Essen. . Der Stadtverband der Kleingartenvereine zeigt im Jubiläumsjahr, dass er ein Faktor der Stadtentwicklung ist: Keine Flächen für den Wohnungsbau.

Als vor 100 Jahren 14 Kleingartenvereine den „Obst- Gartenbauverband für den Stadt- und Landkreis Essen“ gründeten, dienten die Parzellen noch der Selbstversorgung ihrer Pächter. Die zogen Gemüse, hielten Hühner und Karnickel und sorgten so dafür, dass die Familie möglichst satt wurde.

Nicht nur das Kleingartenwesen hat sich seit diesen Tagen verändert. Der Stadtverband der Kleingartenvereine, der am Freitag im Steeler Stadtgarten Jubiläum feierte, ist längst zu einem wichtigen Faktor der Stadtentwicklung geworden. Das zeigt sich gerade heute wieder, wo Baugrundstücke knapp sind und der Bedarf nach Wohnraum wächst.

Der Verband verwaltet 8500 Parzellen. „Dass es Begehrlichkeiten gibt, ist keine Frage“

„Dass es Begehrlichkeiten gibt, ist keine Frage“, sagt Stadtverbandsvorsitzender Holger Lemke. Das liegt schon allein an der Größe. Der Verband verwaltet 8500 Parzellen, die sich auf 265 Kleingartenanlagen und eine Fläche von 314 Hektar verteilen. Drumherum zieht Lemke verbal einen hohen Gartenzaun: „Für eine lukrative Wohnbebauung geben wir keine einzige Fläche her.“

Eigentlich könnten sich Essens Laubenpieper in ihren Gartenstühlen entspannt zurücklehnen. Ein Drittel der Parzellen sind ohnehin im Besitz der Kleingarten Grund- und Boden GmbH. Es sei das Verdienst seines Vorgängers, Heinz Schuster, diese als Gartenland erhalten zu haben, so Lemke. Schuster, zu Lebzeiten legendär wie aufgrund seines Führungsstils umstritten, hatte Anfang der 1990er Jahre bei den Laubenpiepern Geld eingesammelt, um die Gärten von der Montanindustrie zu erwerben. Die Stadt verzichtete seinerzeit auf ihr Vorkaufsrecht, weil sie fürchtete, der Boden der ehemals industriell genutzten Flächen könnte belastet sein. „Wenn wir diese Flächen verkaufen würden, würde die GmbH ihre Glaubwürdigkeit verlieren“, betont Lemke.

Beim Kleingarten-Entwicklungskonzept fürchtet der Stadtverband eine „Mitmachfalle“

Schon die NRW-Landesverfassung schreibe vor, das Kleingartenwesen zu fördern. Auch das neue Kleingarten-Entwicklungskonzept, das der Rat der Stadt auf den Weg gebracht hat, soll der Aufwertung und Sicherung der Kleingärten dienen. Doch beim Stadtverband trauen sie dem Braten nicht. Vorstandsmitglied Klaus Rehberg spricht von einer „Mitmachfalle“ und fürchtet, am Ende könnten die Kleingärtner über den Tisch gezogen werden. Zu oft schon habe die Stadt Kleingärten als potenzielle Wohnbauflächen ins Gespräch gebracht. Zuletzt in der Diskussion um eine Bebauung der ehemaligen Feuerwehrwache in Bredeney, wovon auch 40 Kleingarten-Parzellen betroffen wären, wie Holger Lemke betont. „Die Leute werden verunsichert. Das gehört sich nicht“, empört sich der Verbandsvorsitzende.

Ob der Bedarf nach neuen Wohnungen tatsächlich so groß ist, wie die Stadt behauptet? Lemke und seine Vorstandskollegen haben da ihre Zweifel. Nicht nur weil die Einwohnerzahl nach Jahren des Wachstums wieder gesunken ist, wie die städtischen Statistiker dieser Tage vermeldeten. Am Pläßweidenweg in Steele und an der Kleine Buschstraße in Altendorf hatten die Kleingärtner auf Wunsch der Stadt Parzellen aufgegeben, in Altendorf sogar schon vor sechs Jahren. „Da ist bis heute nichts passiert“, wundert sich Lemke.

Natürlich könnte die Stadt den Pachtvertrag für jene Kleingärten kündigen, die auf städtischem Grund und Boden angelegt worden sind. Das sind immerhin etwa zwei Drittel der Parzellen. Die allermeisten Gärten liegen nördlich der A 40. Auch deshalb dürften sie sich im Rathaus einen solchen Schritt gut überlegen. Das Nord-Süd-Gefälle würde sich weiter verschärfen, warnt Verbandschef Lemke. Und das könne doch keiner wollen.