Essen-Haarzopf. Heimatforscher Herbert Schmitz hat sich mit der Nummerierung der Haarzopfer Häuser beschäftigt, die sich im Laufe der Jahre immer wieder änderte.
In der Domstadt Essen existierten schon 1373 vereinzelte Orts- und Straßenbezeichnungen. In der kleinen Landgemeinde Haarzopf kannte jeder jeden. Straßennamen und Hausnummern waren nicht erforderlich. Trotzdem wurde Anfang des 19. Jahrhunderts eine durchlaufende Gebäudenummerierung eingeführt, hat der Haarzopfer Heimatforscher Herbert Schmitz (80) recherchiert. Etliche weitere sollten folgen.
In Essen seien die Straßenbezeichnungen im Laufe der Jahrhunderte zahlreicher geworden, wie man in alten Lehnakten nachlesen könne. „Straßen besaßen damals keinen amtlichen Charakter, wechselten manchmal auch ihren Namen nach herausragenden Bewohnern oder nach Märkten. Manchmal entstanden sie auch im Volksmund als besondere Ortsbezeichnung“, so Heimatforscher Herbert Schmitz.
Erst 1791 habe die Essener Verwaltung eine fortlaufende Nummerierung der Wohngebäude angelegt. Und erst um 1860, als Essen schon fast 20.000 Einwohner hatte, sei eine amtliche Straßenbenennung mit fortlaufender Gebäude-Nummerierung erfolgt.
Hofnamen ersetzten oft den Familiennamen
In Haarzopf lief die Entwicklung laut Hobbyhistoriker Schmitz anders. Die Landgemeinde gehörte erst zur bergischen Unterherrschaft Broich und dann von 1878 bis 1910 zur Stadtgemeinde Mülheim innerhalb der Bürgermeisterei Heißen. Die Gehöfte hätten teils Jahrhunderte alte Namen. Eingeheiratete oder Pächter führten laut Schmitz oft den Hofnamen anstelle ihres Familiennamens.
Als unter der napoleonischen Verwaltung zwischen 1806 und 1812 die Gebäudenummerierung in Haarzopf eingeführt worden sei, seien die Zähler kreuz und quer durch die Bauernschaft gelaufen, immer darauf bedacht, kein Wohngebäude zu übersehen. Die Bewohner hätten die erteilten Hausnummern an die Türbalken nageln müssen. 1836/37 habe dann der Rat der Stadtgemeinde Mülheim beschlossen, die fortlaufende französische Nummerierung durch eine neue Zählweise abzulösen, bei der jede Mülheimer Gemeinde, also auch Haarzopf, eine eigene Nummernfolge erhalten habe.
Die preußischen Zähler hätten die Hausnummern im Zickzackkurs zwischen der rechten und linken Straßenseite vergeben. Spätere Neubauten hätten die Nummer des nächstgelegenen Hauses mit einer angehängten Bruchzahl erhalten: ½, ¼, ¾. Diese Nummerierung habe bis Mitte der 1880er Jahre überdauert. „Dann griff der Haarzopfer Gemeinderat ein und veranlasste eine neue Zählung der Häuser, bedingt durch einen starken Zuzug von Bergleuten, die sich insbesondere im Bereich der heutigen Humboldtstraße niederließen“, schreibt Schmitz in seinen Ausführungen zum Thema Hausnummern.
Bredeney hatte kein Interesse an den armen Haarzopfern
Doch schon wenige Jahrzehnte später habe es wieder Veränderungen gegeben, als Haarzopf 1910 der Landbürgermeisterei Bredeney zugeteilt worden sei – was weder die Haarzopfer noch die Bredeneyer wirklich wollten. Letztere hatten wenig Interesse an den armen Bergleuten, Milchbauern, Handwerkern und Köttern. Immerhin existierte der 14-köpfige Haarzopfer Gemeinderat bis 1915, er ermöglichte seit 1878 den Haarzopfen eine teilweise Selbstverwaltung. Der Rat konnte als Außenposten der Bürgermeisterei untergeordnete Gemeindebeschlüsse lenken und die Aufgebote heiratswilliger Gemeindeglieder erfassen.
Der letzte Gemeindevorsteher war nach den Recherchen von Herbert Schmitz der Landwirt Hermann Unterhansberg (gest. 1934) auf dem Paßerhof an der Raadter Straße, der 1944 durch Bomben zerstört wurde. „Er hatte neben der Eingangstür seines großen Fachwerkhauses immer einen großen Gemeindekasten mit den neuesten Informationen angebracht.“
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Flurbezeichnungen und historische Örtlichkeiten
Es seien eben jene Gemeinderatsmitglieder und dazu der Haarzopfer Lehrer Karl Röhr und der evangelische Pastor Alfred Neuse gewesen, die zwischen 1911 und 1915 die noch heute gültigen Straßennamen festgelegt hätten. Diese bezögen sich überwiegend auf bäuerliche Gehöfte, Flurbezeichnungen und historische Örtlichkeiten. „Die wenigen, bislang nur als ,Communalwege’ bezeichneten, unbefestigten Hauptstraßen des Ortes wie Hatzper Straße, Raadter Straße und Humboldtstraße trugen jetzt auch offiziell einen Namen, dazu eine Anzahl bescheidener Zufahrtswege zu den verstreut liegenden Haarzopfer Höfen“, schreibt Schmitz.
Haarzopf war eine klassische Landgemeinde
Wie ländlich Haarzopf noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geprägt war, zeigen folgende Zahlen, die in einem Verwaltungsbericht der Bürgermeisterei Mülheim-Heißen von 1903 nachzulesen sind.
„Es bestehen 148 Gebäude, davon 135 mit Viehbestand. Es gibt 174 Haushaltungen, die 55 Pferde, 184 Stück Rindvieh, 3 Schafe, 225 Ziegen, 1179 Stück Federvieh, 4 Bienenstöcke und 4400 Obstbäume ihr Eigen nennen. Einwohner etwas 1200.“
1915 habe sich der Gemeinderat dann auflösen müssen: Haarzopf wurde in die Großstadt Essen eingemeindet – mit amtlichen Straßenbezeichnungen und Hausnummern.