Essen. Es ist fatal, dass in Seniorenheimen so viele Mitarbeiter die Impfung verweigern. Gerade im Umgang mit alten Menschen wäre sie besonders nötig.
Es wird endlich geimpft in Essen, durchaus in nennenswertem Umfang. Am heutigen 29. Dezember stehen 14 Senioren- und Pflegeeinrichtungen auf der Liste, am 31. Dezember sind weitere 14 dran. Rund 4600 Essener werden am Ende des Jahres die erste von zwei erforderlichen Impfdosen von Biontech-Pfizer erhalten haben. Das ist so etwas wie ein Privileg, denn viele andere werden teils noch viele Monate warten müssen, bis auch sie die Immunisierung erhalten. Die Reihenfolge macht Sinn, deshalb sollte man sich jeglicher Neid-Gefühle entsagen, sofern sie denn aufkommen.
Aber das Leben ist manchmal ungerecht: Während die einen es kaum erwarten können, lehnen andere die Impfung ab, obwohl sie ihnen zu einem frühen Zeitpunkt frei Haus und denkbar bequem ohne Schlangestehen angeboten wird. Die Rede ist nicht von den Senioren - bei denen ist die Bereitschaft enorm hoch, vielleicht auch, weil sie in ihrem Leben ganz andere Ängste und "Bedrohungen" ausgestanden haben. Zurückhaltend sind vielmehr die Pflegekräfte. In manchen Häusern lehnen bis zu 50 Prozent und mehr die Impfung für sich persönlich ab.
Das Prinzip der Freiwilligkeit sollte nicht infrage gestellt werden
Nun ist es zunächst das Recht eines jeden, nur das an medizinischen Stoffen in seinen Körper zu lassen, was er will. Das sollte auch nicht in Frage gestellt werden, eine staatliche Impfpflicht wirft gravierende rechtliche Probleme auf und passt nicht zu einer freien Gesellschaft. Dennoch ist es geradezu tragisch, wenn ausgerechnet diejenigen die Impfung verweigern, die Tag für Tag mit besonders kranken, alten und folglich anfälligen Menschen zusammenkommen. Schon dies sollte einen zu der Entscheidung kommen lassen, dass das eigentlich nicht geht.
Wäre die Impfung nachgewiesenermaßen für viele Menschen gesundheitlich riskant, wäre die Verweigerung verständlich und rational nachvollziehbar. Aber das ist, nach allem, was Wissenschaftler wissen, eben nicht so. Es gibt zwar ein minimales, eher theoretischen Risiko, doch wann wäre das im Leben jemals auszuschließen. Es ist jedenfalls verstörend, wenn selbst im Medizinbereich obskure Theorien kursieren.
Die Chefs müssen Überzeugungsarbeit leisten
Wenn Zwang keine ernsthafte Option ist, müssen Aufklärung und Appell zum Ziel führen. Die leitenden Leute der Träger-Organisationen und die jeweiligen Heimleiter müssen all ihr Wissen und ihre Überzeugungskraft aufbieten, um Zweifler doch noch zu überzeugen. Es geht da auch um ganz praktische Aspekte: Gesundheitsdezernent Peter Renzel wies zurecht darauf hin, dass die frühe Impfung in der jeweiligen Einrichtung eine Chance ist, die nicht so einfach nachzuholen ist. Das Impfzentrum in der Messe wird erst in einigen Wochen öffnen. Bleibt zu hoffen, dass die Bereitschaft auch dank die Diskussion wächst, die seit einigen Tagen läuft.