bedeutet unter anderem, dass die Betreuungszeit um zehn Stunden pro Woche verringert wurde.

Viele Erzieherinnen meldeten sich nach der Impfung krank

Gesundheitsdezernent Peter Renzel: „Es bleibt dabei, dass wir deutlich weniger infizierte Kinder als Erwachsene haben.“
Gesundheitsdezernent Peter Renzel: „Es bleibt dabei, dass wir deutlich weniger infizierte Kinder als Erwachsene haben.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

In Essen – und vermutlich auch anderswo – wurden die Kitas von einer regelrechten, kurzzeitigen Schließungswelle überrollt – das war Mitte März, als damit begonnen wurde, das Kita-Personal flächendeckend zu impfen. Am ersten Montag nach dem Impf-Wochenende meldeten allein 22 der 50 städtischen Kitas Gruppenschließungen; vier Einrichtungen machten für einen Tag ganz dicht. Das lag aber nur indirekt an dem Virus: Viele Erzieherinnen meldeten sich wegen der Nebenwirkungen der Impfung krank.

Seit dem 26. März – also seit etwa zwei Wochen – wurden im Stadtgebiet 36 Kitas sämtlicher Träger registriert, die eine oder mehrere Gruppen schließen und in Quarantäne schicken mussten. Diese Schließung hält zumeist zehn bis 14 Tage an, je nach Anordnung des Gesundheitsamtes. Gesundheitsdezernent Peter Renzel tritt dem Eindruck, es handle sich um eine große Zahl, mit Vehemenz entgegen – und verweist auf die Zahl der offiziell gemeldeten Kinder, die derzeit mit Corona infiziert sind: Das waren demnach in den vergangenen vier Wochen genau 19 Jungen und Mädchen im Alter von null bis fünf Jahren. In Essen gibt es insgesamt etwas mehr als 20.000 Kita-Plätze. „Es bleibt dabei“, betont Renzel, „dass wir deutlich weniger infizierte Kinder als Erwachsene haben.“ Den 19 infizierten Kindern im Kindergartenalter steht eine aktuelle Gesamtzahl von 1535 Corona-Betroffenen im Essener Stadtgebiet gegenüber. Die meisten von ihnen – derzeit 282 Fälle – sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.

19 infizierte Kinder stadtweit im Kindergartenalter

Das bedeutet im Umkehrschluss: Die deutlich zweistellige Zahl der Kitagruppen, die in den letzten zwei Wochen in Quarantäne geschickt wurden, hat häufiger mit der Erkrankung von Erziehern als mit kranken Kindern zu tun – auch wenn wiederholt berichtet wird, dass infizierte Kinder manchmal gar keine Symptome zeigen.

Renzel räumt ein, dass die derzeit sehr weit verbreitete, britische Virus-Mutation zwar ansteckender sei als der herkömmliche Corona-Virus, verweist aber auf die Berichte der Mediziner aus den Krankenhäusern: „So gut wie jede Corona-Infektion eines Kindes hat einen milden Verlauf.“

Mehr Anrufe beim Jugendnottelefon

Der „eingeschränkte Regelbetrieb“ in den Kitas läuft zunächst bis zum Wochenende. Dann enden auch die Osterferien für die Schulen. Die Schlussfolgerung, die Renzel zieht, ist eindeutig: „Ich schließe mich ausdrücklich der Position von Kinder- und Jugendärzten in ganz Deutschland an, dass Kitas und Schulen unbedingt geöffnet bleiben müssen.“ Zu eindeutig seien bereits jetzt die Anzeichen, auf die Kinder- und Jugendmediziner seit Wochen aufmerksam machen – auch in Essen: Die Belastungen in den Familien seien seit Dezember 2020 nochmal gestiegen. Das Jugendnottelefon verzeichne einen deutlichen Anstieg der Anrufzahlen; in einzelnen Bezirken gebe es einen vernehmbaren Anstieg häuslicher Gewalt, außerdem gebe es deutliche Anzeichen von um sich greifenden Angststörungen und depressiven Verstimmungen bei Kindern und Jugendliche, ganz abgesehen von Entwicklungsverzögerungen in der Motorik durch erhöhten Medienkonsum.

Auch Essens Jugend- und Schuldezernent Muchtar Al Ghusain betont zum Ende der Osterferien, an dem derzeit ein neuer, harter Lockdown diskutiert wird: „Die Kinder und Jugendlichen brauchen dringend Betreuung und Bildung auf dem eingeschlagenen Weg der Hygienemaßnahmen.“