Essen. Schluss mit Lockdown: Bei den Friseuren stehen die Telefone nicht still. Der größte Friseurbetrieb Essens registrierte schon 900 Online-Buchungen

Die vorgezogenen Corona-Lockerungen fürs Friseur-Handwerk haben einen Ansturm auf die Essener Salons und Haarstudios ausgelöst. „Wir sind im März schon fast komplett ausgebucht“, sagt Leandro Morante. Der Familienbetrieb gilt als größtes Friseur-Unternehmen der Stadt. Bis Donnerstagmittag verzeichneten die Morantes schon 900 Online-Buchungen für ihre vier Filialen in Rüttenscheid, Bredeney und Werden. Die ersten Reservierungen habe es gleich nach der Ankündigung der Kanzlerin gegeben.

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Eine Familie – vier Geschäfte in Essen: (von links) Laura, Leandro, Cosima, Antonio und Luana Morante.
Eine Familie – vier Geschäfte in Essen: (von links) Laura, Leandro, Cosima, Antonio und Luana Morante. © Unbekannt | H.O.

„Wir öffnen sofort am 1. März“, sagt Leandro Morante, der 2007 der jüngste selbstständige Friseurmeister Deutschlands war. Auch die darauffolgenden Montage würden keine Ruhetage sein. Doch es bleibe bei den gewohnten Öffnungszeiten werktags von 9 bis 18.30 und samstags von 8 bis 14 Uhr.

Melina Petroglou vom „Georg P.“: „Ich bin froh, dass es endlich wieder losgeht“

„Ich bin froh, dass es endlich wieder los geht“, sagt Melina Petroglou. Der 1. März wird auch für ihr siebenköpfiges Team kein Ruhetag sein. Das „Georg P.“ in der Martin-Luther-Straße (Frohnhausen) werde am ersten Tag nach mehr als zehn Wochen hartem Lockdown schon eine Stunde früher öffnen. „Wir beginnen montags bis freitags um acht und samstags schon um sieben Uhr.“ Auch abends geht Melina Petroglou in die Verlängerung: montags bis donnerstags bis 20 Uhr, Freitag bis 21 und Samstag bis 20 Uhr. Drei bis vier Mitarbeiter werden im Wechsel den Schichtdienst an Schere, Fön und Lockenwickler versehen.

Um den Kundenansturm kanalisieren zu können, werden in den nächsten beiden Wochen jeweils Dienstag bis Freitag telefonische Reservierungen entgegengenommen. Das „Georg P.“ ist ein Familiengeschäft. Georgios Petroglou, ein gebürtiger Grieche, hat den Salon vor 29 Jahren gegründet und an seine Tochter Melina übergeben.

Obermeister der Friseur-Innung tadelt Politik für ausbleibende Überbrückungshilfen

Markus Bredenbröcker, der sein Friseurgeschäft im Klemensborn in Werden in dritter Generation betreibt, bekommt als Obermeister der Innung die Sorgen und Nöte der Branche hautnah zu spüren. In die Freude über das nahe Ende des Lockdowns mischt sich der Frust über ausbleibende Überbrückungshilfen. Etliche Essener Friseurbetriebe seien in ihrer Existenz bedroht. Das Dilemma: Kein Euro Einnahme seit Mitte Dezember, Kurzarbeitergeld nicht ausgezahlt, ausbleibende Überbrückungshilfe - auf der anderen Seite seien Mieten, Versicherungen und andere Fixkosten fällig. Für den Innungs-Obermeister ein „unhaltbarer Zustand“. Bredenbröcker: „Heute hatte ich eine Kollegin am Telefon, die bitterlich geweint hat.“

Im Gegensatz zu vielen Kollegen legt der Werdener Friseurmeister eine demonstrative Gelassenheit an den Tag. Bredenbröcker wird sein Geschäft am Dienstag, 2. März, öffnen und die gewohnten Zeiten beibehalten. Reservierungen nimmt er telefonisch entgegen. „Aber ich rufe Stammkunden auch gezielt an.“ Zwischenstand: Die ersten drei März-Wochen seie so gut wie ausgebucht.

Wie die meisten wird auch Jürgen Preylowski seinen Salon gleich am 1. März öffnen

Seit dem vergangenen Herbst besitzt Jürgen Preylowski (73) aus Kupferdreh den Goldenen Meisterbrief. Wohl kein Friseur in Essen hat so viele Dienstjahre auf dem Buckel wie er. „Als ich die Lehre begann, war ich dreizehn.“ Am Donnerstagmorgen stand das Telefon nicht still. „Die Leute wollen nicht mehr mit ihrer Frisur rumlaufen.“ Sein Geschäft auf der Kupferdreher Straße, das er zusammen mit seiner Frau betreibt, werde gleich am 1. März öffnen, Überstunden bis in den späten Abend seien unvermeidlich. Auch Preylowski ist verbittert über die Folgen der Corona-Politik. Weil die Dezember- und Januarhilfe ausbleibe, sei er gezwungen, das Ersparte ins Geschäft zu stecken.

Harald Buscher von der Kreishandwerkerschaft Essen betreut 154 Innungsbetriebe in Essen. Er weiß um die starke Kundenbindung und den hohen Anteil von Stammkunden. Den Kunden zuliebe hätten die Friseurbetriebe Mitte Dezember Extraschichten zum Teil bis Mitternacht eingelegt, um ihnen rechtzeitig zum Weihnachtsfest ein schickes Aussehen zu verleihen. Die Kehrseite: Wer im Dezember rangeklotzt habe, komme für diesen Monat nicht mal in den Genuss der Überbrückungshilfe III. Auf die habe nur der Anspruch, der mindestens 30 Prozent Umsatzeinbußen nachweisen könne. Buscher: „Etliche haben sich ins eigene Fleisch geschnitten.“

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