Essen-Kettwig. In den Sozialen Medien wird über das Gebäude am Bögelsknappen diskutiert. Bürger kritisieren Denkmalamt, Stadt und Politik. Grüne sehen Lösung.
Der Eigentümer der Villa Ruhnau hat nach der Feststellung, dass der historische Komplex keinen Denkmalschutz erhält, nicht lange gezögert: Beim Amt für Stadtplanung und Bauordnung wurde Ende September die Abbruchanzeige für das Gebäude Am Bögelsknappen 1 eingereicht. Die Empörung in der Kettwiger Bevölkerung ist groß. Mehr als hundert Kommentare gab es nach dem Bericht.
„Wir alle sehnen uns nach Häusern mit Seele. Wir fahren in fremde Städte, um zu gucken, wie schön die Häuser dort sind und weinen, dass auch Essen mal eine sehr schöne Stadt war“, schreibt zum Beispiel Sabine Felderhoff in einem Facebook-Post. Die Frage nach der Bausubstanz spiele gar keine Rolle mehr. „Der reine Profit-Blick sorgt dafür dass ein so schönes Gebäude abgerissen wird.“
Sehnsucht nach identitätsstiftenden Ankern wird immer größer
Auch Michaela Oerding ist dieser Ansicht: „Gerade in der heutigen Zeit, wo die Sehnsucht nach identitätsstiftenden Ankern immer größer wird, ist es noch bedauerlicher als sowieso schon. Zweifelsohne kommt eine effizientere Bebauung dorthin, aber seelenlos. Denn so sind ja heute fast alle neuen Gebäude, die der Vermietung zugeführt werden: Kisten, Kästen, allesamt eben praktisch und quadratisch.“
„Damit ist das Ende besiegelt. Da kommt bestimmt eine Betonburg hin mit vielen Wohneinheiten“, „einfach nur noch traurig“ und „sehr schade“ kommentieren viele Bürger. Einige Kettwiger bekunden aber auch ihren Ärger über die Denkmalbehörde, die Politiker, die viel versprochen hätten zum Erhalt des Gebäudes – vor der Kommunalwahl. Und nun werde die Villa Ruhnau dennoch abgerissen.
Denkmalschutz wird als stumpfes Schwert empfunden
Uwe Klein, ehemaliger Essener Polizeisprecher, verweist auf das Grundgesetz, in dem stehe, dass Eigentum verpflichtet. „Ich mag solche Investoren nicht, denen jegliches kulturelles und geschichtliches Verständnis fehlt“, sagt er ganz deutlich. Leider sei der Denkmalschutz ein stumpfes Schwert.
Die Ortspolitiker etwas in Schutz nimmt Burkard Benedikt Kreidler: „Leider stehen auch die Ortspolitiker nicht über dem Gesetz. Wenn der Eigentümer das Gebäude unbedingt abreißen will, dann darf er das leider.“ Es sei ein löblicher Versuch gewesen, den Verkauf des hinteren, städtischen Grundstücks an den Erhalt der Fassade zu knüpfen. „Leider ist das in der Kettwiger Öffentlichkeit auf so viel Widerstand gestoßen, dass der Besitzer wohl entnervt die Schlechteste aller Lösungen wählen will. Wenn wir Glück haben, ist das eine Drohgebärde.“
Das bleibt nicht ohne Widerspruch im Diskussionsforum: Jan Robert Belouschek argumentiert, dass die untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Essen durchaus Möglichkeiten gehabt hätte, den Abriss zu verhindern bzw. zu erschweren. „Allerdings hätte dies den Willen der politisch Verantwortlichen vorausgesetzt. Wenn die Stadtspitze in der Angelegenheit den Sachbearbeitern in der unteren Denkmalschutzbehörde ihre Unterstützung zugesichert hätte, wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen.“
Nachbarschaftskreis forderte ergebnisoffene Prüfung
Von einem Ermessensspielraum schreibt auch Andreas Bauer im Facebook-Forum: „Hier gibt es sicherlich Gründe gegen den Denkmalschutz, aber sicherlich auch gute Gründe dafür. Und letztendlich kann ein OB als Verwaltungsvorstand sicherlich solch eine Entscheidung zumindest aus formalen Gründen zeitlich in die Länge ziehen bzw. mit guten Argumenten wohlwollend begleiten.“
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Zu Wort meldet sich letztlich auch Susanne Gilbert vom Nachbarschaftskreis Bögelsknappen. Sie verweist auf die ergebnisoffene Prüfung mit Ortsbegehung, die die Anwohner eingefordert hätten, „da der bis dahin negative Bescheid der Denkmalwürde lediglich gemäß Aktenlage erfolgte.“ Die Stadt Essen habe eine konsolidierende Prüfung in Auftrag gegeben – zur Bestätigung der bisherigen Entscheidungen: „Wer die Kapelle bestellt, bestimmt die Musik.“
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Grüne sehen Optionen, um Abriss zu verhinden – Appell an Oberbürgermeister
Nach Ansicht von Ludger Hicking-Göbels, erster stellvertretender Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk 9, lasse sich der Abriss der Villa Ruhnau verhindern:
1. Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan fassen, jetzt per Dringlichkeitsentscheid. 2. Dann kann die Stadt eine Veränderungssperre beschließen mit der Folge, dass weder ein Vorhaben oder ein Abriss durchgeführt werden kann (bis zu vier Jahre). 3. Solange keine Veränderungssperre beschlossen ist, kann das Abrissgesuch vom Planungsamt für bis zu zwölf Monate zurückgestellt werden .
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Für die Veränderungssperre gelte das Bauplanrecht (§ 14) und hier heiße es, dass „bauliche Anlagen nicht beseitigt“ werden dürfen, erläutert der Grünen-Politiker: egal ob genehmigungs- oder anzeigepflichtig. Es bedürfe also einer klaren Willenserklärung seitens der Ratsvertreter, klarer Beschlüsse und konsequentes Verwaltungshandeln. „Der Bürgerwille zum Erhalt des Gebäudes war immer eindeutig. Politische Gegenwehr zum Abrissbegehren bestenfalls halbherzig.“
Es bestünden Optionen: „Lieber Herr Kufen, es wäre gut wenn Sie sich kurzfristig mit den Fraktionsspitzen im Rat zum Antreiber eines solchen Verfahrens machten!“
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