Essen. Das Amtsgericht hat eine Mutter, die ihre schwerbehinderte Tochter massiv vernachlässigt hat, auf Bewährung verurteilt.
Dieser Fall ist traurig. Im März ist ein schwerbehindertes Mädchen aus Essen in einem katastrophalen Pflegezustand ins Krankenhaus gekommen. Das Erste, was die Ärzte damals getan haben, war, die Neunjährige zu waschen. Jetzt ist die damals offenbar völlig überforderte Mutter verurteilt worden.
Ein Bekannter hatte damals die Nummer des städtischen Notruftelefons gewählt. „Das Mädchen tut mir leid.“ So oder so ähnlich soll er sich damals geäußert haben. Ihre Geschichte sei ja schon traurig genug. Das Mädchen ist als Frühchen zur Welt gekommen, mit etwas mehr als 1000 Gramm Körpergewicht. Wenn es nicht im Rollstuhl sitzt, liegt es meist im Bett. Es hat drei Geschwister, außerdem soll in der Wohnung auch noch eine Katze leben. Der Vater hat die Familie längst verlassen.
Verschimmelte Lebensmittel, Kotgeruch, kaputtes Bett
Den Mitarbeitern des Jugendamts hatte sich damals ein unfassbares Bild geboten. Die gesamte Wohnung war völlig verdreckt und vermüllt. In der Küche lagen verschimmelte Lebensmittel, im Zimmer der Neunjährigen war eine große Urinlache auf dem Boden, überall beißender Kotgeruch. Die Matratze lag auf der Erde, das Lattenrost war zerbrochen. Und das Mädchen selbst hatte im Windelbereich (die Windel muss es wahrscheinlich immer tragen) offene Wunden.
Die Kinder waren damals sofort aus der Wohnung geholt worden. Wegen der Verletzungen im Intimbereich gab es sogar den Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Der hat sich zum Glück nicht bestätigt. Der eingeschaltete Rechtsmediziner sprach nach seiner Untersuchung allerdings von schlimmer Verwahrlosung und Vernachlässigung.
Vor Gericht wollte die Mutter davon allerdings nichts wissen. „Ich bin damals psychisch völlig abgestürzt, weil mein Partner mich verlassen hat“, sagte sie jetzt im Prozess am Essener Amtsgericht. Deshalb habe in der Wohnung auch das reinste Chaos geherrscht. „Um meine Kinder habe ich mich aber immer gekümmert.“ Die wunden Stellen am Unterleib ihrer Tochter hätten einfach mit deren Magen- und Darmproblemen zu tun. „Das kommt leider immer wieder vor, dass sie so extrem wund ist.“
Jugendamt betreute den Fall, legte ihn aber zu den Akten
Das Essener Jugendamt kennt die 31-Jährige schon seit 2010. 2016 war die Betreuung jedoch eingestellt worden. Die Hintergründe sind unklar. Fünf Tage waren die Kinder damals bei Pflegeeltern beziehungsweise im Krankenhaus. Dann durften sie zur Mutter zurück. Gleichzeitig war eine engmaschige Hilfe installiert worden. Zweimal am Tag kommt nun eine Krankenschwester vorbei, außerdem kümmerte sich eine Betreuerin der Lebenshilfe um die Familie.
„Was da passiert ist, war dramatisch“, so Richterin Eva Proske. „Da wurde eine Grenze überschritten.“ Für die Neunjährige sei das doppelt schlimm gewesen. „Sie konnte ja nicht weglaufen oder sich wehren.“ 700 Euro Geldstrafe wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und wegen Körperverletzung wurden am Ende verhängt – auf Bewährung. Das heißt: Die Mutter muss die Summe nur zahlen, wenn in den nächsten zwei Jahren noch einmal etwas passiert. In dieser Zeit passt zusätzlich noch ein Bewährungshelfer mit auf.