Essen. Neue Einrichtung soll Schüler unabhängig von der Bildungsherkunft erreichen und Talente fördern. Standort ist die Zeche Carl in Altenessen.
An schlechten Nachrichten aus dem Essener Norden hat es zuletzt nicht gemangelt. Das Aus für zwei Kliniken, die heftig aufgeflammte Debatte um Sicherheit und Aufenthaltsqualität im Stadtteil Altenessen und nicht zuletzt die gewalttätige Randale in der Silvesternacht haben für stadtweite Aufmerksamkeit gesorgt. Nun aber gibt es auch eine gute Nachricht aus Altenessen. Im Essener Norden soll eine Junior-Universität entstehen. Als Standort ist die Altenessener Zeche Carl vorgesehen. Einen entsprechenden "Letter of Intent" hat Oberbürgermeister Thomas Kufen am Dienstag gemeinsam mit mehreren Partnern unterzeichnet. Schon nach den Sommerferien sollen die ersten Kurse beginnen.
Junge Talente entdecken und mehr Bildungschancen ermöglichen
Zu den Unterstützern des von Kufen angestoßenen Projekts gehören neben Bildungsträgern wie der Universität Duisburg-Essen oder dem Verein zur Förderung der Zusammenarbeit von Schulen und Wissenschaft e.V. (SWE) auch die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, die Regionalagentur MEO, der Haus der Technik e.V. sowie die Westenergie AG. Als Essener Unternehmen wolle man dafür sorgen, "dass allen Kindern ein breiter Zugang zu Bildung ermöglicht wird. Sie sollen Freude und Begeisterung am Lernen und Forschen erleben", sagt Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie: "Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir die Junior-Universität an den Start bringen und begleiten.“
Auch die Auf Carl gemeinnützige GmbH als geplanter Standort ist Unterzeichner der Vereinbarung. Dort warten immer noch einige Gebäude des denkmalgeschützten Ensembles auf eine neue Nutzung. Sie könnten künftig für die Junior-Uni bereitgestellt werden, um "junge Talente zu entdecken, bestmöglich zu fördern und ihnen mehr Bildungschancen zu ermöglichen", wie es in der Absichtserklärung heißt.
Ein wichtiges Zukunftsprojekt, um den Essener Norden nach vorne zu bringen
Für den neuen Zeche Carl-Geschäftsführer Marcus Kalbitzer ist die Junior-Uni nicht nur ein wichtiges Zukunftsprojekt, um den Essener Norden "nach vorne zu bringen", sondern auch ein "Schlüssel zur weiteren Entwicklung des Ensembles". Parallel zur Junior Uni-Planung sind dort bereits Prozesse zur weiteren Gebäudeentwicklung angelaufen. Im Gespräch war zuletzt die Einrichtung einer neuen Stadtteilbibliothek im historischen Malkowturm. Die Projekte würden sich perfekt ergänzen.
Für die Anfangsphase der Kinder-Uni, so Kalbitzer, könnten Seminarräume der Zeche Carl genutzt werden. Soziales Engagement, außerschulische Bildung, Talentförderung und Stadtteilarbeit, das gehöre schließlich zum Markenkern des Soziokulturellen Zentrums, so Kalbitzer. Die Junior-Uni könnte die Zeche Carl "als Herz des Stadtteils" wieder neu zum Pochen bringen.
Die 2008 gegründete Wuppertaler Junior-Uni gilt als Vorbild
Um sich vorzustellen, wie so ein Bildungs-Projekt konkret aussehen könnte, lohnt ein Blick ins Bergische Land. An der Wuppertaler Junior-Uni hat sich die Essener Delegation schon umgeschaut. "Wir freuen uns, wenn es Städte gibt, die das Konzept übernehmen", sagt Ariane Staab, Geschäftsführerin der Junior-Uni, die als erste Einrichtung ihrer Art 2008 an den Start gegangen ist. Seither hat die privat finanzierte und gemeinnützige Einrichtung schon 75.000 Kursplätze an vier- bis 20-jährige Studenten vergeben. In Physik, Maschinenbau und Informatik, aber auch in Wikinger-Geschichte und Lego Pneumatik.
Mittlerweile, so Staab, sorgen rund 150 Honorardozenten für ein breit gefächertes Bildungsangebot, das Kinder und Jugendliche aus allen Bildungsschichten abholt. Dabei gibt es weder Noten noch einen Aufnahmetest. "Jeder darf sich gegen eine kleine Kursgebühr ausprobieren!", sagt Staab, "das Geld soll keine Hürde sein". Das Nachfrage nach Kursen seit regelmäßig weit höher als das Angebot.
Die Junior-Uni soll schon bestehende Angebote in Essen verzahnen
Angefangen hat man in Wuppertal vor zwölf Jahren dabei eher provisorisch mit fünf Seminarräumen und 20 Kursen in einem alten Fabrikgebäude. Schnell aber habe man das Potenzial erkannt, sagt Staab, bereits fünf Jahre später hat die Junior-Uni einen eigenen Campus bezogen. Die Liste der Spender und Stiftungen, die das von Prof. Ernst-Andreas Ziegler initiierte Projekt seither unterstützen, ist lang. Neben dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit sehen viele fördernden Unternehmen auch die Möglichkeit, frühzeitig gegen den zu erwartenden Fachkräftemangel anzugehen.
Auch in Essen dürfte man auf einen ähnlichen Effekt hoffen. Noch gibt es keine konkreten Angaben zur finanziellen und personellen Ausgestaltung der Essener Junior-Universität. Gedacht ist sie jedenfalls als "zusätzliches Bildungsnetzwerk". "Die Junior-Universität soll eine sinnvolle Ergänzung und Verzahnung der verschiedenen, bereits bestehenden Angebote in Essen sein", heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Angeboten werden Kurse zum Experimentieren und Forschen
Dabei sollen Kindern und Jugendlichen – unabhängig von ihrem Bildungshintergrund – ganzjährig Kurse zum Experimentieren und Forschen angeboten werden und damit zum lebenslangen Lernen mit Freude begeistern, heißt es in der getroffenen Vereinbarung. In der Startphase sollen inhaltliche Schwerpunkte auf Mathematik und Informatik, Technik- und Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Geschichte und Kultur gelegt werden.