Essen. Ein Gericht hat den Einkauf mit Termin und die Kundenbegrenzung gekippt. Einige Essener Händler reagierten prompt. Die Freude währte nur kurz.
Das Durcheinander im Einzelhandel war am Montag perfekt: Gegen Mittag ließen die ersten Läden in Essen Kunden wieder ohne vorherige Terminvereinbarung herein. Unter anderem New Yorker und Saturn im Limbecker Platz, aber auch viele Geschäfte auf der Limbecker Straße verabschiedeten sich kurzerhand vom erst vor zwei Wochen eingeführten „Click & Meet“. Auch Baumärkte öffneten kurzfristig ohne Terminvergabe.
Sie alle nutzten eine Regelungslücke, die nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster entstanden war. Das OVG hatte die Terminpflicht sowie die strenge Kundenbegrenzung für den Handel in NRW gekippt. Die Richter waren der Meinung, dass diese Bestimmungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Denn sie galten bislang nicht für Blumenläden, Gartenmärkte, Schreibwarengeschäfte und Buchläden. Geklagt hatte eine Filiale von Media Markt.
Mehr Informationen zum OVG-Urteil
Das Urteil schlug am Montag unter den Händlern, aber auch unter Kunden Wellen. „Wir haben jede Menge Anrufe bekommen“, sagte Alexandra Wagner, Centermanagerin vom Limbecker Platz. Viele Händler seien zunächst verunsichert gewesen, ob sie tatsächlich wieder ohne Einschränkungen öffnen dürfen. Viele wollten kein Bußgeld riskieren und versuchten, sich beim städtischen Ordnungsamt rückzuversichern.
Land reagiert mit neuer Corona-Verordnung für den Handel
So überraschend die Lockerungen kamen, so schnell wurden sie auch wieder einkassiert. Das NRW-Gesundheitsministerium erließ am Montagnachmittag umgehend eine neue Corona-Schutzverordnung. Diese sieht vor, dass „Click & Meet“ sowie eine begrenzte Kundenzahl (eine Person auf 40 Quadratmeter Verkaufsfläche) jetzt auch für Blumenläden, Gartenmärkte, Schreibwarengeschäfte und Buchläden gelten.
Auch interessant
Dass das Land so schnell handelte, überraschte Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Essener Einzelhandelsverbandes, dagegen nicht. Er hatte ohnehin direkt nach dem Urteil appelliert, dass die Läden nun nicht zu Hotspots in der Pandemie werden dürften. „Insofern habe ich erwartet, dass die Landesregierung die Lücke schnell schließen wird.“
Auch wenn der Handel vom Schwebezustand kurzzeitig profitieren konnte, sieht Heistermann darin ein fatales Signal. „Ich kann die Händler natürlich verstehen, dass sie dies nutzen.“ Aber nun müsse der Handel den Kunden begreiflich machen, dass wieder die verschärften Regeln mit Terminshoppen und begrenzter Kundenzahl in den Geschäften gelten. „Ich befürchte, dass dieses Hin und Her Kunden vergraulen könnte“, bekräftigte Alexandra Wagner.
Essener Handel spricht nach OVG-Urteil von Pyrrhussieg
Der Essener Handelsverband ist indes enttäuscht darüber, dass das Land als Reaktion auf das Gerichtsurteil die Regeln für den gesamten Handel verschärft. Heistermann hatte das Gegenteil gehofft; nämlich dass alle Händler in den Genuss der Lockerungen kommen würden. „Das Gerichtsurteil ist für uns damit ein Pyrrhussieg“, sagte er. Die Zustimmung der Händler zu den Corona-Maßnahmen werde dadurch jedenfalls nicht erhöht.
Heistermann erlebt bereits ein großes Akzeptanzproblem unter den Händlern: „Was soll ich einem Schuhhändler sagen, der nur einen Kunden pro 40 Quadratmeter und mit Termin in seinen Laden lassen darf – aber im Discounter gegenüber die Menschen reihenweise Schuhe anprobieren?“
Neuer Lockdown im Handel nicht ausgeschlossen
Allerdings muss der Einzelhandel statt auf weitere Lockerungen zu hoffen, eher eine Rückkehr in den Lockdown befürchten. Sollten sich das Kanzleramt und die Länder bei ihrem Treffen am Montag tatsächlich auf eine Notbremse, wie schon Anfang März besprochen, einigen, könnte diese in NRW bereits in den kommenden Tagen greifen. Am Montag lag der dafür entscheidende Sieben-Tage-Inzidenzwert das zweite Mal in Folge über 100. Voraussetzung für die Notbremse wären drei aufeinanderfolgende Tage mit einem Wert über 100.
Die Verunsicherung in der Händlerschaft sei deshalb groß, bestätigte Heistermann. In den vergangenen Tagen erreichten den Verband viele Anrufe besorgter Händler. Heistermann hofft jedoch, dass NRW die Notbremse nicht ziehen wird. „Der alleinige Blick auf die Inzidenzwerte greift zu kurz“, betonte er. Denn mittlerweile könne der Einzelhandel auch wissenschaftlich belegen, dass die Hygienesysteme greifen würden. Unter anderem zeigten dies die vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen bei den Beschäftigten.