Essen. Als viertstärkste Kraft steht der AfD der Vorsitz in einem Ratsausschuss zu. Genau dies will eine Mehrheit verhindern – und vielleicht noch mehr.
Ein einziger Sitz im 90-köpfigen Stadtrat – für die sonst so präsente AfD bedeutete das in Essen vier Jahre lang Politik auf verlorenem Posten. Kein Wunder, dass man sich mehr ausrechnet, nun, da die umstrittene Partei nach der Kommunalwahl zu sechst ins neue Stadtparlament einzieht. Als viertstärkste Kraft stünde der „Alternative für Deutschland“ dabei auch der Vorsitz in einem Ratsausschuss zu. Doch hinter den Kulissen wird daran gewerkelt, dass ihr der versagt bleibt. Und womöglich mehr als das.
Das kann man Taktik nennen oder Trickserei, es ist aber auf jeden Fall durch die Gemeindeordnung gedeckt. Sie erlaubt, dass sich verschiedene Fraktionen zusammenschließen können, um sich und ihre Leute in eine bessere Ausgangslage zu bringen. So gerät die Verteilung von Macht und Repräsentation erst einmal zum bloßen Rechenspiel.
Wenn alle Parteien nur auf eigene Faust agieren, kommt die AfD zum Zuge
Bei den Ausschuss-Vorsitzenden geht die Formel dazu auf den belgischen Juristen Victor d’Hondt zurück. Die Anzahl der Ratssitze einer Partei wird dabei durch 1, 2, 3, … und so weiter geteilt – und die Vorsitzenden-Posten dann anschließend in der Reihenfolge der jeweils höchsten verbliebenen Zahl zugewiesen. Würde jede Partei nur auf eigene Faust agieren, stünden von zwölf Ratsausschüssen fünf der CDU und jeweils drei SPD und Grünen zu. Ein Posten fiele auf die AfD.
Größere Ausschüsse und ein Gremium für Digitales
Die drei großen Ratsfraktionen CDU, SPD und Grüne haben sich im Vorfeld der ersten Ratssitzung am Mittwoch auf ein neues Ausschuss-Tableau geeinigt, um unabhängig von anstehenden Koalitions-Verhandlungen arbeitsfähig zu sein.
Insgesamt 14 Ausschüsse soll es geben, und sie werden größer ausfallen als bisher: 20 statt 16 Ratsmitglieder, so lautet die Regelgröße.
Haupt- und Finanzausschuss werden wieder zusammengelegt, dafür gibt es einen neuen Ausschuss für Digitalisierung, Wirtschaft, Beteiligungen und Tourismus. Planung und Bauen werden zusammengefasst, der Umweltausschuss widmet sich auch im Namen künftig dem Klimaschutz, der Verkehrs-Part wird um Mobilität erweitert, der Ordnungsausschuss um Gleichstellung.
Der geplante Kniff: Schließen sich mehrere Fraktionen zusammen, beschert dies andere Zahlen. Mit dem Ergebnis, dass man ab insgesamt 73 Ratssitzen (geteilt durch zwölf Ausschüsse = 6,08) der AfD mit ihrer Höchstzahl von nur 6,0 den Zugriff auf den Ausschuss-Vorsitz vermasseln könnte.
Auch bei der Ausschuss-Besetzung und in Aufsichtsräten wäre eine Verdrängung möglich
Nicht nur für manchen ehrenamtlichen Kommunalpolitiker grenzt das schon an höhere Mathematik, doch die Rechnerei mit Ausschuss-Größen und Listen-Verbindungen ist gang und gäbe. Zumal sich der Verdrängungseffekt zu Lasten der AfD noch deutlich ausweiten ließe: auf die personelle Besetzung der Ratsausschüsse etwa, wo zwar kartellartige Absprachen untersagt sind, die Wahlergebnisse aber dazu führen könnten, dass das Stimmrecht (nicht jedoch das Rederecht) gekappt werden könnte.
Und auch bei der für Anfang Dezember im Rat geplanten Wahl von knapp drei Dutzend Aufsichtsräten städtisch beherrschter Gesellschaften sowie Verwaltungs- und Beiräten könnten Listenverbindungen dafür sorgen, dass die „Alternative für Deutschland“ letztlich in die Röhre guckt.
„Ich raufe mich lieber mit denen, als ihnen den Märtyrer-Status zu überlassen“
Ob es am Ende auch dazu kommt, ist noch nicht ausgemachte Sache. Denn der Versuch, die für viele unliebsame Partei durch solche Winkelzüge kurzerhand auszubooten, gefällt nicht jedem in der etablierten Politik: „Ich raufe mich lieber mit denen, als ihnen schon wieder den Märtyrer-Status zu überlassen“, sagt etwa ein kampfeslustiger Christdemokrat.
Wie das die Mehrheit sieht, erweist sich an diesem Mittwoch bei der ersten Ratssitzung unter Tagesordnungspunkt 7: „Neubildung der Ausschüsse des Rates der Stadt“. An zehnter oder elfter Stelle (wegen gleicher Höchstzahl müsste das Los entscheiden) wäre die AfD am Drücker.