Essen. Essens Kleingartenwesen erlebt eine Renaissance. Immer mehr Laubenpieper handeln ökologisch. Der Stadtverband fördert und forciert den Wandel.

Die Rasenkanten sind so gerade, als habe sie jemand mit dem Lineal gezogen, auf den Beete gedeihen üppige Zierpflanzen und dazwischen winken ein paar freundlich dreinschauende Gartenzwerge. All das gibt es in Essener Kleingärten, doch wer genau hinschaut, stellt fest: Im Kleingartenwesen vollzieht sich derzeit ein ökologischer Wandel. „Wir befinden uns mitten in einem Umbruch“, sagt Klaus Wiemer, Vorstandsmitglied im Stadtverband der Kleingartenvereine. Dort sprechen sie von einer „grundsätzlichen Neuorientierung“.

Einst dienten Kleingärten vor allem der Selbstversorgung ihrer Pächter. Mit der Zeit wuchs der Wohlstand. Gemüse gibt es bequem und günstig beim Discounter. Im Kleingarten sucht man lieber Erholung. Wer macht sich schon für ein paar Gurken oder Tomaten den Rücken krumm?

Junge Familien interessieren sich wieder für eine Parzelle

Mittlerweile erlebt das Kleingartenwesen aber eine Art Renaissance. Das hat mit dem Generationenwandel zu tun, der sich in den Kleingartenvereinen vollzieht. Der Stadtverband stellt fest, dass sich junge Familien wieder für eine Parzelle interessieren. Die Zahl jener, die umweltbewusst denken und handeln, wächst. Immer mehr wollen wissen, was zu Hause auf den Teller kommt. Wer sicher gehen will, baut sein Obst und Gemüse auf der eigenen Parzelle an. Das Kleingartenwesen liegt voll im gesellschaftlichen Trend. Öko ist in.

Der Stadtverband der Kleingartenvereine hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er möchte einen Beitrag leisten zu einer zukunftsfähigen ökologischen Stadtentwicklung; so beschreibt der Verband seinen eigenen Anspruch. Soll heißen: Kleingärten sind weder Verfügungsmasse noch Spekulationsobjekt für den Wohnungsbau, sondern unverzichtbar.

700 Kleingärtner haben am ökologischen Bildungsprogramm teilgenommen

Für seine stadtweit 8500 Kleingärtner hat der Stadtverband ein ökologisches Bildungsprogramm aufgelegt. 700 Laubenpieper haben an insgesamt 48 Veranstaltungen teilgenommen. Von Oberbürgermeister Thomas Kufen gab es dafür am Wochenende anerkennende Worte.

Oberbürgermeister Thomas Kufen (re.) überreicht Kleingärtnerin Claudia Oxen eine Urkunde für die Teilnahme an einer ökologischen Fortbildung des Stadtverbandes der Kleingartenvereine.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (re.) überreicht Kleingärtnerin Claudia Oxen eine Urkunde für die Teilnahme an einer ökologischen Fortbildung des Stadtverbandes der Kleingartenvereine. © Foto: Kerstin KokoskA

Was es heißt, ökologisch zu gärtnern, lässt sich in der Kleingartenanlage an der Elbestraße in Bergerhausen bestaunen. Mitten in dem sonst dicht bebauten Quartier stößt der Besucher auf eine grüne Oase, die man dort nicht ohne weiteres vermuten würde. Mit nur zwölf Parzellen zählt der Gartenbauverein Elbestraße zu den kleinsten der Stadt. Rhododendron oder Azaleen, sonst in Gärten weit verbreitet, sucht man im Kleingarten von Tina Spennhoff vergebens. Die Vorsitzende des GBV hat auf ihrer Parzelle konsequent heimische Gewächse angepflanzt: Beerensträucher wachsen statt Kirschlorbeer. Pflanzen ohne ökologischen Wert haben hinter dem Gartenzaun keinen Platz.

Den Boden gräbt die Kleingärtnerin nicht um, andernfalls würden wichtige Mikroorganismen mituntergepflügt. Die Beete werden dicht bepflanzt, damit Unkraut erst gar keine Chance hat. Und gegen Schnecken hilft Kaffeesatz. Auch Regenwürmer seien „regelrechte Kaffee-Junkies“, berichtet Tina Spennhoff. Dem Boden kann es nur gut tun.

Ökologisches Gärtnern

Der Essener Stadtverband der Kleingartenvereine vertritt 110 Vereine. Diese verteilen sich auf 270 Kleingartenanlagen. Der Verband zählt rund 8500 Mitglieder. An der Schnütgenstraße 17 am Steeler Stadtgarten unterhält der Stadtverband neben seiner Geschäftsstelle auch eine Gartenschule mit einem Lehrgarten.

Hilfreiche Informationen zum ökologischen Gärtnern allen Interessierten auf seiner Homepage im Internet zur Verfügung: www.kleingaerten-essen.de

Drei Jahre Zeit und Arbeit habe es sie gekostet, bis ihr Garten das wurde, was er heute ist. Die Mühe hat sich gelohnt. Die Ernteerträge seien höher, viel mehr Insekten und Vögel sind an der Elbestraße heimisch. Tina Spennhoff genießt das oft im Liegestuhl. Mehr Arbeit als ein „konventioneller“ Kleingarten mache ihr Garten nicht.

An der Elbestraße sind zehn der zwölf Parzellen ökologisch gestaltet. Die übrigen beiden dürften folgen, wenn die Pächter aus Altersgründen wechseln. Der Stadtverband will weitere Mitglieder dazu animieren, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Das ökologische Bildungsprogramm wird im nächsten Jahr fortgesetzt.