Essen. . Die Stadtwerke bauen im Norden an einem einzigartigen Drainage-System, das den Stadtteil vor dem steigenden Grundwasserspiegel schützen soll.

Das Ende der Karnaper Feuchtgebiete naht: Im östlichen Teil, entlang der Lohwiese, rund um die Ahnewinkelstraße und den Mühlen-emscherweg an der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen-Horst, wollen die Stadtwerke in der zweiten Hälfte dieses Jahres ein bundesweit einzigartiges Drainage-System ans Netz nehmen, damit es entwässernd auf die Kelleretagen der betroffenen Wohnhäuser wirkt.

„Wir gehen davon aus, dass bereits nach sechs Monaten eine spürbare Besserung eintreten wird, nach zwölf Monaten sollten die Keller trocken sein“, zeigt sich Stadtwerke-Bauleiter Boris Keppel optimistisch. Rund sechs Kilometer Rohre sind dann verlegt, rund 4,5 Millionen Euro dürften dann im Karnaper Mergel in zwei Jahren versenkt sein. Doch das dicke Ende kommt noch.

Europaweite Ausschreibung für die Bauarbeiten

Zurzeit läuft die europaweite Ausschreibung für den zweiten Teil des Drainage-Systems im Karnaper Westen, entlang der Hattramstraße und zwischen Vogelwiesche und Arenbergstraße, das flächenmäßig deutlich umfassender in das Grundwasser eingreifen wird. Die Problemlage ist auch hier bekannt: Der Bergbau ließ den Stadtteil im Laufe der Jahrzehnte bis zu 17 Meter an Höhe verlieren, gleichzeitig sorgten steigende Niederschlagsmengen in der Emscherzone für immer höhere Grundwasser-Spiegel.

Die Prognosen der Emschergenossenschaft lassen wenig Hoffnung: Die zu erwartenden Regenmengen dürften eher noch mehr Keller in Feuchträume verwandeln. Bislang schätzt man, dass in ganz Karnap um die 100 Häuser betroffen sind.

Drainage-System in sechs Metern Tiefe

Das Drainage-System soll in sechs Metern Tiefe das Grundwasser aufnehmen und den Pegel kontrolliert absenken, damit keine gefährlichen Hohlräume unter

Das Baugebiet in Karnap.
Das Baugebiet in Karnap. © DENISE OHMS

den Gebäuden entstehen. Pumpwerke leiten das Nass dann zur Emscher. Spezialisten der Emscher-Wassertechnik überwachen Projekt und Verfahren, halten das Grundwasser und die Drainage ständig im Auge.

RAG und Stadt hatten sich 2013 nach langem Ringen auf das Pilotprojekt verständigt – doch die unerwartete Weigerung vieler Hausbesitzer, der Baufirma den Zutritt zu ihren Vorgärten zu gestatten, hatte den Baustart zuletzt erheblich verzögert. Die Pläne mussten neu geschrieben werden. Nun allerdings wollen die Stadtwerke Mitte dieses Jahres starten.

Dreieinhalb Jahre an Bauzeit

Dreieinhalb Jahre an Bauzeit haben die Ingenieure kalkuliert, weil hier deutlich mehr Rohrmeter unterirdisch, an zahlreichen Grundstücken vorbei, „vorgepresst“ werden müssen und natürlich die engen Straßen und die vielen Versorgungsleitungen im Boden kein Drauflosbaggern zulassen: „Wir werden uns da ganz vorsichtig vortasten“, sagt Keppel, der mit einem gesunden Misstrauen auf die Pläne anderer Versorger blickt.

Natürlich sei eine derart lange Bauzeit eine Belastung für die Bewohner, „das lässt sich bei aller Planung nicht vermeiden“, sagt Stadtwerke-Sprecher Dirk Pomplun. „Ich kann auch jeden verstehen, der sich über die Baustellen aufregt. Aber am Ende werden von dem Drainage-System alle profitieren und wir werden natürlich anschließend Bürgersteige und Straßen komplett saniert zurückgeben.“

Karnap kein Präzedenzfall

Das Verfahren hat seinen Preis: Mit drei bis vier Millionen wird man in Karnap West kaum auskommen, die einst zwischen RAG und Stadt vereinbarten 7,8 Millionen Euro dürften nicht zu halten sein. Gerade die Kosten waren es aber, die lange Zeit einer Einigung zwischen Stadt und RAG im Wege standen. Und so wird man auf Zollverein nicht müde darauf zu verweisen, dass es sich in Karnap keineswegs um einen Präzedenzfall handelt.

Denn der Preis für die Entwässerung aller Feuchtgebiete im Emscherbruch dürfte nach vorsichtiger Schätzung von Experten durchaus die Milliardengrenze erreichen. Nahezu alle Städte entlang der Emscher klagen über hohe Grundwasserstände. Bereits in Altenessen gebe es in Essen die nächsten Problemzonen, wissen sie auch bei den Stadtwerken, die von einem „ausgesprochen intensiven Interesse“ der Stadtwerke-Kollegen in den nördlichen Nachbarstädten berichten: „Wir sind sicher nicht die ersten, die ein Drainage-System verlegen, aber die ersten, die dies in engen Wohnquartieren umzusetzen.“