Essen. Die Aussicht vom Krupp-Park Süd ist etwas für Ruhrpott-Romantiker. Unter der neu entstandenen Hügellandschaft ist Industriegeschichte begraben.
Diese Aussicht ist etwas für Ruhrpott-Romantiker: alte Krupp-Hallen am Berthold-Beitz-Boulevard, das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Amalie, rauchende Schlote am Horizont. Dazu die würfelförmige Zentrale von Thyssen-Krupp, die von hier oben wirkt wie eine Raumstation auf einem fernen Planeten. All dies lässt sich von der städtischen Sportanlage im südlichen Teil des Krupp-Parks aus bestaunen. Dort, wo die Kicker von Tura 86 auf Kunstrasen dem Ball nachjagen. Wer meint, Fußball im Ruhrgebiet sei immer noch ein Malochersport, der findet hier die passende Kulisse.
Der Sportplatz mit garantierter Fernsicht wurde 2017 eröffnet. Drumherum ist eine von Spazierwegen durchzogene künstliche Parklandschaft entstanden. Wer schon als Kind gerne im Sandkasten mit Schaufelbagger und Kipplaster gespielt hat, ist hier zweifellos auf seine Kosten gekommen. Wurden doch allein für den letzten von drei Bauabschnitten 400.000 Tonnen Erdreich bewegt, um daraus sanfte Hügel zu modellieren. „Das war etwas für Baggerfans“ und logistisch eine Herausforderung, weiß Björn Schwinning, Projektleiter von Grün und Gruga. Die Herzen jung gebliebener Väter und die ihrer Söhne dürften beim Anblick des schweren Geräts höher geschlagen haben.
Autoverwerter „Franz Maag“ war der Letzte, der das Feld räumte, damit ein Park entsteht
Nun fällt das Gelände sanft ab zur Altendorfer Straße. Dorthin, wo sich auf dem Hof von „Franz Maag“ ausgeschlachtete Autowracks stapelten, wo sich so mancher Hobbyschrauber mit Anlasser, Kühler oder sonstigen Ersatzteilen versorgt hat. Der Autoverwerter räumte als letzter das Feld. Bis zu 13 Meter hoch wurde der Boden über dem ehemaligen Schrottplatz aufgefüllt, damit auch dort ein Park entsteht.
Der Krupp-Park Süd ist das Pendant zum 2009 eröffneten nördlichen Teil jenseits der Altendorfer Straße. Der Krupp-Park Nord ist mit zwölf Hektar deutlich größer, bietet Besuchern Erholung am Krupp-See sowie Spiel- und Sportmöglichkeiten. Im Krupp-Park Süd wollte es die Stadt zunächst bei Spazierwegen belassen. Der Bau der städtischen Sportanlage dort war ein Kompromiss, um gleich mehreren Vereinen Ersatz anbieten zu können für Aschenplätze, die dafür aufgegeben werden sollen. Apropos Ersatz: Der gesamte Krupp-Park wäre gar nicht entstanden, hätte Thyssen-Krupp seine Zentrale nicht nach Essen verlegt und in Sichtweite des Krupp-Stammhauses neu gebaut. Der Eingriff in die Landschaft ist bei Bauvorhaben auszugleichen, auch wenn es sich wie in diesem Fall um eine Industriebrache handelt.
Im südlichen Teil des Krupp-Parks werden 11.000 Bäume gepflanzt
Im südlichen Teil soll nun ein Wald heranwachsen. 4000 von insgesamt 11.000 Bäumen werden im kommenden Jahr gepflanzt, die letzten sollen 2022 folgen: Eichen, Hainbuchen, Bergahorn und Linden. Dazu heimische Strauchgewächse wie Weißdorn, Schlehen, Schneeball und Wildrose. Allesamt Arten, die Hitze besser vertragen, auf dass sie sich dem Klimawandel und den Bodenverhältnissen besser anpassen mögen. Eichen, die bereits vor zehn Jahren unweit der heutigen Sportanlage gesetzt wurden, sind bis zu sieben Meter hoch gewachsen. Im Krupp-Park Nord sind herbstblühende Kirschbäume eingegangen. Gepflanzt worden waren sie aus ästhetischen Gründen. Diesen Fehler will man nicht wiederholen.
Damit Bäume und Sträucher im südlichen Krupp-Park angehen in der eineinhalb Meter dicken Schicht aus Mutterboden, wurde das Erdreich darunter abgedichtet mit einer Art Teppich aus Tonmineralien. Regenwasser wird über eine Drainage in den Krupp-See geleitet. Denn der Boden ist voller Altlasten. An die riesigen Fabrikhallen, die hier einmal standen, erinnert sonst nichts mehr. Archäologische Funde wurden verzeichnet und dokumentiert. Etwas davon zu erhalten oder gar auszustellen – daran Bestand offensichtlich kein großes Interesse.
Fabriken und Werkstätten sind weg, alten Kruppianern fällt es schwer, sich zu orientieren
„Im Grund genommen begraben wir hier europäische Industriegeschichte“, bedauert Björn Schwinning, der zwei Onkel hat, die noch Schlosser und Eisengießer bei Krupp waren. Als einer der beiden nach langer Zeit in Essen zu Besuch war, hat er ihn mitgenommen auf den Hügel im Krupp-Park, um ihm zu zeigen, wo die Lehrwerkstatt stand und wo einstmals im Zeichen der drei Ringe Lokomotiven gebaut wurden. Es sei seinem Onkel schwer gefallen, sich zu orientieren.
Insofern ist die Aussicht über den weitläufigen Krupp-Gürtel bei aller Ruhrpott-Romantik ein trügerischer. Führt sie dem Betrachter doch einmal mehr vor Augen, wie rasant sich diese Region verändert hat und dass dies neben mehr Grün auch eine Kehrseite hatte. Industrielle Arbeitsplätze gibt es in Essen nicht mehr viele.