Essen. Die Kritik an der Massendatenabfrage wegen des Polizeiskandals nimmt zu. Völlig unbescholtene Bürger gerieten ins Visier, rügt die GdP in Essen.
Die von der polizeiinternen Spezialeinheit „Janus“ veranlasste Massendatenabfrage im Zusammenhang mit mutmaßlich rechten Netzwerken im Essener Polizeipräsidium gerät zunehmend in die Kritik. So hält Heiko Müller, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP in Essen und stellvertretender Landesvorsitzender, das Vorgehen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Janus für „sehr zweifelhaft“.
Die GdP-Kreisgruppe verweist auf Experten, die in der Massenabfrage sogar einen „Rechtsbruch“ sehen. Auch die SPD-Landtagsfraktion dringt in einer mündlichen Anfrage ans Innenministerium auf eine umfassende Aufklärung am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags.
Die aus Neutralitätsgründen bei der Bochumer Polizei angesiedelte BAO Janus will – wie berichtet – 12.750 Telefonnummern überprüfen, um herauszufinden, inwieweit beschuldigte Beamte des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim mutmaßliche Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen unterhalten. Der Wortlaut der Massendatenabfrage, die sich unter anderem an das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz richtet, liegt dieser Redaktion vor.
Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt aktuell gegen 25 Polizeibeamte
Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg gegen 25 Polizeibeamte und -beamtinnen, weil sie in Chatgruppen verfassungsfeindliche Inhalte – wie zum Beispiel Hitler-Fotos und Hakenkreuze – gepostet haben sollen.
Im Spannungsfeld zwischen Strafverfolgung/Gefahrenabwehr auf der einen und Datenschutz auf der anderen Seite sieht der Essener GdP-Chef in der umstrittenen Massendatenabfrage die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt. Auf Grund der außerordentlich hohen Zahl an zu überprüfenden Telefonkontakten gerieten zwangsläufig unverdächtige und völlig unbescholtene Personen ins Raster der Ermittler – „vom Friseur über den Bäcker bis hin zu Rechtsanwälten und Journalisten“. Völlig unklar sei, wie lange das erhobene Datenmaterial von fast 13.000 Bürgerinnen und Bürgern in den Datenbanken der Polizei gespeichert bleibe und wann es gelöscht werde.
BAO Janus hatte anfangs 100 Beamte
Aufgrund der Brisanz und der politischen Tragweite des Essen-Mülheimer Falles hat NRW-Innenminister Herbert Reul zwei Spezialkommissionen mit der Aufklärung beauftragt: die BAO Janus beim Polizeipräsidium Bochum und die BAO Extremismus beim Landesamt für Aus-, Fortbildung und Personal. Erstere kümmert sich allein um die strafrechtliche, letztere um die disziplinarrechtliche Seite.
Die BAO Janus war anfangs mit 100 Beamten besetzt, darunter auch Kräfte aus elf anderen Kreispolizeibehörden.
Janus war ein römischer Gott. Sein Doppelgesicht steht für die Dualität von Leben und Tod, Schöpfung und Zerstörung, Links und Rechts.
Der Landes-Datenschutzbeauftragte räumt ein, dass der Umfang der in Rede stehenden Daten erheblich sei. Andererseits betont das Landesamt für den Datenschutz (LDI): „Die Zulässigkeit richtet sich jedoch nach der Erforderlichkeit für die konkreten Ermittlungen, die im (ermittlungstaktischen) Ermessen der zuständigen Polizeibehörde liegt.“ Diese seien durch das LDI nur „eingeschränkt überprüfbar“. Die Daten „unbescholtener Bürger“ seien allerdings zu löschen, so das LDI, „wenn die Ermittlungsergebnisse keinen Anlass für die Speicherung mehr bieten“.
GdP-Chef: „Es gibt keine rechten Netzwerke im Polizeipräsidium“
Die Essener GdP stellt abermals in Abrede, dass im Polizeipräsidium rechte Netzwerke aktiv sind oder waren. Zu einzelnen Polizisten mit rechtsextremistischer Gesinnung hat Müller eine klare Haltung: „Wird ihnen das nachgewiesen, haben sie im Polizeidienst nichts zu suchen.“