Essen. Ein unschuldiger Jugendlicher (15) ist in Essen von einem Polizeihund gebissen worden. Die Familie behält sich rechtliche Schritte vor.
Im Fall der folgenschweren Verwechslung von Strafverdächtigen im Essener Stadtteil Bredeney, bei der ein unschuldiger Jugendlicher (15) massiv von einem Polizeihund verletzt wurde, behält sich die Familie des Opfers weiter rechtliche Schritte gegen das Präsidium vor. „Dafür hätten wir größtes Verständnis“, räumt Polizeisprecher Marco Ueberbach ein, der von einem „Albtraum auch aus Polizei-Sicht“ spricht.
Wie berichtet, war der Gymnasiast, der noch nie mit der Polizei in Berührung gekommen ist, am Samstag gegen 23 Uhr am Hügelweg in Bredeney mit drei anderen Jugendlichen vor Polizisten geflüchtet. Die Jugendlichen waren an einem öffentlichen Treffpunkt im Stadtteil zusammengekommen und hatten damit gegen die gültigen Coronaschutzbestimmungen verstoßen. Die zwei Streifenwagen waren unterwegs, weil sich kurz zuvor in der Nähe ein schwerer Raubüberfall abgespielt hatte – die Polizei suchte mit Helikopter und Diensthund nach den flüchtigen Tätern, die bis heute nicht gestellt sind.
Hundebisse: Hauttransplantation erforderlich
Jetzt liegt der jugendliche Gymnasiast im Bochumer Bergmannsheil mit einer großen Verletzung am Unterarm sowie zwei genähten Bisswunden an Ellbogen und Oberarm. Eine Hauttransplantation steht bevor. Der Opferschutzbeauftragte der Polizei hat der Familie bereits einen Besuch abgestattet und psychologische wie rechtliche Hilfe angeboten. „Wir wollen die Polizei nicht öffentlich an den Pranger stellen“, sagte die Mutter des Jungen am Donnerstag. „Aber es stellt sich schon die Frage, warum der Hund keinen Maulkorb trug.“
Auch interessant
Polizeisprecher Marco Ueberbach betont, dass seine Kollegen mehrfach mit dem Freilassen des Hundes gedroht hätten, als die Jugendlichen wegliefen. „Dazu sind sie verpflichtet, und es muss immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.“ Das bedeutet: Mit einem ausgebildeten Polizeihund darf man keinen Ladendieb verfolgen, der eine Dose Bier gestohlen hat.
Aber: „Hier stand der Vorwurf des schweren Raubes im Raum. Die Polizei hat diesen Einsatz sehr ernst genommen.“ Die Beamten waren alarmiert worden, weil im Flur eines Hauses an der Zeunerstraße ein 16-Jähriger von drei Unbekannten brutal attackiert worden war. Die Täter schlugen ihm ins Gesicht und flüchteten mit seiner Geldbörse. Einen Maulkorb könne der Polizeihund bei einem solchen Einsatz deshalb nicht tragen, weil „das Tier sich im Zweifel auch selbst verteidigen können muss.“
Sohn (15) hörte Warnung des Polizisten nicht
Die Mutter berichtet, dass ihr Sohn die Warnung der Polizisten vor dem Hund nicht gehört habe. „Er hat erst mitbekommen, dass ein Hund im Spiel ist, als das Tier an seinem Arm hing.“ Selbst als der 15-Jährige am Boden lag, habe das Tier nicht von ihm abgelassen. Dazu habe es massiven Einsatz des Polizisten benötigt. Der folgenschwere Vorfall ereignete sich zehn Minuten, nachdem der Jugendliche mit seiner Mutter telefoniert hatte und sich auf dem Heimweg befand.
Unterdessen mehren sich im Internet kritische Kommentare, warum der Jugendliche gegen 23 Uhr überhaupt noch draußen unterwegs war. „So etwas lese ich erst gar nicht“, betont die Mutter, die andererseits von einem „enormen Zuspruch“ spricht, was die Unterstützung ihres Sohnes durch die Mitschüler angeht. Das eigentliche Raubopfer (16) und der Verletzte stehen in Kontakt, beide kennen sich flüchtig.
Immerhin steht medizinisch eine Genesung in Aussicht: Nachdem die ersten Tage unklar war, ob der Jugendliche drei Finger seiner Hand wieder bewegen können wird, haben die Ärzte nach Angaben der Mutter Entwarnung gegeben: „Die Nerven sind nicht verletzt, es handelt sich lediglich um eine schwere Muskelverletzung.“
https://www.waz.de/staedte/essen/essener-newsletter-verpassen-sie-keine-nachrichten-id230430970.html