Essen. Die Zahl der Grundschul-Anmeldungen erreicht neue Höchstwerte. Mit provisorischen Gebäuden versucht die Stadt Essen, neuen Platz zu schaffen.
Die bestehende Raumnot in den Essener Grundschulen wird im kommenden Schuljahr noch größer. Die Zahl der Anmeldungen von künftigen Erstklässlern liegt mit mehr als 5500 Kindern auf einem neuen Rekord-Wert. Die Folge: Die Stadt muss weitere Container, Fertigbauten und Pavillons als provisorische Klassenzimmer auf die Schulhöfe stellen, und viele Grundschulen mussten Kinder abweisen. Diese Jungen und Mädchen werden auf andere Grundschulen umverteilt.
"Mir tut es persönlich für jedes Kind leid, das wir nicht nehmen können", sagt Dorothee Auge, die Leiterin der Grundschule Bedingrade. Im Herbst sind 87 Kinder an der Schule angemeldet worden, etwa 30 von ihnen muss sie abweisen. Ähnlich hoch ist die Zahl der Ablehnungen an der Bischof-von-Ketteler-Grundschule im Stadtteil Bochold. Die Herderschule in Frohnhausen musste rund 15 Kinder, die Bardelebenschule in Holsterhausen ebenfalls. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen.
"Wir sind sehr enttäuscht, weil unsere Tochter zumindest am Anfang nicht allein zur Schule laufen kann", sagt eine Mutter, deren Tochter in Bedingrade abgelehnt wurde. Denn jetzt kommen Schulen in Frage, die weiter entfernt sind. Besonders bedrückt ist die Mutter, weil der ältere Sohn (3. Klasse) schon in Bedingrade zur Schule geht - und seine Schwester trotzdem abgewiesen wurde.
"Mir sind die Hände gebunden", sagt die Schulleiterin. Tatsächlich ist die Entfernung vom Wohnort das wichtigste Kriterium, das Schulen bei den Anmeldungen berücksichtigen müssen. Erst danach kommt das Kriterium "Geschwisterkind"; bei konfessionell ausgerichteten Schulen stellt sich außerdem noch die Frage der Taufe.
Auch nach Ablehnung: Grundschulplatz soll möglichst nah am Wohnort sein
"Auch nach einer Ablehnung erhält jedes Kind so wohnortnah wie möglich einen Platz", betont Jasmin Trilling, Sprecherin der Essener Stadtverwaltung. Könne ein Kind aus Platzgründen die Wunsch-Schule nicht besuchen, werde in den umliegenden Schulen gesucht. Die Stadt Essen ist rechtlich dazu verpflichtet, ausreichend Schulplätze für alle Kinder der Stadt zu schaffen.
Die endgültige Zahl der künftigen Erstklässler steht noch nicht fest, denn es werden immer noch Kinder nachgemeldet. Zuletzt war die Zahl der stadtweiten Anmeldungen vor 17 Jahren annähernd so hoch wie heute - nur: da gab es noch 22 Grundschulen mehr als jetzt. Weil zwischendurch die Zahl der Neugeborenen massiv zurückging, wurden Standorte geschlossen oder Schulen zusammengelegt. Seit die Geburtenzahlen wieder steigen, versucht die Stadt, mit Aus-, An- und Erweiterungsbauten das Problem zu lösen - doch sie kommt kaum nach. Die Mutter in Bedingrade, deren Tochter abgelehnt wurde, kann das kaum verstehen: "Man muss doch so etwas rechtzeitig planen können."
Bald ist - rechnerisch - jeder Schulstandort mit einem Zusatzbau versehen
Um weiteren Platz zu schaffen, gibt es Provisorien wie Container oder Pavillons, die nach Jahren als Dauerlösung betrachtet werden: An den Schulen stehen stadtweit derzeit insgesamt 60 Leichtbauten, Pavillons oder Container; weitere 26 wurden zuletzt oder werden demnächst aufgebaut.
Sie werden nicht nur deshalb benötigt, weil die Zahl der Kinder zunimmt. Sondern oft muss auch Ersatz geschaffen werden, weil die Schulgebäude marode sind - wie zum Beispiel in Schonnebeck, wo zwei Grundschulen, die in einem Gebäude untergebracht sind, demnächst Schritt für Schritt in Container umziehen werden. Es sind die Schiller- und Johann-Michael-Sailer-Schule, die als "schiefe Schulen" Schlagzeilen machten - das Gebäude steht wegen der Bergbau-Absenkungen schräg. Mittelfristig - in sechs oder sieben Jahren - soll der Stadtteil neue Grundschul-Gebäude erhalten.
INFO
"Jetzt rächt sich, dass die Stadt früher über Jahre und Jahrzehnte nicht in ihre Gebäude investiert hat", sagt Hendrik Härtig, der Vorsitzende des Vereins "Eltern der Essener Schulen". Der Verein versteht sich als stadtweite Elternpflegschaft. "Auch, als die Schülerzahlen noch niedriger waren, seien die Schüler teilweise unter unzumutbaren, räumlichen Bedingungen unterrichtet worden. Jetzt könne man das Problem des fehlenden Platzes kaum noch aufholen.