Essen. Der neue „Kümmerer“ Boris Orlowski über Besucherandrang am Baldeneysee, über Müll, Vandalismus und Dramen, die sich täglich am Stauwehr abspielen.
Nein, es war kein leichter Start für Boris Orlowski als neuer Geschäftsführer der Weißen Flotte Baldeney und Chef des „See und Kanalmanagements“. Corona, ein Leck im Rumpf der „Baldeney“, nicht enden wollende Bauarbeiten am Kettwiger Stauwehr, die die Schifffahrt blockieren… Und dann wäre da noch dieses schwer durchschaubare Geflecht an Zuständigkeiten, mit dem er es zu tun hat.
Nach 100 Tagen im Amt, weiß Orlowski, worauf er sich eingelassen hat. Ein Schnellhefter dient ihm als Orientierungshilfe. Auf jeder Seite ist ein Uferabschnitt abgebildet. Unterschiedliche Farben zeigen, wer wo das Sagen hat: der Ruhrverband, Grün und Gruga, die Sport- und Bäderbetriebe, Straßen NRW… Es gibt viele Akteure am See, was mitunter skurrile Blüten treibt. Ein Beispiel: „Wir haben hier vier verschiedene Abfallbehälter“, berichtet Orlowski – runde und eckige, Behälter mit Deckel und ohne. Das sieht nicht schön aus, und verantwortlich ist immer ein anderer. Die gleiche Erfahrung musste Orlowski machen, als er an der Regattatribüne und an einem Container Graffiti entfernen lassen wollte. Man ahnt es: Einfacher macht es die Sache nicht. Inzwischen sind die Schmierereien verschwunden.
Der beliebte Ruhrtalradwanderweg lockt immer mehr Radtouristen an den Baldeneysee
Boris Orlowski ist angetreten, um die Dinge am See zusammenzuführen. Kommunikation kann er. Deshalb hat die Stadt den ehemaligen Inhaber einer Veranstaltungsagentur geholt. Am Baldeneysee kennt der 51-jährige Essener jeden Stein, als Ruderer hat er hier seine Kindheit und Jugend verbracht. Das hält ihn nicht davon ab, den See immer wieder aufs Neue zu entdecken. Einmal in der Woche setzt Orlowski sich aufs Fahrrad und dreht eine Runde um den See, um sich ein Bild zu mache „und Stimmungen zu erspüren“.
Der Baldeneysee ist von Beginn an ein Naherholungsziel. Auch dafür wurde die Ruhr Anfang der 1930er Jahre bei Werden aufgestaut. Mittlerweile lockt der See auch immer mehr Touristen an. Mit dem Ruhrtalradweg führt einer der beliebtesten Radwanderwege Deutschlands daran vorbei. „Und dass Leute aus Bayern und Baden-Württemberg zum Wandern nach Essen kommen, hätte sich vor zehn Jahren auch noch niemand vorstellen können“, sagt Orlowski. Baldeney- und Kettwig-Steig machen es möglich.
Coronabedingt haben in diesem Sommer auch viele Essener mehr Zeit am Baldeneysee verbracht. Zoos, Freizeitparks und andere Ziele in der Umgebung waren lange geschlossen. Was lag also näher als der See vor der eigenen Haustür?
An der Regattatribüne ließ der Seemanager den Sicherheitsdienst Streife gehen
Müll und auch Vandalismus sind die unschönen Begleiterscheinungen. Abfallbehälter werden deshalb öfter geleert. Grün und Gruga hat einen Trupp abgestellt, der sich ums Grün und um kleinere Reparaturen kümmert. An der Regattatribüne ließ der Seemanager den städtischen Sicherheitsdienst Streife gehen, weil es einige zu doll trieben und sogar auf den Stegen grillten oder Shisha-Pfeifen rauchten. Darauf angesprochen, zeigten sich die allermeisten einsichtig, berichtet Orlowski. „Wir mussten nur ein einziges Mal die Polizei dazu rufen, weil sich jemand partout nicht an die Regeln halten wollte.“
Auf der Brehminsel und im Löwental wird nun schneller und früher weggeräumt, was bei Grillgelagen übrig geblieben ist. Ab dem kommenden Jahr ist das Grillen in städtischen Grünanlagen verboten, erlaubt wird es es nur auf ausgewiesenen Flächen. Dass es auch auf der Brehminsel Grillplätze geben wird, kann Orlowski nicht ausschließen. Er hält es für möglich. Entscheiden muss allerdings die Politik. Dass es keine öffentliche Toiletten gibt, bleibt allerdings ein Problem, das es zu lösen gilt.
Am Stauwehr am Baldeneysee muss barrierefrei werden, fordert der Seemanager
Es ist nicht das einzige Thema, das auf der Agenda des Seemanager steht. Dass das Baldeney-Stauwehr nicht barrierefrei ist, sei ein unhaltbarer Zustand. „Da spielen sich Dramen ab“, berichtet Orlowski und meint nicht Radtouristen mit dick bepackten Satteltaschen, die am Fuße der Treppen stehen und rätseln, wie sie hinaufkommen sollen. Wer mit Fahrrädern und kleinen Kindern unterwegs ist oder auf einen Rollator angewiesen ist, steht vor dem gleichen Problem. Täglich lassen sich solche Szenen beobachten.
Beim Stauwehr reden drei Akteure mit: Der Ruhrverband, die Stadt Essen und der Betreiber des Wasserkraftwerkes, das Energieunternehmen Innogy. Das birgt die Gefahr, das einer mit dem Finger auf den anderen zeigt. Orlowski will die Politik für einen notwendigen barrierefreien Umbau sensibilisieren. Das ist kein Projekt für die nächsten 100 Tage, aber auch keines für den Sankt-Nimmerleinstag.
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