Essen. Zur Essener Tafel kommen weniger Bedürftige als vor der Pandemie. Für Bedürftige gibt es sogar freie Plätze. Das war nicht immer so.

Corona geht auch an der Essener Tafel nicht spurlos vorüber. Noch immer stehen Bedürftige Schlange, wenn im Wasserturm an der Steeler Straße Lebensmittel ausgegeben werden, die im Supermarkt liegengeblieben sind. Aber es kommen weniger Menschen als vor Ausbruch der Pandemie. Da zählte Tafel-Chef Jörg Sartor noch jede Woche um die 50 Neuaufnahmen. Seit Monaten kommen nicht einmal halb so viele, um eine Ausgabenkarte zu beantragen. „Diese Woche waren es 40“, berichtet Sartor. Von einer Trendwende will der Vorsitzende des eingetragenen Vereins aber nicht sprechen.

So ändern sich die Zeiten. Gefühlt ist es eine Ewigkeit her, seit die Essener Tafel einen Aufnahmestopp für Ausländer aussprach, weil die „deutsche Oma“ weggeblieben war, wie es Jörg Sartor damals formulierte . Drei Jahre sind seitdem vergangenen. Sartor löste damals eine Welle der Empörung, aber auch Zustimmung aus und stieß eine Debatte um die Integration an, die weit über Essens Grenzen hinaus geführt wurde.

Die Essener Tafel hat die Zahl der Bezugskarten um 200 reduziert

Offiziell gilt, was der Vorstand im Frühjahr 2018 nicht zuletzt als Reaktion auf die massive Kritik beschlossen hat: Alleinerziehende, Alleinstehende ab 50 Jahren und Menschen mit schweren Behinderungen werden bei Neuaufnahmen bevorzugt. Nur muss aktuell niemand bevorzugt werden, weil ohnehin etwa 100 Plätze frei sind. Wer nachweisen kann, dass er bedürftig ist, wird auch aufgenommen, betont Sartor. Und nicht nur das: Üblicherweise gilt eine Bezugskarte ein Jahr lang. Dann heißt es: Ein Jahr aussetzen. Diese Wartezeit entfällt, die Karten werden nach Ablauf sofort verlängert. „Aber das kann in wenigen Wochen schon wieder ganz anders sein“, sagt Sartor.

Denn wer weiß schon, wie es weitergeht mit Corona. Die Zahl der Plätze hat die Tafel jedenfalls reduziert von etwa 1800 auf 1600. Samstags werden keine Lebensmittel mehr ausgegeben, dafür montags, mittwochs und freitags. Viele der ehrenamtlichen Helfer hätten es sich so gewünscht. Das alles sei nicht in Stein gemeißelt.

Anders als während des ersten Lockdowns sind die allermeisten Helfer dabei geblieben

Abstand halten! Die Essener Tafel lässt nur maximal acht Kunden gleichzeitig in die Räume der Lebensmittelausgabe.
Abstand halten! Die Essener Tafel lässt nur maximal acht Kunden gleichzeitig in die Räume der Lebensmittelausgabe. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Bis auf einige wenige sind die allermeisten dabei geblieben. Anders als noch während des ersten Lockdowns, als 30 bis 40 der insgesamt 125 Ehrenamtlichen lieber Zuhause geblieben sind, weil sie fürchteten, sie könnten sich mit dem Coronavirus infizieren, berichtet Sartor. Statistisch gehören drei von vier Helfern allein wegen ihres Alters zur Risikogruppe, der Altersdurchschnitt liegt jenseits der 70 .

Bei der Lebensmittelausgabe gelten die vertrauten Hygieneregeln: Abstand halten, Maske tragen. Zeitgleich werden maximal acht Personen hineingelassen. Schwerbehinderte können sich ihre Tasche von einem „Helfer“ füllen lassen, wenn sie dies wünschen, und so lange draußen warten. Und wenn die Fahrer morgens ausrücken, um Lebensmittel einzusammeln, dann sind sie maximal zu zweit auf dem Wagen und nicht mehr zu dritt.

Von Staatsgeld will sich die Essener Tafel nicht abhängig machen

Vom Land NRW hat die Tafel einen „Corona-Zuschuss“ in Höhe von 5000 Euro bekommen. Andere Tafeln im Land riefen nach finanziellen Hilfe des Bundes. Sartor lehnt das ab. Die Tafeln sollten sich nicht abhängig machen, auch um keine falschen Erwartungen bei ihren Kunden zu wecken: „Wir sind eine Zusatzversorgung, keine Grundversorgung.“ Auf Geld vom Staat wäre die Essener Tafel auch gar nicht angewiesen, wie Sartor betont. Erfreulicherweise sei das Spendenaufkommen nicht zurückgegangen, sondern sogar leicht gestiegen.

Auch auf Lebensmittelspenden kann Sartor bauen. Eines sei auffällig seit Corona: Bei der Tafel komme weniger an frischem Obst und Gemüse an. Woran dies liegt, darüber kann auch der Tafel-Chef nur spekulieren. Offensichtlich werde mehr eingekauft. Nun, da viele Leute von zu Hause aus arbeiten oder in Kurzarbeit sind.

Weihnachtsgeschenke für Bedürftige: Essener Tafel bevorzugt Gutscheine

Es eine liebgewordene Tradition: An Weihnachten verteilt die Essener Tafel an Bedürftige Geschenke, die von Privatleuten oder Firmen gespendet wurden. So soll es auch in diesem Jahr sein. Angesichts von Corona hat Tafel-Chef Jörg Sartor jedoch eine Bitte: Wer Bedürftigen eine Freude machen möchte, sollte lieber einen Gutschein verschenken.

In den vergangenen Jahren kamen bei der Tafel im Wasserturm an der Steeler Straße vor Weihnachten mehrere Tausend Weihnachtspakete zusammen. Der logistische Aufwand, die Geschenke einzusammeln und zu verteilen, sei erheblich gewesen. Jedes Päckchen gehe durch drei oder vier Hände, bevor es überreicht werde, berichtet Sartor und erinnert daran, dass aufgrund der Corona-Pandemie derzeit auch bei der Essener Tafel strenge Hygieneregeln gelten. Auch das spreche für Geschenkgutscheine. Die gebe es nicht nur beim Lebensmittel-Discounter, sondern auch im Spielzeugmarkt.

Wer partout ein Weihnachtspäckchen abgeben will, wird bei der Tafel nicht abgewiesen und ist täglich von 7 bis 15 Uhr willkommen. Jörg Sartor bittet jedoch darum, nicht etwa gebrauchte Spielsachen zu verschenken, auch wenn das gut gemeint sei. Die Erfahrung zeige, dass die Enttäuschung größer sei als die Freude.

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