Essen. Wenn eine Schule mehr Anmeldungen als freie Plätze hat, entscheidet im Zweifel das Los. Betroffene Essener Familien fühlen sich alleingelassen.
Einige Essener Gymnasien können viele Viertklässler, die sich fürs kommende Schuljahr angemeldet hatten, nicht aufnehmen. Die Absagen treffen die Familien ausgesprochen hart.
„Mit allem habe ich gerechnet, aber nicht damit“, sagt die Mutter eines Viertklässlers verzweifelt, der nicht wie geplant ans Maria-Wächtler-Gymnasium gehen kann. Die Schule – mit 179 Anmeldungen der diesjährige Spitzenreiter – musste 29 Kindern eine Absage erteilen. Die Schule darf nur fünf Klassen bilden zu je 30 Kindern, also insgesamt 150 Neue aufnehmen. Ähnlich ist das Bild am Gymnasium Werden (175 Anmeldungen für 150 Plätze) oder am Grashof Gymnasium in Bredeney (112 Anmeldungen für 90 Plätze).
Geschwisterkinder werden von Verlosung ausgenommen
Wie wird entschieden, welche Kinder an die Schule dürfen und welche nicht? Zunächst werden jene Kinder aufgenommen, die bereits einen großen Bruder oder eine große Schwester an der Schule haben. Dann - falls keine weiteren Auswahlkriterien herangezogen werden – wird ausgelost.
Eine Mutter, deren Kind das Los-Pech getroffen hat, entgegnet: „Das ist schon ein sehr dummes Gefühl, wenn es einen erwischt." Alle Freunde des Sohnes der Mutter hätten einen Platz an der Wunsch-Schule erhalten; die Wahl war wegen Corona und des Ausfalls der Tage der Offenen Tür ohnehin schwierig genug. „Wir wissen überhaupt nicht, was wir jetzt machen sollen.“
Stabile Trends bei den Anmeldungen
Bei den Anmeldungen der weiterführenden Schulen in Essen zeigte sich in diesem Jahr ein stabiler Trend: Fast jeder zweite Viertklässler in Essen wechselt im Sommer auf ein Gymnasium. Die Quote von 45,6 Prozent liegt ungefähr auf der Höhe der Vorjahre.
Rund ein Viertel der Viertklässler wechselt auf eine Gesamtschule, etwa 20 Prozent geht auf eine Realschule.
Die Eltern haben mittlerweile auch die schriftlichen Bescheide erhalten über die Absagen an den übervollen Gymnasien. Dem Schreiben der städtischen Schulverwaltung ist eine Liste angefügt mit Gymnasien, die noch Kapazitäten haben: zum Beispiel das Burggymnasium in der Innenstadt mit bislang 66 Anmeldungen (bei vier zu bildenden Klassen wären rechnerisch also noch 54 Plätze frei), Theodor Heuss in Kettwig (rein rechnerisch mit 35 freien Plätzen), Mädchen-Gymnasium Borbeck (62, Anmeldungen, also rechnerisch noch 28 Plätze frei).
Das Kind fühlt sich persönlich abgelehnt
„Man hat ja direkt Angst, dass das Kind irgendwohin verfrachtet wird“, sagt die Mutter. Doch die Stadt entgegnet: Es sei immer im Interesse aller Beteiligten, eine möglichst wohnortnahe Lösung zu finden.
Wieso dürfen Schulen, die erheblich mehr Anmeldungen haben als freie Plätze, nicht ausnahmsweise eine zusätzliche Klasse bilden? Diese Frage stellen alle betroffenen Eltern jetzt. Ein Elternpaar aus Haarzopf, dessen Sohn nicht an die Wunsch-Schule kann, hat sich in einem Brief an den Oberbürgermeister gewandt. „Unser Sohn ist am Boden zerstört“, schreibt die Mutter. „Er fühlte sich persönlich abgelehnt und verstand nicht, warum erbrachte Leistung nicht zur erwünschten Aufnahme führt. Mir als Mutter blutet das Herz, und es fällt mir schwer, Zuversicht zu versprühen.“
Klassen aufzustocken, ist nur in Ausnahmen möglich
Zwei Gymnasien dürfen im kommenden Schuljahr ausnahmsweise eine Klasse zusätzlich einrichten – also fünf statt normalerweise vier. Denn am Gymnasium Nord-Ost (154 Anmeldungen) und am Carl-Humann-Gymnasium (Steele) war der Unterschied zwischen Anmeldezahl und tatsächlich verfügbaren Plätzen am größten. „Solche Ausnahmen sind an vereinzelten Schulen möglich“, erklärt Andrea Schattberg, die Leiterin des städtischen Fachbereichs Schule.
Aber warum durfte zum Beispiel das Grashof in diesem Jahr wiederholt keine Zusatz-Klasse bilden, trotz hoher Anmeldezahlen? „Wir müssen gesamtstädtisch auf die Lage schauen“, sagt Andrea Schattberg. „Wir müssen darauf achten, dass die Schülerzahlen möglichst gleichmäßig verteilt sind.“ Das bedeutet: Die Stadt will eine Entwicklung, die zu einigen, wenigen Riesenschulen führt, während andere Schulen ihre wenigen Klassen kaum gefüllt bekommen, von vornherein unterbinden. „Hat eine Schule einmal ein niedriges Schülerzahlen-Niveau, ist es oft schwer, davon wieder herunterzukommen.“ Außerdem gibt die Verwaltungs-Chefin zu bedenken: Auch Gymnasien, die womöglich jetzt noch Raum-Kapazitäten haben, würden in wenigen Jahren sehr viel voller sein – das liegt am erhöhten Raumbedarf durch die Wiedereinführung der neunjährigen Schulzeit (G 9) an Gymnasien. Im Sommer kommt der vierte G 9-Jahrgang an die Gymnasien.
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