Essen. Mit teils kuriosen Rats-Bündnissen wurde die AfD aus diversen Aufsichtsräten herausgehalten. Da half auch gelegentliches Losglück nicht weiter.
Schon seit der ersten Sitzung des neugewählten Essener Stadtparlaments ist klar: Mit den politischen „Schmuddelkindern“ der zu sechst im Rat vertretenen AfD wollen all die anderen in den kommenden fünf Jahren so wenig wie möglich zu tun haben. Und so folgte vier Wochen nach dem ersten Streich, als man die „Alternative für Deutschland“ bei der Vergabe der Ausschuss-Vorsitze ausbootete , an diesem Mittwoch der zweite: der Plan, die AfD in möglichst vielen Aufsichtsräten städtischer Tochterfirmen Sitz und Stimme abzuluchsen.
Anders als bei der Premiere Anfang November hielten sich CDU und Grüne, die noch an ihrem Bündnis arbeiten, diesmal allerdings vornehm zurück: Die „Drecksarbeit“, wenn man so will, blieb den Sozialdemokraten überlassen, die teils krude Listenbündnisse eingingen, um so das Verfahren der Sitzverteilung nach Hare-Niemeyer zu beeinflussen.
Keine Stimme bei Stadtwerken, Ruhrbahn oder Entsorgungsbetrieben
Größtenteils erfolgreich: Dadurch, dass die 21 Genossen drei Stimmen der Linken und jeweils zwei der Tierschutz- und der Satire-PARTEI auf sich vereinigten, verdrängten sie die AfD von sicher geglaubten Mandaten und wurden mitsamt ihrer Mitstreiter selbst Nutznießer der Aktion.
Kein automatischer Vorsitz für den OB und Co.
Bei all den Regularien der zweiten Ratssitzung fiel es kaum jemandem auf: Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen musste an diesem Mittwoch klein beigeben.
Denn eigentlich wollte der OB sich oder seinen Vertretern aus der Verwaltungsspitze „grundsätzlich“ den Vorsitz im Aufsichtsrat der städtischen Mehrheitsbeteiligungen und der vollkonsolidierten paritätischen Beteiligungen zuschanzen.
Da machte nicht mal die CDU-Ratsfraktion mit: Der Punkt wurde kurzerhand von der Tagesordnung genommen. Eine Wiedervorlage gilt als unwahrscheinlich.
Ob Stadtwerke oder Ruhrbahn, Jugendhilfe oder Wirtschaftsförderung, Entsorgungsbetriebe oder EVV – überall schaut die AfD nun in die Röhre, darf in einigen Gremien zwar beratend teilnehmen, aber nirgends mitstimmen. Immerhin, bei der Messe, der neuen Immobilien-Holding IME oder bei Theater und Philharmonie war der zur Kommunalwahl auf dem vierten Platz gelandeten Partei die Mitwirkung nicht zu nehmen.
Kein Deal mit der FDP – weil die allzu positiv über Jagd und Jäger denkt
Es gibt im weiten Rund des Rates allerdings noch weitere Verlierer: die Freien Demokraten und das Essener Bürger Bündnis (EBB). Beide hatten schon vor Wochen hinter den Kulissen an einer Listenverbindung zusammen mit der Tierschutzpartei gewerkelt, mit der man der AfD die Aufsichtsrats-Mandate abspenstig machen und unter sich aufteilen wollte.
Doch der Deal, er platzte auf den letzten Metern, weil die Tierschutzpartei eine Kooperation mit den Liberalen dann doch ablehnte. Begründung: die allzu positive Einstellung der FDP zur Jagd und Jägern an und für sich. Dies sei, so bestätigt Elisabeth van Heesch-Orgass vom Tierschutz-Duo auf Nachfrage, ein K.o.-Kriterium für die Zusammenarbeit gewesen.
Kein Losglück für die AfD ausgerechnet beim lukrativsten Posten
Eines, das FDP wie EBB auch an anderer Stelle Einfluss kostet. Denn auch bei der Besetzung der Rats-Ausschüsse suchte sich das Tierschutz-Duo am Mittwoch einen anderen Partner und stimmte durch die Bank mit den beiden Vertretern der PARTEI. Beide sicherten sich so abwechselnd Sitz und Stimme, während in allen zehn 20-köpfigen Ausschüssen für die jeweils zu dritt im Rat vertretenen Fraktionen von Linken, FDP und EBB nur zwei Plätze übrig blieben.
Da musste dann das Los entscheiden – wie auch bei einer Reihe von anderen Gremien, in denen die AfD die Verdrängungswirkung der sozialdemokratischen Listen-Bündnisse durch pures Losglück umgehen konnte: Gleich dreimal zog der Oberbürgermeister aus einem Sektkübel die „Alternative für Deutschland“ als Gewinner. Ausgerechnet bei einem der lukrativsten Posten jedoch unterlag das AfD-Sextett der FDP, die sich dort die Unterstützung des EBB gesichert hatte: im Verwaltungsrat der Sparkasse.
Ein erster Abstimmungs-Erfolg auf rechnerischen Umwegen
Alles in allem mehr als drei Stunden dauerte es, bis die Personalien samt und sonders gewählt und ausgezählt waren. Und wie schon beim ersten Frontalangriff nahm die AfD auch diesmal scheinbar teilnahmslos hin, wie man ihr da die Butter vom Brot nahm. Nur einmal durfte sie einen durchschlagenden Abstimm-Erfolg für sich verbuchen, der darin bestand, der CDU ein Mandat versagt zu haben.
Denn weil das Verfahren der Sitzverteilung nach Hare-Niemeyer auf einer Division durch die Gesamtstimmenzahl basiert, wirkte sich in einer einzigen Abstimmung und sehr zum Erstaunen der Christdemokraten das Fehlen eines Ratsmitglieds der AfD aus. Der Mann, so informierte die Fraktion, habe „seine Notdurft verrichtet“.
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