Nach dem Rauswurf eines Referatsleiters bei der offenbar klammen Arbeiterwohlfahrt beklagt die Belegschaft per Brandbrief „Mangel an Respekt“.
Von „Salzluft und Schokoduft“ schwärmte die Internetseite der Arbeiterwohlfahrt am Dienstag nach einer Ausfahrt zweier Ortsvereine ins schöne Sauerland. Daheim in Essen riecht es derweil allerdings weiter nur nach Ärger: Eine Woche nach dem überraschenden Rauswurf eines Referatsleiters bei der Awo haben sich Mitarbeiter jetzt in einen Brandbrief an den Vorstand des Wohlfahrtsverbands gewandt. Sie beklagen darin „einen deutlichen Mangel an Respekt sowie einen Werteverlust, der unserer Ansicht nach mit dem Leitbild der Awo nicht zu vereinbaren ist“.
Nicht nur die fristlose Kündigung des langjährigen leitenden Mitarbeiters im Bereich Bildung und soziale Dienste habe die Kollegen „tief getroffen und schockiert“, heißt es in dem Schreiben. Vor allem die Art und Weise, mit der dieser am Montag der vergangenen Woche filmreif aus dem Haus komplimentiert wurde, sei nicht nachvollziehbar „und hat zu starken Irritationen geführt“.
Das Awo-Leitbild: Keine Angst vor großen Worten
Im Leitbild, das sich die Arbeiterwohlfahrt gegeben hat und das von den Mitarbeitern in ihrem Brandbrief an den Vorstand zitiert wird, zeigt die Awo keine Angst vor großen Worten.
„Wir bestimmen - vor unserem geschichtlichen Hintergrund als Teil der Arbeiterbewegung - unser Handeln durch die Werte des freiheitlich-demokratischen Sozialismus“, heißt es da: „Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.“
Die tatsächliche und gefühlte SPD-Nähe spielt dort keine Rolle: „Wir wahren die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit unseres Verbandes; wir gewährleisten Transparenz und Kontrolle unserer Arbeit.
Rückzug womöglich aus jenen Arbeitsfeldern, auf die man so Wert legte
Nach wie vor steht dabei nur als Vermutung im Raum, dass der Rausschmiss des fachlich auch jenseits der Awo geschätzten Pädagogen mit einem Streit um die finanzielle Klemme bei der Awo zusammenhängt. Eine jährliche Millionen-Lücke soll dem Vernehmen nach in der Essener Verbands-Kasse klaffen, Sparen ist angesagt, vielleicht auch der Rückzug aus einigen Arbeitsfeldern – womöglich ausgerechnet jenen, auf die man bei der Arbeiterwohlfahrt stets besonders großen Wert gelegt hatte.
Was Awo-Geschäftsführer Oliver Kern gleichwohl als ganz normalen Wandel in der Awo-Arbeit bezeichnet, der niemanden irritieren müsse, löst in der Belegschaft offenbar größere Sorgen aus, als manchem im Hause lieb ist: In dem Schreiben fällt das wenig beliebte Wort „Konsolidierung“, mit den geplanten Maßnahmen werde, so lautet die Klage, nicht so offen und transparent umgegangen, wie sich die Mitarbeiter das wünschen und der Vorstand es offenbar in einer außerordentlichen Betriebsversammlung versprochen hatte.
„Wir wünschen uns einen respektvollen Umgang“, heißt es im Brief
Antworten auf ihre Fragen erhoffen sich die rund 100 Mitarbeiter des betroffenen Referats und womöglich auch alle anderen von dem erbetenen Treffen mit dem Vorstand. Dessen Vorsitzender Klaus Johannknecht
war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der 79-jährige Sozialdemokrat, seit über 50 Jahren politisch aktiv und noch bis Monatsende Bezirksvertreter in Steele, war erst im Mai vergangenen Jahres als Vorsitzender der Essener Awo wiedergewählt worden. Er gilt als enger Vertrauter von Geschäftsführer Oliver Kern.
Wann Mitarbeiter und Vorstand zum Gespräch zusammenfinden, ist noch offen: Wegen der „aktuellen Brisanz“ setzt die Belegschaft auf einen kurzfristig anberaumten Termin. Und gibt zur Bekräftigung nochmal einen Einblick in ihre Seelenlage: „Wir möchten gerne ohne Angst vor Arbeitsverlust oder sonstigen Beeinträchtigungen arbeiten können und wünschen uns einen respektvollen und Wert schätzenden Umgang.“