Essen. Seit einer Woche bieten viele Geschäfte in der Essener City Shopping nach Absprache an. Darum kommt Einkaufen nach Termin nur schleppend in Gang.

Einkaufen mit Maske, Abstand – und vorheriger Terminabsprache: Seit einer Woche gelten die neuen Regelungen beim Einkauf, Kunden sind in vielen Geschäften wieder erlaubt, wenn auch unter besonderen Bedingungen. So kommt das Angebot an.

Gaby und Jürgen Reisenberg haben einem Shoppingtag lange entgegengefiebert. Sie haben sich gut vorbereitet und schon Tage zuvor telefonisch Termine in den Geschäften vereinbart: von der Modekette Brax über Appelrath Cüpper bis hin zu P&C. „Ich freue mich wahnsinnig darüber, endlich mal wieder stöbern zu können“, erzählt die 56-Jährige, die extra aus Oer-Erkenschwick angereist ist. Dass die meisten Geschäfte ihre Kunden mit vorheriger Terminvergabe hineinlassen, findet das Ehepaar gut – „denn man ist ja froh, wenn man überhaupt wieder etwas erleben kann. Nur die gemütliche Kaffeepause im Café fehlt“.

Ziemlich entspannt ging es am ersten Shopping-Samstag unter den neuen Corona-Bedingungen auf der Limbecker Straße zu.
Ziemlich entspannt ging es am ersten Shopping-Samstag unter den neuen Corona-Bedingungen auf der Limbecker Straße zu. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Problematischer sehen die beiden die Zeitvorgaben. Nur 15 Minuten Einkaufszeit – in manchen Läden müssen sich die Kunden beeilen. Denn wer ein Geschäft betreten möchte, muss seine Kontaktdaten hinterlegen und bekommt einen begrenzten Zeitrahmen. Je nach Geschäft reicht die Spanne von 15 Minuten bis zu vier Stunden.

Zeitvorgabe führt bei Kunden in Essen zu Stress

Dass das zu Stress beim Einkaufen führen kann, berichtet Jessica Evrard: „Man fühlt sich wie beim TV-Format Shopping-Queen: Man rennt in den Laden, schnappt sich ein paar Teile, probiert sie in Windeseile an, schaut an der Kasse hektisch auf die Uhr, weil man nur noch eine Minute zum Bezahlen hat.“ Doch es lohne sich, sagt sie mit glücklichem Blick auf ihre gefüllten Einkaufstüten – „und man hat den Laden fast für sich alleine“, fügt ihre Begleiterin Sophie Hartwig hinzu.

Nora Naheel und Adurrahman Elabdullah schlendern Arm in Arm durch die Innenstadt: „Es ist so schön, mal wieder ein bisschen bummeln zu gehen und Abwechslung zu haben“, sagen die beiden Oberhausener. Sie haben zwei Termine vorab vereinbart und besuchen danach noch einige Läden ohne Terminvergabe. Wenig begeistert ist dagegen Thomas Nurnus aus Bochum. Er findet es schön, dass es wieder mehr Leben in der Innenstadt gibt. Aber: „Ich habe keine Lust auf Terminshopping, das macht so ja keinen Spaß.“ So sieht das auch Huttroperin Romina Elouriachi: „Ich habe mir nur einen Termin ausgemacht, weil ich dringend Babydecken brauchte. Unter den aktuellen Auflagen verzichte ich lieber auf einen ausgiebigen Shoppingtag.“

Kleinere Schlangen bildeten sich nur vor einzelnen Läden in der Innenstadt

Nur vor einzelnen Läden bilden sich Schlangen von Kunden, die auf Einlass warten. Wie viele Personen gleichzeitig stöbern dürfen, hängt von der Größe des Geschäfts ab. Sofern die maximale Kundenanzahl nicht erreicht ist, bieten die meisten Einzelhändler aber auch spontanes Shopping an. Dabei muss vor Ort ein Kontaktformular ausgefüllt werden. Das Problem: Wer im Vorbeilaufen in einen Laden schaut, erkennt nicht auf Anhieb, ob dieser besucht ist.

Auch die Vertreter der Händler blicken mit gemischten Gefühlen auf die erste Woche der Lockerungen zurück. Großer Jubel herrsche nirgendwo, doch es gebe durchaus Branchen, die gut klarkämen. „Das absolute Aufatmen gibt es nicht, man muss sehen, wie sich das einspielt“, bleibt Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ruhr, skeptisch. Viele Kunden seien mit Blick auf die Infektionszahlen noch vorsichtig. „Einzig die Möbelbranche profitiert offenbar von ,Click and Meet’“, hat er erfahren. Kunden, die sich mit Termin zwei, drei Stunden im Möbelhaus aufhielten, seien in der Regel kaufwillig. Insgesamt sei der große Ansturm auf die Geschäfte ausgeblieben. Lange Schlangen habe er in den vergangenen Tagen in der Innenstadt nicht beobachtet, nur vor Woolworth habe er einige Wartende gesehen.

Die Notwendigkeit der Registrierung stößt bei vielen auf Unverständnis

Noch längst nicht alle Läden seien geöffnet. Geschäfte mit vorwiegend jüngeren Kunden setzten oft auf Online-Handel statt auf „Click and Meet“. Auch Parfümerien hätten ihr Online-Geschäft inzwischen deutlich ausgebaut. „Statt sich vor Ort drei oder fünf Parfüms aufsprühen zu lassen, läuft da inzwischen viel über Influencer und Social Media“, sagt Heistermann.

Auch stoße die Regelung, sich registrieren zu müssen, vielfach auf Unverständnis. „Die Leute sehen nicht ein, warum sie Lebensmittel ohne Registrierung kaufen können, aber in teils viel größeren Läden mit nur wenigen Besuchern ihre persönlichen Daten hinterlegen müssen“, so Heistermann. „Das ist auch nicht so richtig zu erklären, da stößt so mancher Ladenbesitzer an seine Grenzen“, ergänzt er in Richtung Politik.

Abgabe von Kontaktdaten ist Pflicht

Informationen zur Terminvergabe gibt es auf den Internetseiten der entsprechenden Händler oder per Telefon. Die meisten Einzelhändler bieten Online-Terminvergaben an.

Pflicht beim Betreten eines Geschäftes ist die Angabe der Kontaktdaten, um eine Rückverfolgbarkeit im Falle einer Corona-Infektion sicherzustellen.

Es werde mit zweierlei Maß gemessen, wenn zum Beispiel ein Schuhhändler nur mit aufwendigem Hygienekonzept für wenige Kunden öffnen dürfe, sich im Discounter die Leute aber an den Aktionstischen drängten. „Da fehlt es an einer klaren Linie. Es ist nicht verwunderlich, dass das zur Verärgerung bei Kunden wie Händlern führt“, sagt Marc Heistermann. Die aktuellen Öffnungsmöglichkeiten deckten vielfach nicht die Kosten. Trotzdem hätten bei einer Umfrage zuletzt über 90 Prozent der Geschäftsinhaber erklärt, mitmachen zu wollen, „einfach um zu zeigen, wir sind noch da“. Gerade große Läden mit hohen Fixkosten und hohem Personalbedarf bräuchten mehr Kunden, auch Laufkundschaft.

Im Einkaufszentrum Limbecker Platz hat die Hälfte der Mieter den Betrieb wieder aufgenommen

Im Einkaufszentrum Limbecker Platz haben laut Centermanagerin Alexandra Wagner 100 von 200 Geschäften den Betrieb wieder aufgenommen, davon würden etwa 50 den Einkauf nach vorheriger Terminabsprache anbieten. Die anderen, die geöffnet hätten, seien Friseure, Drogerien und Co. sowie gastronomische Betriebe, die Speisen zum Mitnehmen anböten. „Man kann nicht darauf bauen, dass man spontan nach dem Ausfüllen eines Formulars eingelassen wird, aber man kann Glück haben“, hat die Centermanagerin in den vergangenen Tagen beobachtet.

Kleinere Schlangen wie hier vor H&M an der Limbecker Straße bildeten sich nur vereinzelt.
Kleinere Schlangen wie hier vor H&M an der Limbecker Straße bildeten sich nur vereinzelt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Schlangen vor den Geschäften seien im Sinne des Infektionsschutzes nicht gewollt, es habe sie vereinzelt gegeben, sie seien aber von den Händlern gut gemanagt worden, so Alexandra Wagner. Die aktuelle Situation sei für Mietpartner und Kunden gleichermaßen schwierig. Etlichen Kunden sei nicht klar gewesen, dass sie einen Termin hätten buchen müssen. „Es ist vorgekommen, dass sich Leute angestellt haben und dann an der Tür abgewiesen wurden.“

Aktuelle Umsätze haben nichts mit Normalität zu tun

„Natürlich sind wir froh, dass zum Beispiel Buchhandel und Schreibwarengeschäfte wieder öffnen dürfen. Aber gerade für kleinere Läden bedeutet das ,Click and Meet’ großen Aufwand, so dass man die Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen muss.“ Die aktuellen Umsätze hätten nichts mit Normalität zu tun. „Deshalb hätten wir uns grundsätzlich mehr Lockerungen gewünscht und hoffen auch weiter darauf“, so die Centermanagerin.

Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, vermutet, dass die neuen Regelungen vielleicht Geschäften mit hochwertiger Ware nutzen, die mit Stammkunden Termine vereinbaren. „Ansonsten glaube ich, dass die Regelungen allenfalls helfen, Präsenz zu zeigen, damit die Kunden nicht komplett ins Internet abwandern.“ Bei Wintermode habe er in der vergangenen Woche extreme Rabatte beobachtet.