Essen. Nach dem mutmaßlichen Totschlag an zwei Patienten der Uniklinik Essen werden weitere Todesfälle überprüft. Ist das Ermittlerroutine oder mehr?
Nach der Festnahme des Oberarztes Andreas B. (44) am Essener Uniklinikum wegen Totschlagsverdachts an Covid-19-Patienten auf der Intensivstation überprüft die Mordkommission der Essener Polizei weitere Todesfälle im Umfeld des beschuldigten Mediziners. Der 44-Jährige, der im Februar aus einer Heidelberger Klinik in das Haus an der Hufelandstraße in Holsterhausen wechselte, sitzt seit dem 19. November wegen des Verdachts des Totschlags in bislang zwei Fällen in Untersuchungshaft.
Dass die Behörden nun zusätzliche Krankenakten durchforsten, ist bislang offenbar reine Ermittlerroutine wie in anderen Fällen auch. Noch habe sich kein weiterer Anfangsverdacht ergeben, sagte Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens am Montag. Das Universitätsklinikum möchte die strafrechtlichen Verdachtsmomente im aktuellen Verfahren mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nach wie vor nicht kommentieren.
Medikamente in der letzten Lebensphase verabreicht
Andreas B. wird vorgeworfen, „ schwerst kranken Menschen vorsätzlich und rechtswidrig Medikamente in deren letzter Lebensphase verabreicht“ zu haben, die einen sofortigen Tod bewirkten, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Beide 47 und 50 Jahre alten Männer, der jüngere stammte aus den Niederlanden , waren Patienten auf der Station des Oberarztes und in einem sehr kritischen gesundheitlichen Zustand. Es ging bei ihnen wohl nicht mehr um Genesung oder gar Heilung: Das Behandlungsziel war nach Informationen dieser Zeitung bereits ein rein palliatives.
Doch selbst wenn die Patienten dem Tode geweiht waren, könnte der Arzt rechtswidrig gehandelt haben, indem er ,durch die Verabreichung tödlich wirkender Substanzen „das Leiden beenden wollte“, wie der 44-Jährige es gegenüber den Ermittlern zumindest in einem Fall bereits eingeräumt hat. Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. In den Niederlanden gibt es in diesem Punkt liberalere Regelungen.
Klinikleitung sieht die Gefahr eines Vertrauensverlustes
„Wir alle sind zutiefst erschüttert, dass sich so etwas bei uns ereignet haben soll“, machte der Vorstand des Uniklinikums um den Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Jochen A. Werner am Montag deutlich: „Unsere Gedanken und unsere Anteilnahme gelten den Hinterbliebenen der Verstorbenen. Der Verlust ihres geliebten Angehörigen alleine ist schon extrem schmerzhaft. Darüber dann aber auch noch in den Medien lesen zu müssen, verbunden mit den einleitend genannten Vorwürfen, das ist sicherlich nur sehr schwer zu ertragen.“
Im Uniklinikum zeigt man sich zudem besorgt über die Gefahr des Vertrauensverlustes in die Arbeit von tausenden Beschäftigten, die sich „seit vielen Jahren mit all ihrer Kraft für Patienten einsetzen“, heißt es in der Stellungnahme: „Wir werden alles dafür tun, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, zu unterstützen und die Versorgung der sich uns anvertrauenden Patientinnen und Patienten in der jetzt ohnehin bereits anspruchsvollen Pandemiephase auch weiterhin auf höchstem Niveau sicherzustellen.“
Für Fragen von Betroffenen und Angehörigen hat die Uni-Klinik Essen eine Hotline eingerichtet, die zwischen 8 und 16 Uhr unter der Telefonnummer 0201-723 3434 erreichbar ist.