Essen. Die Fahrrad-Werkstätten in Essen können sich vor Reparatur-Aufträgen kaum retten. Wochenlange Wartezeiten sind normal. Doch es gibt noch Lücken.
Essener Radler, die ihr Fahrrad jetzt in einer Werkstatt frühlingsfit machen lassen wollen, müssen mit wochenlangen Wartezeiten rechnen – teilweise bis weit in den Monat Mai hinein. Seit einem Jahr erleben Fahrrad-Händler und -Werkstätten wegen Corona einen nie dagewesenen Ansturm. Während die Branche bundesweit von einem Umsatzplus von 17 bis 25 Prozent spricht, berichtet Einzelhändler Werner Zannoni vom Traditionsgeschäft „Hoff und Hartwig“ auf der Friedrich-Ebert-Straße am nördlichen Rand der Essener Innenstadt: „Neulich war ich komplett ausverkauft und hatte kein einziges Fahrrad mehr im Laden stehen.“ Er habe dann 60 Räder nachgeordert – bekommen habe er 15. Die Hersteller könnten derzeit nur mit deutlicher Verzögerung liefern.
Immerhin: Werkstatt-Termine hat das Geschäft, das seit 1928 in der nördlichen Innenstadt existiert, noch zu vergeben. „Wenn das Rad von uns ist, geht es schnell, sonst muss man ein paar Tage warten.“ Eine Woche Wartezeit bis zum Termin ist das Kürzeste, was man in Essen derzeit wohl ergattern kann.
Mehrere inhabergeführte Fahrradgeschäfte gibt es noch in der nördlichen Innenstadt
Überhaupt empfiehlt es sich, kleine Fahrradhändler nach einem Werkstatt-Termin zu fragen – die sind häufig flexibler als die großen Filial-Betriebe. In der nördlichen Innenstadt, rund um die Friedrich-Ebert-Straße, gibt es in Essen eine regelrechte Meile an inhabergeführten, alteingesessenen Rad-Fahrradgeschäften. Dazu zählt auch Stegemann am Viehofer Platz: „Wir sind bis Anfang April ausgebucht“, heißt es, „doch akute Fälle können wir innerhalb von 24 Stunden annehmen.“ Akute Fälle – das seien zum Beispiel „Platten oder andere Kleinigkeiten“.
Ähnlich verfährt das Geschäft „Tretobratze“, das gleich neben dem Einkaufszentrum Limbecker Platz liegt (Friedrich-Ebert-Straße 30): „Manchmal kommen Kunden ganz ohne Bremse, die Bremsbeläge total abgefahren, die lassen wir natürlich erst mit reparierter Bremse wieder gehen“ berichtet ein Mitarbeiter. Ansonsten sei der Terminkalender gefüllt bis Ende März.
Wer sein Rad einem Komplett-Check, also einer Inspektion, unterziehen will, muss deutlich länger warten: Vor Ende Mai geht nichts, heißt es bei „Lucky Bike“ (Frohnhauser Straße, neben Ikea), und selbst im inhabergeführten Fachhandel geht häufig nur noch wenig: „Bis 18. Mai ist alles reserviert“, sagt Michael Grochut, Auszubildender bei „Bergetappe“, einem Rad-Fachgeschäft in Kupferdreh.
Lieferschwierigkeiten selbst bei ganz normalen Zubehör-Produkten
Grundsätzlich haben die Fahrradgeschäfte derzeit wegen Corona geschlossen; Verkauf und Beratung nur nach Termin, doch die Lieferschwierigkeiten der Händler seien das derzeit viel größere Problem. „Ich habe neulich 50 Reifen bestellt, bekommen habe ich 15“, berichtet der „Bergetappe“-Mitarbeiter. Ganz normale 28-Zoll-Reifen der Firma Schwalbe. Doch auch die lassen längst in Fernost produzieren – und haben deshalb Lieferprobleme. Manche Händler empfehlen Kunden mittlerweile sogar, sich auf dem Gebraucht-Markt umzusehen.
Die E-Bikes würden übrigens die Wartezeiten auf einen Reparaturtermin verlängern: Sie haben durchschnittlich eine wesentlich längere Verweildauer in den Werkstätten als Räder ohne Elektromotor. „Jedes zweite Rad, das zu uns in die Inspektion kommt, ist ein E-Bike“, berichtet eine Mitarbeiterin des „Fahrradladens“ auf der Huyssenallee. Dort wartet man derzeit bis Mitte April auf einen Werkstatt-Termin; „im letzten Jahr war’s aber viel schlimmer.“
Die Fahrrad-Branche erlebt einen beispiellosen Boom, weil im ersten Corona-Jahr 2020 viele Kunden das Geld, das eigentlich für den Urlaub ausgegeben worden wäre, in ein Fahrrad investiert haben – nicht selten in ein hochwertiges E-Bike. „Solche Verkaufsschübe gab es zuletzt Ende der 1970er Jahre“, erinnert sich Werner Zannoni, „damals waren es die Rennräder. Jeder wollte eins haben und so fahren wie Didi Thurau.“
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