Essen. In Essen soll das nationale Fotoinstitut gebaut werden. Warum sich Düsseldorf entgegen der Experten-Empfehlung trotzdem weiter Hoffnungen macht.
Vom Bergbau-Riesen zum gigantischen Speicherraum für die deutsche Fotogeschichte: Auf dem Areal des Welterbes Zollverein soll das Bundesinstitut für Fotografie entstehen. Mit viel Raum zum Forschen, Restaurieren und Archivieren der Vor- und Nachlässe bedeutender Fotografen, von denen in den kommenden Jahrzehnten Abermillionen Negative, Dias, Abzüge in Essen gesichert werden könnten. So sieht es die in der vergangenen Woche vorgestellte Machbarkeitsstudie der vom Bund beauftragten Beraterfirma Partnerschaft Deutschland vor, die nach Untersuchung der beiden möglichen Standorte in Essen und Düsseldorf das baulich besser geeignete Zollverein-Areal favorisiert.
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Das Votum deckt sich mit der Empfehlung der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters einberufenen Expertenkommission, die sich schon Anfang 2020 für Essen ausgesprochen hatte. Doch trotz eindeutiger Empfehlungen reißt die vor allem von Düsseldorfer Seite weiter befeuerte Standortdebatte nicht ab. So dass die parteilose NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen im Kulturausschuss des Landtags am Donnerstag bereits davor gewarnt hat, „mit einer andauernden Standortdiskussion den Bau des geplanten Bundesinstituts für Fotografie in NRW zu behindern“.
Grütters: „Aus Bundes-Sicht sehe ich mich zuallererst dem Standort Essen verpflichtet“
Berlins Kulturstaatsministerin Monika Grütters scheint indes weiter die Hoffnung zu haben, die Konkurrenten am Ende doch noch auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören – im Sinne der Fotokunst. „Aus Bundes-Sicht sehe ich mich zuallererst dem Standort Essen verpflichtet“, erklärt Grütters auf Anfrage dieser Zeitung. In der Sache aber sei es wichtig, „dass die unterschiedlichen Ideen aus Düsseldorf und Essen zusammenfinden“.
„Ich gehe davon aus, dass auch die private Düsseldorfer Initiative ihre Planungen zugunsten der Fotokunst fortsetzen wird“, sagt Grütters und meint damit den Verein um Fotostar Andreas Gursky, der Grütters Fotozentrum-Vorstoß 2019 mit Plänen eines eigenen Fotoinstituts durchkreuzt hatte – und weiter an seinem Konzept festhält, das sich vor allem auf die technischen und künstlerischen Fragen der jüngeren deutschen Fotokunst konzentriert. Noch hofft man in Berlin offenbar, Impulse von Gurksy und den prominenten Mitstreitern der Düsseldorfer Schule in das vorgelegte Konzept integrieren zu können. „Ob es am Ende zwei Standorte geben könnte, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehen. Entscheidend ist, dass wir in der Sache vorankommen“, lässt sich Grütters zitieren.
OB Kufen hat schon ein erstes Planungstreffen mit allen Beteiligten anberaumt
Während die Ministerin davon spricht, „alle beteiligten Akteure an einem Tisch zu versammeln und so den Versuch zu unternehmen, die Ansätze der unterschiedlichen Initiativen zusammenzuführen“, will man in Essen nach Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie nicht länger warten. Schon in der kommenden Woche hat Oberbürgermeister Thomas Kufen zu einem ersten Treffen aller beteiligter Ämter, Institute und Förderer eingeladen.
Mit dem Museum Folkwang, dem Ruhr Museum, dem Historischen Archiv Krupp und der Folkwang-Universität der Künste bringt Essen die große Expertise, fotohistorische Praxis und den notwendigen Forschungskontext ein, die entscheidend sein dürften für ein zukunftsgerichtetes und breit aufgestelltes Foto-Institut. Auch die großen in Essen beheimateten Stiftungen (neben der Krupp- auch die Mercator-, die RAG-, die Innogy- und die Brost-Stiftung) haben schon im Vorfeld Unterstützung zugesagt. Fakt ist aber: Realisiert werden kann das Fotoinstitut nur mit Bundes- und Landesmitteln. Rund 125 Millionen Euro könnte der Bau nach den jüngsten Kalkulationen der Machbarkeitsstudie kosten.
Das ungelöste Problem der vorab bewilligten Mittel für Düsseldorf
Das Problem: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat 2019 zwar schon 41,5 Millionen Euro – gewissermaßen an der Kulturstaatsministerin vorbei – für das damals noch mit rund 83 Millionen Euro kalkulierte Fotoinstitut bewilligt. Vorgesehen aber war das Prestigeprojekt zu der damaligen Zeit in Düsseldorf. Auch das Land NRW und die Landeshauptstadt hatten auf Betreiben Gurskys parallel schon eine Kofinanzierung zugesagt und stellten sogar das entsprechende Grundstück am Düsseldorfer Ehrenhof in Aussicht. Zu voreilig, wie man inzwischen weiß.
Die Bundesmittel jedenfalls sind nach Angaben des Grütters-Ministeriums „bis auf weiteres im Haushalt gesperrt“. Ob die Weichen noch vor den Bundestagswahlen wieder auf Grün gestellt werden können, scheint fraglich, auch wenn sich die Kulturstaatsministerin auf Anfrage zuversichtlich gibt. „Mit der Machbarkeitsstudie liegen uns nun erstmals eine solide Planungsgrundlage und eine belastbare Kostenschätzung vor. Auf dieser Grundlage werde ich im Deutschen Bundestag dafür werben, die benötigten Mittel für ein Foto-Institut des Bundes bereitzustellen.“
„Die Fakten sprechen klar für Essen“
Auch von den Essener Bundestagsabgeordneten gibt es Rückenwind. „Ich hoffe, dass jetzt zeitnah die abschließende Entscheidung für den Standort Essen fällt. Die Fakten sprechen klar für Essen – daran wird auch der Ausgang einer Bundestagswahl nichts ändern“, zeigt sich der Essener CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer zuversichtlich.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring ist ähnlicher Ansicht. Mit der Empfehlung der Expertenkommission und der vorgestellten Machbarkeitsstudie seien zwei wichtige und klare Vorentscheidungen getroffen worden: „Das schafft politische Verbindlichkeiten, zwei so starke Voten lassen sich nicht einfach vom Tisch wischen“, sagt Gehring und setzt auf eine „kluge Bündelung aller Kräfte.
Der Ball liege jetzt vorm Tor, „mit einer geschlossenen Essener Mannschaftsleistung werden wir ihn am Ende auch reinmachen und das Fotoinstitut hierher holen“, glaubt Gehring. Die Titelchancen für Essen stehen jedenfalls nicht schlecht. Als Bundesinstitut für Fotografie hätte man einen einzigartigen Rang im Land – und internationale Aufmerksamkeit sicher.