Essen. Corona-bedingt fiel im ersten Halbjahr 2020 jede zweite Übernachtung weg. Die EMG glaubt: Ohne ihre Tourismus-Strategie wäre es noch schlimmer.

Noch immer sind in Essen Hotels im Bau oder stehen kurz vor der Eröffnung, aber die Branche hat derzeit große Sorgen. Denn das Corona-Virus bewirkte einen beispiellosen Einbruch bei den Gäste- und Übernachtungszahlen: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes haben im ersten Halbjahr 2020 rund 176.000 Gäste die Stadt besucht – das sind 56 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der einzelnen Übernachtungen sank um 51 Prozent auf etwa 389.000.

Viele Menschen nahmen von Städtereisen Abstand und fuhren lieber aufs Land

Richard Röhrhoff, Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH, überraschen die Zahlen nicht: „Auch nach dem Lockdown, als die Hotels also wieder öffnen durften, zog es die Menschen eher aufs Land, wo die Hotels wieder gut zu tun hatten. Von geplanten Städtereisen nahmen viele Abstand, weil sie dort mehr Ansteckungsgefahr vermuteten.“ Er habe sogar mit noch schlimmeren Zahlen gerechnet, Düsseldorf oder Dortmund hätte es noch härter getroffen als Essen.

Während im Mai der Rückgang der Gästezahlen in Essen 80 Prozent betrug, waren es im Juli nur noch 46 Prozent - immer noch ein gewaltiges Minus, aber eine immerhin positive Tendenz. Die entsprechenden Zahlen in einer vergleichbaren Stadt wie Dortmund betrugen 77 und 56 Prozent. Röhrhoff sieht hierin auch den Lohn für das Bemühen, Essen für den sommerlichen Naturtourismus interessant zu machen und nicht nur auf Städte-und Geschäftsreisen zu setzen.

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„Als wir unsere Tourismus-Kampagne starteten, konnten wir von Corona noch nichts wissen, aber es war gut, dass wir ins diese Richtung gegangen sind“, sagt Röhrhoff. Rückgrat der Bemühungen, Essen auch als Ziel für Erholungsurlauber zu etablieren, sind die beiden Wanderrouten Baldeneysteig und Kettwiger Panoramasteig, die mittlerweile auch außerhalb der Region langsam bekannter werden.

Kleinere Familienhotels und eingeführte Marken kommen oft besser zurecht

Vor allem kleinere Familienhotels hätten durchaus gut zu tun, eingeführte Marken wie Motel One gehe es besser als Newcomern am Hotel-Markt, weiß Röhrhoff. Auch das passt letztlich gut zur Pandemie-Problematik, Vertrauen dürfte momentan wichtiger denn je sein, wenn es um Buchungen geht. Immerhin: „Die letzten Monate liefen deutlich besser.“ Für August und September gebe es zwar noch keine verlässlichen Zahlen, aber doch positive Beobachtungen.

Allerdings hat Röhrhoff wenig Hoffnung, dass die Besucher-Zahlen in Essen und damit die Auslastung der Hotels kurzfristig wieder das alte Niveau vor Corona erreichen. Das liege nicht nur an den Touristen, die immer noch eine Minderheit sind, sondern mehr noch an den Geschäftsreisenden, die zu 75 Prozent für die Belegung der Essener Hotels sorgen. „Viele Unternehmen haben entdeckt, dass es nicht immer die Geschäftsreise sein muss und Video-Konferenzen genügen“, so Röhrhoff. Und schließlich sind auch die ausgefallenen Veranstaltungen der Messe Essen ein wichtiger Grund dafür, dass viele Betten leer bleiben.

Zimmer sind in Essen so günstig wie lange nicht mehr

Folge: Manche betagten Hotels wie etwa der Handelshof, die allerdings oft schon vor der Pandemie unter der stärkeren Konkurrenz litten, haben noch gar nicht wieder geöffnet. Und mancher Betreiber eines der neuen Hotels erwägt erneut die Schließung, bis die Zeiten wieder besser werden. Bestätigen wollte das indes niemand der Angefragten. Klar ist aber: Wegen des Konkurrenzdrucks und weil das Angebot die Nachfrage weit übersteigt, können die Essener Hotels ihre Zimmer nicht zu den langfristig einkalkulierten Preisen vermieten, viele der insgesamt knapp 10.000 Betten sind so günstig wie lange nicht zu haben.

Auch die Beschäftigten spüren den Leerstand und bezahlen mit Einbußen

Leerstand und Preisverfall spüren auch die Beschäftigten. „Die Folgen der Pandemie sind auch für Köche, Kellner und Hotelangestellte dramatisch“, sagt Adnan Kandemir, Gewerkschaftssekretär Ruhrgebiet der Branchengewerkschaft NGG-Region. Zwar habe die Kurzarbeit offene Arbeitslosigkeit verhindert, doch wegen der allgemein geringen Lohnhöhe in der Branche sei auch der Kurzarbeiterabschlag für die Betroffenen eine existenzielle Bedrohung. Nach Angaben der Arbeitsagentur beschäftigt das Hotel- und Gaststättengewerbe in Essen rund 12.000 Menschen. An die Unternehmen gehe der Appell, die Zeit des Leerlaufs zu nutzen, um Weiterbildung möglich zu machen, so Adnan Kandemir.