Essen-Karnap. Die Stadtwerke bauen ein Drainagesystem in Essen Karnap. Währenddessen traten Schäden an Häusern auf. Ein Gutachter bezweifelt Zusammenhänge.
Hauseigentümer in Essen-Karnap hatten vor einigen Jahren über nasse Keller geklagt. Der Grund: Der Bergbau hat zu einer Absenkung des Stadtteils geführt und somit zu einem erhöhten Grundwasserspiegel. Seit 2018 lassen die Stadtwerke ein Drainagesystem bauen, um das Problem zu beheben. Während der Bauarbeiten traten jedoch Schäden an angrenzenden Wohnhäusern auf. Ein von den Stadtwerken beauftragter Gutachter kommt jetzt zu dem Schluss, dass es keinen Zusammenhang zu der Baustelle geben kann. Der Fall liegt mittlerweile beim Anwalt.
Nach Bauarbeiten zeigten sich Risse an Essener Häusern
Blerton Shala wohnt in einem Haus In der Vogelwiesche direkt an der Emscher. Fünf Jahre lang steckte der Familienvater viel Schweiß und Nerven in den Ausbau seines Eigenheims aus dem Jahr 1927. Den Keller konnte er nicht ausbauen, der war feucht. Deswegen freute sich der Essener auch eigentlich über die Baumaßnahme der Stadtwerke. Schließlich rückten die Bauarbeiter an, um das Drainagesystem zu legen. "Danach zeigten sich Risse in allen erdenklichen Wänden und die werden immer größer", erklärt Shala wütend. Das Haus sei seine Existenz, das Gutachten eine Frechheit.
Diese Meinung vertreten auch andere Hauseigentümer, die ähnliche Probleme haben. "Bei uns ist die komplette Siedlung betroffen", so Shala. Etwas weiter östlich, in der Straße Lünschermannborn, ist an einem Haus die komplette Eingangstreppe abgesackt, auch Eigentümer aus der Hattramstraße klagen über Schäden.
Ortsvereinsvorsitzender vertritt 30 Hauseigentümer
Blerton Shala beschuldigt den Gutachter, sich die Schäden gar nicht richtig angeschaut zu haben: "Der Gutachter schreibt Dinge, die nicht richtig sind." In die gleiche Kerbe schlägt Martin Schwamborn, SPD-Ortsvereinsvorsitzender aus Karnap. Rund 30 Hausbesitzer haben sich ihn gewandt. Ihre Bitte: Er möge sie bei der Durchsetzung ihrer Schadensregulierung gegenüber den Stadtwerken unterstützen. Viele berichten über beschädigte Decken und Wände. "Hier geht es um die Existenzen vieler Bürger", betont Schwamborn. Er weiß, dass viele die Schäden nicht in Eigenleistung beheben könnten.
Die Hauseigentümer fordern, dass die Stadtwerke den Schaden entweder beseitigen oder eine entsprechende Schadensumme geltend machen. Rechtsanwalt Christian Reiff vertritt mittlerweile vier Hauseigentümer und weiß, dass die Stadtwerke in einem Fall bereits eine Teilzahlung von "ein paar hundert Euro" angeboten haben, allerdings mit der Bedingung, dass der Eigentümer auf alle Anspruchsrechte in der Zukunft verzichtet. "Das kommt für mich nicht in Frage", so Shala.
Er ärgert sich, dass sich das Verfahren so lange hinzieht, weil ihm in der Zwischenzeit die Hände gebunden sind. "Wir wollten die Räume jetzt so umbauen, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat", so der 34-Jährige. Das ginge aufgrund der ungeklärten Situation aber nicht. "Stattdessen bröckelt der Putz mittlerweile von den Wänden."
Rechtsanwalt bemängelt Gutachten der Stadtwerke
Laut Christian Reiff seien die vorliegenden Gutachten eher eine Bestandsaufnahme. "Sie haben wenig bis keine Aussagekraft", so Reiff. Es sei lediglich kurz und konturenlos festgestellt, dass die Schäden nicht im Zusammenhang mit der Baustelle stehen. Es fehle jedoch jegliche Begründung. "Das ist nicht die Erwartung, die man an ein Gutachten haben kann."
Der Rechtsanwalt hat jetzt ein Schreiben an die Stadtwerke gerichtet und erklärt, dass die Gutachten aus seiner Sicht wenig Substanz haben und er bittet die Stadtwerke, die Schäden anzuerkennen.
Stadtwerke wollen jeden Einzelfall prüfen
Seitens der Stadtwerke heißt es, dass die Schäden ernst genommen werden. "Es hätte uns gefreut, wenn wir alle hätten zufrieden stellen können", erklärt Dirk Pomplun, Sprecher der Stadtwerke und ergänzt, dass die Gutachter Fachleute seien und keine Gefälligkeitsgutachten ausstellen würden.
Pomplun betont, dass hunderte Häuser entlang der neuen Drainage stehen und die meisten Eigentümer "froh und glücklich sind, dass ihre Keller wieder trocken sind". Diejenigen, die nicht zufrieden sind, werden sich wohl irgendwann vor Gericht wiederfinden.
Fall wird vermutlich vor Gericht landen
Auch Christian Reiff vermutet, dass Hauseigentümer und Stadtwerke-Vertreter sich letztendlich vor Gericht treffen werden. Das Gericht müsste dann noch einmal einen Gutachter beauftragen und jeder Hauseigentümer müsste einzeln klagen, da es sich um unterschiedliche Schäden handelt. "Auffällig ist aber, dass sie alle im Bereich der Baumaßnahme aufgetreten sind", erklärt Reiff, der sich auf ein jahrelanges Prozedere einstellt.
<<<<<<<
Zur Sache:
Karnap ist betroffen vom ehemaligen Bergbau, der den Stadtteil abgesenkt hat. Damit ist der Stadtteil ein klassisches Poldergebiet: Der Wasserspiegel des in der Nähe liegenden Gewässers - in diesem Fall die Emscher - liegt höher als das Bodenniveau. So kommt es in diesen Gebieten häufiger zu Überflutungen.
Auch in Teilen von Karnap kommt es immer wieder zu überfluteten Kellern der Anwohner. Dem soll Abhilfe geschaffen werden, indem ein Ersatzsystem gebaut wird, das das Wasser in Zukunft auffängt und ableitet. Dafür wurden auch zwei Pumpwerke und ein Auslaufbecken gebaut. Die Drainageleitungen nehmen das Fremdwasser auf und befördern es bis zur Pumpstation. Von dort aus wird es die Emscher abgeleitet.
Das "Ersatzsystem Essen Karnap" wird als ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Essen, der Ruhrkohle, der Emschergenossenschaft und der Stadtwerke Essen umgesetzt. Als Eigentümer und Betreiber des Abwassernetzes haben die Stadtwerke Essen die Aufgabe, Fremdwasser aus den Abwasserkanälen fernzuhalten. Somit übernehmen sie bei dem Projekt die ausführende Funktion und sind für den Bau und den Betrieb des Ersatzsystems zuständig.
Der erste Bauabschnitt in Karnap Ost wurden im Juli 2019 abgeschlossen. Die Messergebnisse haben gezeigt, dass sich der Grundwasserspiegel um 50 Zentimeter bis ein Meter abgesenkt hat. Laut der Stadtwerke gehen die derzeitigen Planungen davon aus, dass die Bauarbeiten bis zum Sommer 2022 abgeschlossen sind.