Essen. Verdi droht mit weiteren Klagen gegen verkaufsoffene Sonntage in Essen. Richard Röhrhoff, Chef der Essen Marketing GmbH: „Das Maß ist voll.“

Der Streit zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Stadt Essen um die Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen spitzt sich zu. „Das Maß ist voll“, sagte Richard Röhrhoff, Geschäftsführer der Essen Marketing Gesellschaft (EMG), nachdem Verdi angekündigt hat, gegen eine Reihe von verkaufsoffenen Sonntagen auf dem Rechtsweg vorzugehen, sollte dies nötig sein. Die Gewerkschaft müsse aufpassen, „dass sie nicht zum Sargnagel für die Innenstadt wird“.

Da der Einzelhandel besonders stark unter der Coronakrise leidet und in den vergangenen Monaten erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen musste, hat der Rat der Stadt verkaufsoffene Sonntage auch an Terminen zugestimmt, an denen es dafür keinen konkreten Anlass gibt. Üblicherweise verlangt der Gesetzgeber, dass die Läden nur an Sonntagen öffnen dürfen, an denen traditionell Feste gefeiert werden. Ein Erlass der Landesregierung erlaubt es den Kommunen, in diesem Jahr von der Regel abzuweichen. Dagegen geht Verdi vor.

Verdi zielt auf verkaufsoffene Sonntage ab, für die es keinen Anlass gibt

In einem Schreiben an die Stadt Essen fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Oberbürgermeister Thomas Kufen auf, den Beschluss des Stadtrates für verkaufsoffene Sonntage, für die es keinen konkreten Anlass gibt, zurückzunehmen. Andernfalls will Verdi den Ratsbeschluss vor Gericht überprüfen lassen. Laut Gewerkschaftssekretär Kay Lipka geht es um die Termine am 4. Oktober in Altenessen und in der Innenstadt, am 25. Oktober in Werden, am 8. November abermals in der Innenstadt sowie am 29. November in Werden und Kupferdreh.

Per Eilantrag hatte Verdi bereits vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) den geplanten verkaufsoffenen Sonntag am 9. September in Borbeck und Werden zu Fall gebracht. Die Stadt Essen strich daraufhin die offenen Sonntage für den 13. September in Kupferdreh und für den 20. September in Steele. Die Veranstalter hatten zuvor die Feste abgesagt, in deren Rahmen die Läden hätten öffnen sollen.

Verkaufsoffene Sonntage sollen dem Einzelhandel helfen, durch die Krise zu kommen

EMG-Chef Richard Röhrhoff zeigt angesichts der Krise keinerlei Verständnis für den strikten Kurs von Verdi. Besonders verärgert ist Röhrhoff darüber, dass die Gewerkschaft auch den verkaufsoffenen Sonntag am 4. Oktober in der Innenstadt „angreift“, da es für diesen sehr wohl einen Anlass gebe. Gefeiert wird dann die Eröffnung des „Essen Light Festivals“. Der Termin wurde wegen der Coronakrise allerdings vorverlegt. Sonst findet das Lichterfest im Winter statt.

Der Einzelhandel sei dabei, sich langsam zu erholen, werde die erlittenen Verluste aber nicht mehr reinholen können, betont Röhrhoff. Allen voran der Textilhandel sei auf das Herbstgeschäft angewiesen. Die verkaufsoffenen Sonntage sollen dazu beitragen, dass der Einzelhandel wieder auf die Beine komme. Dies sei auch im Interesse der Beschäftigten. Die Dienstleistungsgewerkschaft müsse sich fragen lassen, für wen sie eigentlich spricht. „Mahnwachen vor der Galeria Kaufhof abhalten und gegen verkaufsoffene Sonntage klagen - das passt nicht zusammen“, sagt Röhrhoff in Anspielung an das Aus des Traditionskaufhauses am Willy-Brandt-Platz, das Verdi mit Protesten begleitet hatte.

Verdi sieht den Schwarzen Peter bei der Landesregierung

Verdi sieht den Schwarzen Peter hingegen bei der Landesregierung. Diese haben den Kommunen mit ihrem Erlass eine Rechtssicherheit vorgegaukelt, die es aber nicht gebe. Kay Lipka verweist auf Artikel 140 des Grundgesetzes, der Bezug nimmt auf die Weimarer Verfassung. Dort heißt es: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

Verdi wolle die Folgen der Coronakrise nicht herunterspielen, betont Lipka. Der Gewerkschaftssekretär erinnert aber daran, dass es doch gerade die Beschäftigten im Einzelhandel gewesen seien, die für ihren Einsatz als „Helden des Alltags“ gefeiert wurden. „Ich hätte es schön gefunden, wenn sie nicht nur beklatscht würden, sondern wenn die Stadt in diesem Jahr auf verkaufsoffene Sonntage verzichtet hätte“, betont Lipka.

Offenbar sieht das nicht jeder so, der im Einzelhandel arbeitet. Ulrike Weber, Geschäftsführerin der Mayerschen Buchhandlung, hat nach eigenen Worten bereits Listen ausgehängt, damit sich Mitarbeiter, die am verkaufsoffenen Sonntag arbeiten wollen, rechtzeitig eintragen können. Und? Es hätten sich mehr gemeldet, als sie einsetzen könne – und das sei nicht nur diesmal so. Die Beschäftigten erhielten einen Zuschuss zum Gehalt, auch sei, das Arbeiten an einem verkaufsoffenen Sonntag entspannter. Zur Verweigerungshaltung von Verdi sagt Ulrike Weber mit Blick auf die Coronakrise: „In diesem Jahr finde ich es schwierig.“

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