Essen. Essener Gastwirte sind enttäuscht über die gerichtlich abgeschmetterte Klage gegen Sperrstunde: „Politik macht unsere Branche kaputt“.
Im juristischen Kampf gegen die umstrittene Sperrstunde stehen die Essener Gastwirte auf ziemlich verlorenem Posten. „Unsere Chancen, die Klage noch zu gewinnen, sind nicht gerade groß“, sagt Café Nord-Inhaber Dirk Weidenhaupt, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am Montag die erste von mehreren Wirte-Klagen abgeschmettert hatte. Seine erste Reaktion: „Ich bin enttäuscht.“
Das Café Nord, beliebter und normalerweise stark frequentierter Szene-Treff am Viehofer Platz, klagt zusammen mit einem anderen Essener Klubbesitzer sowie weiteren Gastronomen aus dem Ruhrgebiet gegen die Corona-Sperrstunde. Wann das OVG diese Klage verhandelt, ist noch offen. Die jüngste Behauptung von Essen Marketing-Chef Richard Röhrhoff, auf dem Essener Weihnachtsmarkt herrsche null Infektionsrisiko, treibt Weidenhaupt die Zornesröte ins Gesicht. „Wenn der Weihnachtsmarkt in Essen sicher ist, warum sind unsere Gaststätten dann unsicher?“
Dachverband: Gastronomie beeinflusst Corona-Infektionsgeschehen kaum
Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Branchendachverbandes Dehoga Nordrhein, ist über die abgewiesene Wirte-Klage ebenfalls unglücklich. „Dabei beeinflussen Restaurants und Schankbetriebe das Infektionsgeschehen kaum.“ Deshalb sei die Verhängung einer Sperrstunde um 23 Uhr unverhältnismäßig.
Seit Ausbruch der Corona-Krise führen die Gastwirte und Restaurantbesitzer eine unerbittlichen Existenzkampf. Nun kommt es knüppeldick: Seit einigen Tagen herrsche gähnende Leere in den Wirtschaften und Restaurants. „Es kommt keiner mehr“, klagt Nord-Inhaber Weidenhaupt.
Eine Besorgnis erregende Entwicklung, die der Dehoga-Geschäftsführer bestätigen kann. „Die Umsätze gehen in den Keller.“ Kolaric nennt das Beispiel eines Gastronomen, in dessen Lokal an Wochenenden normalerweise alle 150 Plätze vergeben sind. „Letzten Freitag hat der Wirt 97 Euro Umsatz gemacht, am Samstag waren’s 153.“ – zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Seit Einführung der Sperrstunden seien die Umsätze dramatisch runtergegangen „von Hundert auf Null“, weil die Menschen völlig verunsichert seien und von vornherein lieber ganz zuhause blieben.
Gastwirte betonen: Lokale sind sicherer als unkontrollierte Privatfeiern
Max Mintrop, seit kurzem Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Essen, wirft der Politik „Stimmungsmache und Angstmache“ zum Nachteil der gebeutelten Gastro-Branche vor. „Das ist nicht in Ordnung.“
Nur ein Bußgeldverfahren in Sachen Sperrstunde
Sowohl Gastwirte als auch Gäste haben sich anscheinend auch am zweiten Sperrstunden-Wochenende penibel an die Corona-Regeln gehalten. Denn weder Stadt noch Polizei meldeten gravierende Verstöße.
Das Presseamt teilt mit: „Auf den bekannten Gastro-Meilen (Innenstadt, Rüttenscheid) war flächendeckend alles zur Sperrstunde auch geschlossen.“
Und weiter: „Das Ordnungsamt war auch in den Stadtteilen und bei vereinzelten Gastronomiebetrieben unterwegs. Es wurde ein einziges Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Sperrstunde eingeleitet.“
Mintrop beruft sich auf Statistiken des Robert-Koch-Institutes für die gesamte Republik. Danach entfielen von 100 Infektionen mit dem Coronavirus im Schnitt höchstens ein bis zwei auf die Gastrobranche. „Wir sind also nicht Treiber des Infektionsgeschehens“, sagt er, und fügt ein Argument an, das fast alle Gastronomen gegen die Sperrstunde ins Feld führen: Dank guter Hygienekonzepte seien die Gäste in der Kneipe vor Infektionen allemal besser geschützt als bei unkontrollierten Feiern in den eigenen vier Wänden. Aus Sicht des Essener Dehoga-Chefs sei es nicht mehr kurz vor zwölf, sondern bereits zwölf. Mintrop: „Die Politik entzieht uns mit der Sperrstunde die Geschäftsgrundlage, sie macht die ganze Branche kaputt.“