Essen. Erster Schultag nach zwei Monaten Distanzlernen: Lehrer unterrichten gleichzeitig in zwei Räumen, Kinder froh, Abiturienten skeptisch.

Erstmals seit rund zwei Monaten sind am Montag viele Essener Grundschüler und die höheren Jahrgänge der weiterführenden Schulen wieder in den Unterricht gegangen. Seit dem 22. Februar gilt der so genannte „Wechselunterricht“ – eine Mischung aus Präsenz- in den Klassen und Distanzunterricht übers Internet.

Angehende Abiturienten mit gemischten Gefühlen

„Willkommen zurück in deiner Schule!“ steht auf der Tafel der 4a der Grundschule am Wasserturm im Ostviertel.
„Willkommen zurück in deiner Schule!“ steht auf der Tafel der 4a der Grundschule am Wasserturm im Ostviertel. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Den Wiederbeginn des Unterrichts erleben viele Beteiligte als Erleichterung, doch es gibt auch kritische Stimmen. „Ich mach’ mir wirklich Sorgen um mein Abi“, sagt Joe (18), der aufs Helmholtz-Gymnasium (Rüttenscheid) geht und im Frühjahr seine Prüfungen ablegen wird. Es ist 11 Uhr am Montagvormittag, Joe sitzt auf einer Bank vor der Schule und berichtet von seinen ersten Stunden echten Unterrichts im Jahr 2021.

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Die Schulen teilen die Klassen in zwei Gruppen – am Helmholtz und an vielen anderen Schulen heißt das: Ein Kurs, zwei Räume. Der Lehrer springt hin und her. „Das kann es eigentlich auch nicht sein“, findet Joe. Wie solle man da eine gute mündliche Mitarbeitsnote abliefern können? „Das war auch schon bei Videokonferenzen das Problem“, pflichtet ihm ein Mitschüler bei, der neben ihm sitzt. „Kurz vorm Abi zählt die mündliche Mitarbeit viel.“ Da sei das Fehlen des richtigen Unterrichts ein Nachteil, weil die Videokonferenzen nicht immer technisch stabil gelaufen seien.

Abi-Prüfungen verschoben

Andere Schüler aus dem Abi-Jahrgang des Helmholtz-Gymnasiums stehen vor sehr speziellen Herausforderungen: Zum Beispiel jene mit Sport-Leistungskurs. „Wir konnten wochenlang nicht trainieren, die Hallen und Schwimmbäder sind zu“, sagen Julian (18) und Benjamin (17). Immerhin: Man kommt den Schülern entgegen, indem man das Niveau der körperlich zu erbringenden Leistungen etwas abgesenkt hat. „Ich finde schon, dass man in dieser Situation auf uns eingeht“, sagt Julian. „Gegenüber unserem Vorgänger-Jahrgang haben wir es da leichter, ich bin ziemlich zuversichtlich.“ Landesweit ist der Termin der Abi-Prüfungen bereits um einige Tage nach hinten geschoben worden – nach den Osterferien wird es also noch einige Tage Unterricht geben.

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An den Essener Grundschulen sind alle Kinder wieder im Unterricht – mit Wechselmodellen; in der Regel findet der Unterricht tageweise statt. „Das Stimmungsbild bei den Eltern ist sehr unterschiedlich“, sagt Hendrik Härtig, der Vorsitzende des Vereins „Eltern der Essener Schulen“, einem Gremium, das sich als stadtweite Schulpflegschaft versteht. „Alle sind erleichtert, dass es wieder losgeht, aber manche haben jetzt mehr Nachteile als vorher.“

Grundschulen mit Wechselmodellen

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Denn nicht alle Grundschulen, die den Unterricht wieder aufnehmen, können noch eine Notbetreuung im gleichen Umfang anbieten wie in den Wochen der kompletten Schulschließung. Die Notbetreuung war offen für alle Kinder, deren Eltern ein „Home Schooling“ nicht gewährleisten konnten.

Und das wurden in den letzten Wochen immer mehr: „Von unseren 195 Schülern sind 46 Kinder in der Notbetreuung“, berichtet Anke Seifert, Leiterin der Ardey-Grundschule in Rellinghausen. Grundsätzlich seien die Kinder „froh, dass sie wieder da sind.“

Der Unterrichtsbetrieb ist am Montag wieder aufgenommen worden – mit geteilten Klassen, von denen die eine Hälfte montags und mittwochs, die andere Hälfte dienstags und donnerstags kommt. „So wollten es auch die Eltern“, berichtet die Schulleiterin. „Was die Väter und Mütter auf keinen Fall wollten, war ein Wechsel der Wochentage.“ Was bei fünf Wochentagen nicht ganz einfach ist – an der Ardeyschule behilft man sich damit, dass der Freitag grundsätzlich den Schülern vorbehalten ist, die erkennbar erhöhten Förderbedarf haben.

Bislang nur wenige Diskussionen übers Abi

Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 kam an Gymnasien und Gesamtschulen die Diskussion auf, ob Abiturprüfungen gerechterweise nicht ausfallen sollten und zur Abi-Note allein die Leistungen bewertet werden sollten, die die Schüler ab dem Start des Jahrgangs Q1 erbringen.Diese Diskussion flammt in diesem Jahr bislang nicht auf – das liegt auch daran, dass viele Schulen im zweiten Lockdown wesentlich strukturierter vorgehen, die Leistung während des Distanzunterrichts voll auf die Zeugnisnote angerechnet wird und der Besuch von Videokonferenzen nicht mehr länger freiwillig – so wie im Frühjahr 2020 –, sondern Pflicht ist.