Essen. “Manchmal hat's mit Zucker nichts zu tun“, heißt das Buch der Essener Ärztin Katja Schaaf. Sie will Eltern helfen, deren Kinder Diabetes haben.

Katja Schaaf ist Kinderärztin am Elisabeth-Krankenhaus und neuerdings Autorin: "Manchmal hat's mit Zucker nichts zu tun" heißt das Buch, mit dem sie sich an Eltern wendet, deren Kinder Diabetes haben. Die überwachen ständig ihren Blutzucker, befassen sich täglich mit Insulin und Kohlehydraten. Darüber würden leider andere Aspekte des Lebens vernachlässigt, sagt Schaaf und zählt auf: "Gefühle, Stress, Sport, das erste Verliebtsein". All das will sie mit ihren Patienten in den Blick nehmen und mit ihrem Buch gleichzeitig "ein Plädoyer für einen gelassenen Umgang mit Blutzuckerwerten" liefern.

Manche Kinder kommen mit Blaulicht auf die Intensivstation

Aus ihrer Praxis in der Kinderdiabetologie des Krankenhauses weiß Katja Schaaf (vielen noch als Katja Konrad bekannt) natürlich, dass Gelassenheit den meisten Eltern mit der Diagnose für lange Zeit gründlich abhanden kommt. Diabetes Mellitus Typ 1 ist eine Stoffwechselstörung, die häufig im Grundschulalter oder der frühen Pubertät auftritt. Manche Kinder werden mit Blaulicht auf der Intensivstation eingeliefert, bei anderen wird der Diabetes als Zufallsbefund bei einem Arztbesuch festgestellt. Auch dann ist die Nachricht ein Schock - und stellt das Leben der Familien auf den Kopf.

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"Viele Eltern plagen Schuldgefühle, denen müssen wir erstmal klar machen, dass sie nichts falsch gemacht haben", sagt die 45 Jahre alte Oberärztin. Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, die zur Folge hat, dass der Körper kein oder zu wenig Insulin herstellt. Mit falscher Ernährung habe diese Diabetes-Form nichts zu tun: "Man hat es oder man hat es nicht." Trotzdem müssen sich Eltern und Kinder immer wieder Kommentare über ihr angeblich ungesundes Essverhalten anhören.

Anzeichen für Diabetes Typ 1 ist oft ein auffälliger Gewichtsverlust; dazu große Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Auch wenn das Kind extremen Durst hat und häufig zur Toilette muss, sind das Hinweise. Manche Betroffene werden ohnmächtig, fallen ins Koma. "Gerade bei kleinen Kindern haben die Eltern enorme Ängste, trauen sich nicht, das Kind mal zu Oma oder in die Kita zu geben. Viele Mütter geben ihren Job auf und kümmern sich rund um die Uhr um das Kind." Täglich muss Insulin gespritzt werden, ständig die Blutzuckerwerte kontrolliert werden, um eine Über- oder Unterzuckerung zu vermeiden. Die Belastung ist groß, Geschwisterkinder fühlen sich vernachlässigt.

"Mama, frag nicht immer nach dem Zucker"

Gleichzeitig ist vor allem Teenagern die fürsorgliche Belagerung durch ihre Eltern alles andere als willkommen: Sie nabeln sich gerade ab, entdecken eigene Welten - und fühlen sich durch den Diabetes ausgebremst. "Die Jugendlichen haben einfach keinen Bock darauf - und das müssen sie auch mal sagen dürfen." Die Ärztin kann ihnen die lebenslange Therapie nicht ersparen, aber sie versteht, wie belastend die stete Kontrolle ist. Manche klagen: "Mama, Du fragst immer nach dem Zucker. Frag doch mal, wie die Mathearbeit gelaufen ist."

Katja Schaaf vermittelt den Jugendlichen, warum ihre Eltern sie "so nerven". Und sie erklärt den Eltern, dass es viele Faktoren gibt, die sich auf die Glukosewerte auswirken: etwa das Wachstum des Kindes, die Pubertät, besondere Freude oder Belastungen. "Oder der Jugendliche ist einfach verliebt." So wichtig es sei, die Werte zu kontrollieren, so wichtig sei es zu akzeptieren, "dass nicht immer alles 100 Prozent perfekt sein kann".

Nur Lügen akzeptiert die Ärztin nicht

Einmal jährlich gehen die jungen Patienten zum großen Check-up, alle drei Monate zur Routinekontrolle. "In manchen Phasen müssen sie auch alle zwei Wochen kommen. So lange, bis es schlimmer ist, mich ständig zu sehen, als sich um den Diabetes zu kümmern", sagt Katja Schaaf. Die Unlust, die Sorgen, die Wut ihrer Patienten hört sich die Ärztin an, nur Lügen akzeptiert sie nicht: "Ich muss wissen, was los ist."

Mit ihrem Buch wolle sie etwas mehr Ruhe ins System bringen: Weg von zu hohen Ansprüchen, Selbstvorwürfen und schlaflosen Nächten. Ein Kind mit Diabetes müsse zwar den Blutzucker im Auge behalten - könne im Prinzip aber alles machen, was Altersgenossen auch machen.

+++ Ein Name, zwei Krankheiten: Diabetes Typ 1 und Typ 2 +++

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ist eine Stoffwechselstörung, bei der es zu erhöhten Blutzuckerwerten kommt, weil die Patienten zu wenig Insulin produzieren und/oder die Insulinwirkung vermindert ist.

Typ-1-Diabetes tritt meist im Kindes-/Jugendalter auf: Bei dieser Erkrankung werden die ß-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört, die für die Insulinproduktion verantwortlich sind. Die Krankheit ist nicht heilbar, Patienten müssen lebenslang Insulin spritzen.

Über 90 Prozent der Diabetiker in Deutschland haben Typ-2 ("Altersdiabetes"). Er wird - neben einer erblichen Veranlagung - vor allem durch Übergewicht und Bewegungsmangel verursacht. Zur Therapie gehören daher regelmäßige Bewegung, angepasste Ernährung und ein normales Körpergewicht.

>> Katja Schaaf: Manchmal hat's mit Zucker nichts zu tun. 72 Seiten, 12,99 Euro

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