Essen. Ab 8. Juni will NRW den “eingeschränkten Kita-Regelbetrieb“. Eltern sind skeptisch, die Mitarbeiter besorgt und die Städte fordern Entlastung.

Früher als geplant werden die Kinder in NRW wieder in die Kitas und zu Tagesmüttern gelassen. „Verantwortungsbewusst “ soll dies geschehen“, versprach NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP).

Welche Schritte sind geplant?

Ab dem 28. Mai werden die Kitas für Vorschulkinder geöffnet, ab dem 8. Juni auch für alle anderen Kinder. Die Rückkehr zum „Regelbetrieb“ ist aber eingeschränkt: Es gibt nur 35, 25 und 15 Stunden Betreuungszeit pro Woche. Üblich waren bis zur Krise 45, 35 und 25 Stunden. Der Regelbetrieb in den Kitas ist bis zum 31. August befristet. Mitte August will das Land mit wissenschaftlicher Begleitung entscheiden, wie es dann weiter geht.

Gilt das auch für die Kindertagespflege?

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Das Familienministerium unterstreicht, dass grundsätzlich alle Kinder ab dem 8. Juni 2020 wieder zu ihren Tagespflegepersonen gehen können. Bisher galt die Einschränkung, dass Kinder das zweite Lebensjahr vollendet haben müssen. Der Landesverband Kindertagespflege erklärt aber, dass zum Teil nur „reduzierte Betreuung“ möglich sei..

Was ist mit der Notbetreuung?

Sie endet am 8. Juni. Eltern, die in „systemrelevanten Berufen“ arbeiten und zuletzt Betreuungangebote von mehr als 35 Stunden pro Woche hatten, müssen sich mit der reduzierten Stundenzahl arrangieren. Alle müssten „Zugeständnisse“ machen, sagte Minister Stamp.

Werden wieder Elternbeiträge fällig?

Update (26.5.): Die Landesregierung und die Städte haben sich darauf verständigt, Eltern im Juni und Juli die Hälfte der Elternbeiträge zu erlassen. Das teilte das NRW-Staatskanzlei am Dienstag (26. Mai) mit. Die Kosten teilen sich Land und Kommunen demnach zur Hälfte. Die konkrete Abwicklung obliege den Kommunen.

Familienminister Joachim Stamp sagte: „Da der Regelbetrieb aufgrund der Infektionslage weiterhin qualitativ und quantitativ mit Einschränkungen verbunden ist, halte ich es für fair, den Eltern in den kommenden beiden Monaten die Hälfte der Beiträge zu erlassen.“

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: „Die hälftige Teilung knüpft an die vorherigen Ansätze an und ist ein fairer Kompromiss für die Familien und unsere Kommunen.“

Müssen ältere und vorerkrankte Erzieher arbeiten?

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Für das Kita-Personal gilt wohl das Gleiche wie für Lehrer. Auch wenn sie einer Risikogruppe angehören, müssen sie damit rechnen, an den Arbe itsplatz zurückkehren zu müssen. Weil sich die Bewertungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) geändert hätten, würden Erzieher über 60 Jahre nicht mehr pauschal vom Dienst ausgeschlossen, so Stamp. Der Minister rechnet damit, dass die Erzieher „normal zur Arbeit kommen“. Wer meint, das gehe nicht, benötige ein ärztliches Attest.

Welche Regeln gelten in den Kitas?

Es gibt nur feste, räumlich voneinander getrennte Gruppen, und in jeder Gruppe wird mindestens eine Fachkraft eingesetzt.

Wie unterstützt das Land die Kitas?

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Als „Starthilfe“ für den Arbeitsschutz der Erzieher erhalten die Jugendämter zwei Millionen professionelle FFP-2-Schutzmasken und drei Millionen einfache OP-Masken. Für die Beratung der Kita-Leitungen wird ab dem 26. Mai eine Telefon-Hotline freigeschaltet. Mit einem Landesprogramm sollen Hilfskräfte für die Kitas gewonnen werden. Das Land macht Düsseldorf zur Modellkommune für Corona-Tests in Kitas. Mehrere tausend Kinder und Pädagogen sollen dort wöchentlich getestet werden.

Reicht das den Gewerkschaften?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW geht weiterhin davon aus, dass Personal für die erweiterte Kita-Betreuung in Zeiten der Pandemie fehle. 20 Prozent der Erzieher gehören einer Risikogruppe an - ob sie zur Betreuung bereit stehen, ist offen. "Es wird ein wahrer Kraftakt werden, den Kindern und auch ihren Eltern mit einem verminderten Personalstand gerecht zu werden“, sagte GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern.

Die Gewerkschaft Komba NRW mahnte sogar an, dass die Betreuung von Kinder nach wochenlanger Abwesenheit mehr Personal benötige, das Land den Personalschlüssel aber nicht anhebe. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Gruppengrößen auf das Niveau vor Corona erhöht werden, aber der festgeschriebene Personalschlüssel weiter missachtet wird“, sagte Landesvize Sandra van Heemskerk. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) tritt deshalb auf die Bremse: Eltern müssten sich auf ungewohnte Wege einstellen. Normalität werde es auch in den Kitas vorerst nicht geben.

Was sagen die Städte?

In den Kommunen stößt die Kita-Öffnung auf ein überwiegend positives Echo. Die Dortmunder Schul- und Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger begrüßte, dass es vor der Sommerpause zu einer Rückkehr zum Regelbetrieb kommen werde. Sie warnte aber wegen des komplexen Verfahrens vor einem „Flickenteppich“ in der Betreuung vor Ort. „Eltern brauchen ein verlässliches Bild darüber, wo und in welchem Umfang die Betreuung gewährleistet werden kann“, sagte die grüne OB-Kandidatin für Dortmund dieser Redaktion. Schneckenburger forderte auch vereinfachte Abrechnungsmodalitäten. Für die Stadtverwaltungen sei es schlicht nicht leistbar, Monat für Monat tausende Bescheide für die Eltern anzupassen.

Wie wollen die Kita-Betreiber den frühen Start stemmen?

Viele Fragen zur konkreten Umsetzung sind aus Sicht der Träger noch offen. Die Freie Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, Träger von über 7500 Kitas in NRW, appelliert daher ans Land, notwendige Orientierungslinien für die Kita-Praxis frühzeitig vorzulegen. Träger, Leitungen und Beschäftigten müsse Vorlauf für die erforderlichen Vorbereitungen gegeben werden.

Welche Alternativen zur Kita haben Eltern bis zum 8. Juni?

In NRW dürfen sich Eltern privat zusammenschließen, um Kinder zu betreuen. Dabei soll allerdings möglichst vermieden werden, neue Kontaktnetzen zu bilden, heißt es aus dem NRW-Familienministerium. Das bedeutet: Innerhalb der Gruppe müssen die immer gleichen Kinder betreut werden. Kontrolliert wird das allerdings nicht. Wie die Stadt Duisburg mitteilte, sind die privaten Gruppen nicht registgrierungspflichtig.

Wer sein Kind zu Hause betreuen muss und deshalb nicht arbeiten kann, erhält länger als bisher geplant eine Lohnfortzahlung vom Staat. Die Dauer der Entschädigungszahlung ist von sechs auf zehn Wochen pro Elternteil und 20 Wochen für Alleinerziehende verlängert worden. Eltern von Kindern, die jünger als zwölf Jahre sind, erhalten 67 Prozent ihres Netto-Verdienstausfalles und höchstens 2016 Euro pro Monat erstattet.

Das geht dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht weit genug. NRW-Vize Sabine Graf forderte eine Erhöhung auf mindestens 80 Prozent des Verdienstausfalles und ein Recht auf eine stunden- oder tageweise Freistellung.

Jubeln die Eltern?

Das tun sie. Der Landeselternbeirat für Tagespflegesstätten, der Familienminister Stamp noch vor Kurzem für seinen zunächst nur vorsichtigen Kurs rügte, bedankt sich jetzt öffentlich. Die Kernforderung der Eltern, alle Familien zu entlasten und alle Kinder aus der sozialen Isolation zu holen, sei erfüllt. In den sozialen Netzwerken indes machen Eltern auch ihre Sorgen deutlich. Gerade diejenigen, deren Kinder bisher notbetreut werden, müssen jetzt Ersatz für kürzere Kita-Tage schaffen. Offen ist, wie viele Eltern aus Sorge vor Ansteckung ihr Kind lieber weiter zu Hause betreuen.