Essen. Rechtlich ist der Straßenstrich wieder ein öffentlicher Raum wie jeder andere. Ob der käufliche Sex coronakompatibel abläuft, weiß aber niemand.

Nach dem gerichtlichen Aus für das pandemiegetriebene Prostitutionsverbot hat die Landesregierung NRW offenbar keinen allzu dringenden Handlungsbedarf gesehen und der Stadt Essen keinen leichten Stand beschert: Für das derzeitige Treiben am wiedereröffneten Straßenstrich gibt es deshalb seit nunmehr fünf Tagen weder eine der Coronalage angepasste Schutzverordnung des Düsseldorfer Gesundheitsministeriums, noch eine kommunale Allgemeinverfügung als Grundlage für Kontrollen durch das städtische Ordnungsamt. Der Kreisverkehr an der Gladbecker ist seit dem vergangenen Freitag nach einer mehrmonatigen Sperrung wieder ein öffentlicher Raum wie jeder andere auch - ohne geeignete Pandemievorschriften.

Derzeit dienen allenfalls Appelle und Aufklärung, eilends aus Feuerwehrbeständen bereit gestellte Masken und Handdesinfektionsmittel sowie eine zumindest optische Präsenz des Ordnungsamtes als Viren-Schutz. Doch was sich in den Verrichtungsboxen und Wohnwagen auf dem Platz abspielt, in denen die Freier und deren Geld die Regie übernehmen, weiß niemand ganz genau.

Die Frauen haben ihren Mund-Nasen-Schutz mitgebracht

Heißt es da jetzt, Sex ohne Maske kostet 20 Euro mehr? Auszuschließen ist das nicht, auch wenn der erste Eindruck ein anderer sein mag: Die Frauen gehen verantwortungsvoll mit der Situation um, lautet die Einschätzung im Strichpunkt, der sozialen Betreuungs- und Beratungsstelle auf dem ehemaligen Kirmesplatz, wo sich allerdings bislang nur wenige Ratsuchende eingefunden haben. Nach einer langen finanziellen Durststrecke haben die Frauen offenbar Nachholbedarf und arbeiten lieber. Das Geld scheint akut wichtiger zu sein als Gespräche.

Einen Mund-Nasen-Schutz haben sie jedenfalls alle mitgebracht, die städtischen Maskenbestände wurden erst einmal nicht benötigt.

Stadt hatte bereits Freitag mit einer Antwort des Landes gerechnet

Eigentlich hatte die Stadt nach entsprechenden Signalen aus Düsseldorf damit gerechnet, am vergangenen Freitag eine modifizierte Coronaschutzverordnung des Gesundheitsministeriums zu bekommen, in dem die besondere Lage an der Gladbecker Straße und der dortigen Situation angepasste Vorschläge der Essener Experten für ein Hygienekonzept Berücksichtigung finden. Auch deshalb hatte man den Straßenstrich geöffnet - allerdings unter dem gleichzeitigen Verzicht auf eine kommunale Allgemeinverfügung, auf deren Basis man das Treiben in kontrollierbarere Bahnen hätte lenken können. Doch für nur wenige Tage von Freitag bis Dienstag, wenn die noch geltende Coronaschutzverordnung fristbedingt ausläuft, hätte eine solche Vorschrift kaum Sinn gemacht, heißt es.

Das städtische Ordnungsamt zeit zumindest Präsenz auf dem Essener Straßenstrich.
Das städtische Ordnungsamt zeit zumindest Präsenz auf dem Essener Straßenstrich. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Eine andere denkbare Variante, den Straßenstrich trotz des OVG-Entscheids gegen das Prostitutionsverbot erst wieder zu öffnen, wenn das Land seine Coronaschutzverordnung dem Urteil angepasst hat, wäre aus Sicht von Stadtjuristen womöglich rechtswidrig gewesen.

Es bleibt das Restrisiko, den Straßenstrich wieder schließen zu müssen

In dieser Gemengelage bleibt nun neben einer womöglich erhöhten Infektionsgefahr ein Restrisiko, den Kreisverkehr nach wenigen Tagen der Öffnung wieder schließen zu müssen. Das könnte passieren, wenn nur neue Corona-Bestimmungen für bordellartige Einrichtungen, nicht aber ein Straßenstrich mit seinen lokalen Besonderheiten Eingang in die neue Schutzverordnung des Landes finden würde. Mit der Folge, dass die oft drogenkranken Frauen erneut in die Illegalität und Schutzlosigkeit getrieben würden.