Essen. Ab 2025 soll wieder eine oberirdische Trasse am Essener Hauptbahnhof vorbei führen. Die Ruhrbahn spricht von einer Renaissance der Straßenbahn.

Auf alten Schwarzweißfotos ist es zu sehen: ein Gewusel vor dem Essener Hauptbahnhof, wo sich Straßenbahn an Straßenbahn reiht. Zwar ohne die vielen Linien, aber doch ähnlich wie damals soll es bald wieder aussehen – ab dem Jahr 2025, wenn die „Citybahn“ in die Innenstadt zurückkehrt.

Die Rede ist von der geplanten oberirdischen Gleisstrecke, die von Steele kommend über Holle- und Hachestraße durch den Kruppgürtel bis nach Bergeborbeck führen wird. Für Essens Verkehrsdezernentin Simone Raskob ist es eines der wichtigsten Verkehrsprojekte der vergangenen Jahrzehnte. Ruhrbahn-Chef Michael Feller spricht sogar von einer Renaissance der Straßenbahn.

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Die Ruhrbahn hat hohe Erwartungen an die „Citybahn“. Erlaubt die neue Strecke dem Verkehrsbetrieb doch, das Tunnelsystem unter dem Hauptbahnhof zu entlasten. Das teilen sich drei U-Bahn- und zwei Straßenbahnlinie. Alle zwei Minuten rattert eine Bahn durch das Nadelöhr.

Das Liniennetz der Ruhrbahn wird mit dem Bau der „Citybahn“ neu sortiert

Eine Linie will die Ruhrbahn aus dem Untergrund holen: die Linie 105, die dann von Steele am Hauptbahnhof vorbei bis nach Frintrop fahren wird. Auf den verbliebenen Linien kann die Ruhrbahn zu Spitzenzeiten dann zusätzliche Bahnen einsetzen. Allen voran auf der stark frequentierten Linie 107 in Richtung Katernberg.

Das Liniennetz wird mit dem Bau der Citybahn neu sortiert. Dann fährt die 101 von Borbeck über den Kruppgürtel, den Berliner Platz und den Hauptbahnhof bis nach Rellinghausen. Die Linie 108 fährt von Bergeborbeck durch den Kruppgürtel am Hauptbahnhof vorbei bis zum Ruhrbahn-Betriebshof Stadtmitte.

Die Rückkehr der Straßenbahn an die Oberfläche ist in mehrfacher Hinsicht ein Perspektivwechsel. Als Tor zur Innenstadt soll der Hauptbahnhof zum zentralen Verkehrsknotenpunkt werden; in Zukunft halten die Straßenbahnen wieder direkt vor dem Haus der Technik an einem 75 Meter langen Bahnsteig – eine von elf Haltestellen entlang der 5,4 Kilometer langen Strecke. Acht davon werden neu gebaut.

Die Straßenbahnen rollen auf einer eigenen Gleistrasse, die Fahrt dauert 8,5 Minuten

Mit dem Bau der „Citybahn“ will die Stadt Essen den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr beschleunigen - 8,5 Minuten soll die Fahrt über die neue Strecke dauern. Die Straßenbahnen rollen dafür auf einer eigenen Gleistrasse. Nur auf der Hachestraße reicht der Platz dafür nicht aus, dort „schwimmen“ die Bahnen mit im Verkehr.

Nichtsdestotrotz wird die „Citybahn“ eine attraktive Alternative zur Fahrt mit dem Auto; davon sind die Planer überzeugt. Geht die Rechnung auf, macht die „Citybahn“ täglich 4000 Fahrten mit dem Auto überflüssig. Die Ruhrbahn kalkuliert mit 1,5 Millionen Fahrgästen pro Jahr. Der Anteil des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs würde von 19 Prozent auf 21 Prozent steigen. Die Stadt Essen käme ihrem selbstgesteckten Ziel einen großen Schritt näher: Im Jahr 2035 sollen die Essener 25 Prozent ihrer Wege mit Bus oder Bahn zurücklegen.

Das Stadtquartier „Essen 51“ wird direkt an den Hauptbahnhof angebunden

Eine direkte Verbindung zum Hauptbahnhof wird die „Citybahn“ allen voran den Bewohnern von „Essen 51“ im Kruppgürtel bieten, wo im Schatten des Fördergerüstes der ehemaligen Zeche Amalie rund 1500 neue Wohnungen entstehen sollen.

Die Verkehrsplaner denken bereits darüber hinaus. Auch das Stadion Essen und „Freiheit Emscher“, das Entwicklungsgebiet am Rhein-Herne-Kanal könnte an das Straßenbahnnetz angeschlossen werden. Eines schönen Tages könnte die Straßenbahn auch wieder bis nach Bottrop fahren. Darüber werden sie sich in Politik und Verwaltung bei der Aufstellung des neuen Nahverkehrsplanes Gedanken machen – nach 2025.

Die „Citybahn“ in Zahlen

Die Citybahn hat positive Effekte für die Umwelt. Die Ruhrbahn macht folgende Rechnung auf: Die Citybahn vermeidet pro Jahr 14.603 657 Pkw-Kilometer. Sie spart jedes Jahr 1285 Tonnen Treibhausgase ein. Durch die neue Straßenbahnlinie werden pro Jahr fünf Tonnen weniger Stickoxide produziert. Sie ersetzt zwei Gelenkbusse oder 141 Pkw.

Für den Bau der Citybahn werden Bäume gefällt und neue Bäume gepflanzt. Die Bilanz sieht laut Ruhrbahn so aus: An der Hollestraße müssen 41 Bäume weichen, davon werden 25 ersetzt. An der Hachestraße werden 27 Bäume gefällt und 29 Bäume gepflanzt. Entlang des dritten Bauabschnitts des Berthold-Beitz-Boulevards werden 115 Bäume gepflanzt. An der Haus-Berge-Straße müssen 62 Bäume weichen, 18 werden ersetzt.

Der Bau der Citybahn kostet einschließlich des Straßenbaus 94,5 Millionen Euro. Der Bund trägt 75 Prozent der Kosten, das Land NRW stockt den Anteil auf 95 Prozent auf. Die Stadt Essen muss 4,7 Millionen selbst tragen.

Die „Citybahn“ soll dann bereits fahren.

Natürlich ist das nicht zum Nulltarif zu haben. 94,5 Millionen Euro sind für den Bau veranschlagt – unter anderem für den dritten Bauabschnitt des Berthold-Beitz-Boulevards, über den die Straßenbahn fahren wird. Das 850 Meter lange Teilstück verbindet die Frohnhauser Straße mit der mit der Hans-Böckler-Straße (B 224), welche die Tram durch einen U-Tunnel unterqueren wird. Mitte des Jahres sollen die Bagger anrollen. Die „Citybahn“, sie kommt langsam näher.

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